Zwischen Beklemmung und Sinnlichkeit

Von Jörg Taszman · 06.09.2010
Francois Ozon ist Frankreichs fleißigster Regisseur, mit "8 Frauen" und "Swimming Pool" erreichte er auch in Deutschland ein Millionenpublikum. In seinem neuen Film zeigt Ozon nun den Alltag einer schwangeren Frau.
Ein Ehepaar liegt im Bett und wartet auf den Dealer. Am nächsten Morgen entdeckt die Mutter des Mannes beide im Koma. Nur Mousse, die schwangere Ehefrau, kann gerettet werden. Ihr Mann stirbt an einer Überdosis. Die wohlhabende, bürgerliche Familie möchte nicht, dass Mousse das Kind behält und bietet Geld für eine Abtreibung. Aber Mousse zieht sich zurück aufs Land, wo sie von Paul, dem Bruder ihres verstorbenen Mannes, besucht wird. Diese männliche Hauptrolle spielt der Sänger Louis Ronan Choisy, der auch den Titelsong zum Film beisteuerte.

Regisseur Francois Ozon wollte ganz bewusst einem Schauspiel-Laien eine gestandene Schauspielerin gegenüberstellen. Es ist die in Frankreich sehr bekannte Isabelle Carré, die hier ebenfalls den Titelsong mitsingt. Seine Hauptdarstellerin musste vor allem schwanger sein. Sonst hätte Francois Ozon den Film nicht gedreht.

"Meine Freundin, die Schauspielerin Ludivine Sagnier, rief mich eines Tages an und sagte: Ich habe eine gute Nachricht für Dich. Ich bin schwanger. Ich gratulierte ihr und rief sie am nächsten Morgen wieder an und sagte ihr, dass ich schon immer davon geträumt hatte, einen Film mit einer schwangeren Schauspielerin zu drehen. Und ich fragte sie: Würdest du mit mir in diesem Sommer zusammen verreisen, und wir schreiben dann gemeinsam eine Geschichte und drehen einen Film. Ludivine dachte nach und antworte: Hör zu, ich war schon schwanger, das ist einfach zu anstrengend, schwanger und Schauspielerin zu sein. Und da sie bereits mit mir gearbeitet hatte, wusste sie, wie schwer es wird. So sagte sie mir ab. Ich hatte das Projekt dann aufgegeben.

Dann rief mich eine Casting-Frau an und meinte: Francois, derzeit gibt es in Paris drei schwangere Schauspielerinnen, unter ihnen auch Isabelle Carré, die ich nicht kannte. Ich setzte mich gleich ans Telefon und bot ihr die Rolle an. Und Isabelle sagte Ja. Es war ihr erstes Kind. Vielleicht sagte sie deshalb zu, weil sie nicht wusste, was ihr bevorstand…"

Isabelle Carré stellte jedoch zwei Bedingungen. Erstens wollte sie am Meer drehen, im Baskenland. Außerdem bestand sie darauf, dass sie im Film ein Mädchen zur Welt bringt, obwohl sie mit einem Jungen schwanger war. So begannen die Dreharbeiten mit der schwangeren Schauspielerin und wurden kurz vor der Geburt für sechs Monate unterbrochen. Es ist nicht das erste Mal, dass Francois Ozon so arbeitet. Schon in seinen Filmen "Sous le sable"/Unter dem Sand" und "5 x 2" gab es längere Drehpausen.

"Es ist Luxus, erst einen Teil des Filmes drehen zu können, dann zu schneiden, herauszufinden, was funktioniert und was nicht und dann das Drehbuch noch einmal umzuschreiben. Die Schauspieler leben ja immer mit ihrer Figur auch wenn man sechs Monate lang die Dreharbeiten unterbricht, behalten Schauspieler ihre Figur im Kopf. Und so reift dieser Charakter, und das wird dann wirklich interessant. Das funktioniert nur, wenn es Zeitsprünge und Ellipsen gibt wie in 'Unter dem Sand' oder jetzt in 'Zurück ans Meer'. Da liegen ja auch zwei bis drei Monate dazwischen…"

Ein wenig spröde, aber durchaus faszinierend filmt Francois Ozon den Alltag einer schwangeren Frau und überhöht ihn. Dabei ist er mit der Kamera immer sehr nah an den Figuren und schafft so eine Stimmung aus Sinnlichkeit und Beklemmung. Was aber faszinierte ihn nun so am Thema Schwangerschaft?

"Ich werde die Schwangerschaft körperlich ja nie selber erleben können, und für mich ist das sehr geheimnisvoll und es interessiert mich. Seit einigen Filmen habe ich mich um dieses Thema herum bewegt. In 'Ricky' dreht sich alles um die Ankunft eines Babys in einer Familie und wie durch diese Ankunft der Platz aller Familienmitglieder erschüttert wird. In diesem Film geht es mir um die Zeit der Schwangerschaft und wie sich eine Frau dabei physisch und psychisch verändert, was die Zeit aus ihrem Körper und ihrer Psyche macht."

Francois Ozon bleibt auch mit "Rückkehr ans Meer" ein Regisseur, der sich treu bleibt, aber dennoch immer wieder überrascht. Einmal mehr schafft er es mit minimalem Aufwand wie einem guten Casting, melancholischer Musik und klar strukturierten, schönen Bildern, den Betrachter zunehmend zu fesseln. Und so verlässt man das Kino beschwingt und nachdenklich. Es ist einer dieser Filme, deren Geschichte zunächst banal klingen mag, die sich aber nachdrücklich festsetzen und die man nicht so schnell vergisst.

Frankreich 2009. Regie: Francois Ozon. Hauptdarsteller: Isabelle Carré, Louis-Ronan Choisy, Pierre Louis-Calixte. 88 Minuten

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