Aus den Feuilletons

Die ARD am "Hof des Neo-Osmanen"

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan
Michael Hanfeld schreibt in der "FAZ": "Nach diesem Gespräch aber muss jedem klar sein, mit wem wir es im Falle des Recep Tayyip Erdogan zu tun haben." © dpa/picture alliance/RIA Novosti
Von Klaus Pokatzky · 26.07.2016
Als "Stichwort-Kastraten" hat die "SZ" BR-Chefredakteur Sigmund Gottlieb kritisiert. Dieser durfte exklusiv fürs deutsche Fernsehen in der ARD den türkischen Präsidenten interviewen. Die "FAZ" verteidigte dagegen den Fragensteller.
"Warum Donald Trump gewinnen wird", titelt der Berliner TAGESSPIEGEL – bitte nicht auch das noch: "Michael Moore sagt Sieg des 'Psychos' voraus." Der "Psycho" ist natürlich der republikanische Präsidentschaftskandidat. Michael Moore ist Regisseur und beschrieb auf seiner Website Donald Trump nun als "erbärmlichen, ignoranten, gefährlichen Teilzeit-Clown und Vollzeit-Psychopathen". Egal: "Alle Leser sollten sich bereits darauf einstellen, demnächst vier Jahre lang ungewohnte, ungeliebte Worte aussprechen zu müssen: "'Präsident Trump'", schreibt Christian Schröder im TAGESSPIEGEL:
"Clinton hat einen Vorsprung bei Afroamerikanern, Hispanics und Armen, aber von denen würden 'höchstens 50 Prozent' zu den Wahlen gehen, auch deshalb, weil sie dafür registriert sein müssen."
Und was gibt's noch zur Demokratin Hillary Clinton?
"Die Präsidentschaftsbewerberin ist überaus unpopulär, fast 70 Prozent der Wähler halten sie für nicht vertrauenswürdig und unehrlich."

Künstler will Trauergottesdienste für europäische Werte halten

Die Feuilletons waren auch schon mal angenehmer zu lesen als in diesen Tagen.
"In Trauergottesdiensten mit Pfarrer und Kirchenchor will der niederländische Künstler Dries Verhoeven in Wiesbaden verloren gegangene europäische Werte beerdigen."
So lautet eine Meldung im TAGESSPIEGEL.
"Dazu könnten Solidarität oder Sicherheit gehören."
Rechtsstaatlichkeit könnte auch dazu gehören: die Unabhängigkeit der Justiz.
"Die Hetzjagd geht weiter", heißt es da in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG zur Lage in der Türkei.
"Die irritierendste Nachricht ist vielleicht die von der Ernennung von İrfan Fidan zu Istanbuls Oberstaatsanwalt", schreibt Yavuz Baydar."Viele sehen in seiner Ernennung ein Signal dafür, dass nun noch härter gegen Journalisten und Intellektuelle vorgegangen werden soll."
Yavuz Baydar ist Blogger in Istanbul. Die SÜDDEUTSCHE druckt sein "Türkisches Tagebuch" jetzt in Folge Nummer Acht: "Montagnacht unterzeichnete Erdoğan ein Gesetz, das die Justiz der Exekutive unterstellt."
Das schreit nach kritischer Berichterstattung der freien deutschen Medien. Das ruft nach richtig harten Fragen, wenn etwa ein öffentlich-rechtlicher Fernsehsender, sagen wir mal der Bayerische Rundfunk (BR), den türkischen Präsidenten Recep Erdoğan interviewen könnte.

Debatte um Gottlieb-Erdogan-Interview

"Da degradiert sich ein BR-Chefredakteur zum Mikrofonständer am Hof des Neo-Osmanen", findet Tomas Avenarius in der SÜDDEUTSCHEN, "dann macht Sigmund Gottlieb vom BR-Fernsehen den Stichwort-Kastraten"der ja tatsächlich Erdoğan exklusiv fürs deutsche Fernsehen interviewen konnte.
"Erdogans Umgang mit kritischer Presse spricht der ARD-Mann gar nicht erst an", schreibt Markus Ehrenberg im TAGESSPIEGEL. "Zur Verhaftung von Journalisten – am Wochenende sollen in der Türkei Dutzende Haftbefehle gegen Journalisten erlassen worden sein – keine einzige Frage vom Journalisten Gottlieb."
Doch wo viel Kritik an Sigmund Gottlieb ist, da findet sich ein Verteidiger auch. "Die Taktik von Gottlieb war gar nicht schlecht", urteilt die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG: "Er trat schon fast übertrieben freundlich auf, fiel nicht mit der Tür ins Haus und fragte eher um die Ecke", meint Michael Hanfeld. "Nach diesem Gespräch aber muss jedem klar sein, mit wem wir es im Falle des Recep Tayyip Erdogan zu tun haben. Wir haben es mit einem Präsidenten zu tun, der sich für die Verkörperung des Souveräns hält und der nur sich und das Volk kennt. Dessen Willen kennt niemand besser als er, und diesen Willen führt er aus. Er kann also gar nicht falsch liegen. Der Staat ist er."
Ach ja, es gibt noch richtig gute Nachrichten. "Gibt es noch Hoffnung?", fragt der TAGESSPIEGEL in seinem Artikel zu den Prophezeiungen von Michael Moore, Donald Trump werde der nächste US-Präsident. "Ja", macht uns Christian Schröder Hoffnung: "In der nächsten Woche will Moore enthüllen, wie Trump zu schlagen ist."
Ich bitte darum.
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