Zurück zu den Wurzeln

Von Carsten Probst · 30.01.2012
Anlässlich der transmediale in Berlin will der neue künstlerische Leiter, Kristoffer Gansing, dass die Veranstaltung wieder zu einer Forschungsplattform für die Medienkultur wird - und sich dem Mainstream widersetzt. Diskussionsrunden, Kunstwerken, Video-Screenings und Workshops sollen dieses Vorhaben unterstützen.
Jacob Lillemose: "”Hier haben wir William S. Borroughs’ und Antony Balch’ berühmten Film "Cut Ups" von 1966. Er ist inspiriert von der Cut-Up-Technik des Malers und Schriftstellers Brion Gysin und besteht aus einer Kollage sehr vieler sehr kurzer Schnitte, die wiederum vom Dadaismus inspiriert ist.

Und dieser Film zeigt, dass Borroughs nicht nur Godfather des Punk ist, sondern auch Godfather of Glitch, von Computer-Glitch, einer Bild-Kollagetechnik, die sich gezielt der Bild- und Tonfehler von Medien bedient. Und wenn Sie sich umsehen, merken Sie, dass viele Arbeiten auf dieser Grundlage aufbauen.""

Die transmediale 2012 greift tief in die Geschichts-Kiste in ihrer Ausstellung, wie ihr Kurator Jacob Lillemose erklärt. Kunsthistorische Bezüge finden sich überall, und das liegt natürlich zum einen am 25-jährigen Bestehen des Festivals. 25 Jahre sind sowohl im Bereich der Medienkunst als auch im Kulturbetrieb eine Ewigkeit, und nicht selten war in den letzten Jahren von Kritikern der Abgesang auf die transmediale gesungen worden, die nur noch der Entwicklung hinterherlaufe, inhaltlich ausgebrannt und zu einer reinen Eventschleuder für Nerds verkommen sei.

Diese transmediale aber hat in Kristoffer Gansing auch einen neuen künstlerischen Leiter, der sie nicht nur aus nostalgischen Gründen auf ihre Wurzeln zurückführen möchte. Er hat einige klassische Event-Elemente, wie die Verleihung des Villem-Flusser-Awards, in Forschungsstipendien umgewandelt. Er möchte, dass die transmediale wieder zu einer Forschungsplattform für die Medienkultur wird.

Der Titel ist damit Programm: "In-Compatible" soll die transmediale wieder werden, sich dem Mainstream der Kulturevents nicht mehr anpassen, Leuchtturmförderung hin oder her. Ein bisschen Widerspruchsgeist muss sein. Demostrative Sperrigkeit deutet sich schon gleich im Foyer an, mit Ben Woodesons Vorhang aus elektrifizierten Stäben, die den gesamten Raum zerteilt und den Übergang schwierig macht, inkompatibel eben. Und so bürstet man die Bilderwelten wieder gegen den Strich wie in besten alten Zeiten, mit ganz einfachen Mitteln.

Jacob Lillemose: "”Diese Diashow hier basiert auf Bildern, die auf dem Foto-Sharing Portal Flickr gefunden wurden. Fotos einer Müllhalde in Ghana, auf der all unser Elektroschrott gesammelt wird.

Die westliche Welt hat einen praktischen Weg gefunden, ihren Elektroschrott zu entsorgen, und so landet er zum Beispiel auf solchen riesigen Müllhalden wie in Ghana, auf denen Menschen davon leben, die Metalle aus den Gehäusen herauszuholen, und größten Umwelt- und Gesundheitsschäden. Und ein weiterer Aspekt dieser Elektro-Entsorgung ist das rapide Anwachsen der Cyber-Kriminalität gerade in Afrika, weil in vielen alten Geräten noch sensible Daten auf den Festplatten sind, die nicht gelöscht wurden.""
Man kann also wieder etwas lernen über die Zivilisation auf der transmediale. Auch im traditionellen Kerngeschäft, dem Video-Screening, sieht man dieses Jahr viele retrospektive Elemente. Zum einen wiederum aus Anlass des Jubliäums mit einigen grandiosen Beiträgen von der ersten transmediale 1987. Zum anderen aber auch, um den Kritikern zu zeigen, wer in der aktuellen Entwicklung Original und wer die schlechte Kopie ist. Kurator Marcel Schwierin:

Marcel Schwierin: "Wenn Sie an die Frühzeit der transmediale denken, die sich ja anfangs noch Video-Film-Fest nannte, dann war es damals die Idee des Festivals, einer Gegenöffentlichkeit ein Forum zu bieten, dass jeder Videoproduktionen nutzen und veröffentlichen kann, die damalige ‚Medienoperative’ veranstaltete sogar Lehrgänge im Umgang mit Videofilm, um einen Gegenpol zu den Massenmedien zu schaffen.

Mit YouTube haben wir diese Gegenöffentlichkeit nun für jeden. Broadcast yourself ist das Motto. Aber es gibt eine Einschränkung. Unter jedem Video finden Sie einen Button: ‚Als Unangemessen melden.’ Wenn irgendjemand auf diesen Button klickt, prüft ein anonymes YouTube-Team das Werk, und in den meisten Fällen, ungefähr 83 Prozent, wird das Werk von der Plattform entfernt."
So präsentiert man Arbeiten wie die Videos des Kanadiers Dominic Gagnon, der indizierte Werke herunterlädt, bevor sie gelöscht werden können: Videos, die wegen Urheberrechtsverletzungen, Hate Speech oder diskriminierender Inhalte als unangemessen angeklickt wurden und die er zu einer Kollage verarbeitet, die nirgends mehr zu sehen ist außer eben dort, wo er sie aufführt. Für die transmediale sind solche Produktionen identitätsstiftend. Sie muss gerade ihren vielfältigen Kritiker aus der Szene beweisen, dass sie politisch noch etwas zu sagen hat.

Sie will und sie sollte sich nicht mit bekannten Namen schmücken, sondern wenigstens ansatzweise eine Kultur des Subversiven bewahren, die sich nicht zuletzt aus Netzwerken bildet, die nichts mit massenmedialer Öffentlichkeit, Hochglanzfestivals oder gar dem konventionellen Kunstmarkt zu tun haben wollen. Den Spagat zwischen der Leuchtturmförderung durch die Kulturstiftung der Bundes und dem Erhalt der subversiven Ressourcen hat sich lange keiner mehr zugetraut, als es um die Neubesetzung der Direktorenstelle ging. Kristoffer Gansing stellt sich nun der Aufgabe und macht zum ersten Mal seit Langem wieder neugierig auf mehr.