Zum Tod von Helmut Dietl

"Die Komödie, das ist meine Waffe gegen das Böse in der Welt"

Der Regisseur und Autor Helmut Dietl
Der Regisseur und Autor Helmut Dietl © picture alliance / dpa / Soeren Stache
Von Christian Berndt · 30.03.2015
Genau beobachten und satirisch brillant zuzuspitzen – das konnte Helmut Dietl und mit dieser Kunst wurde er zur Ausnahme-Erscheinung im deutschen Fernsehen: "Monaco Franze" und "Kir Royal" gelten heute als Serien-Höhepunkte der 1980er-Jahre.
"Wenn Sie mit Leuten sprechen, die sich mit sogenannten komischen Sachen beschäftigen, dann sind es – wenn's gute Leute sind – eigentlich ganz selten irgendwelche Gaudi-Burschen, sondern es sind meistens eher melancholischere Menschen. Und gerade das veranlasst sie dann, eben Komödien zu machen, um dieser Melancholie entgegen zu wirken, nicht wahr? Diejenigen, die Tragödien machen, san meist die Gesunderen und Glücklicheren, die werden uralt."
Der Komödienfilmer Helmut Dietl hat sich selbst nie als lustigen Menschen gesehen. Das Kino war für den in München aufgewachsenen Jungen aus schwierigen Verhältnissen früh eine bessere Heimat als die weniger erfreuliche Realität.
"Münchner Geschichten" - Dietl erzählte lakonisch vom München der Siebzigerjahre
Und diese bessere Heimat hat Dietl in seinen Filmen immer kritisch zugespitzt, dabei aber treffsicher beschrieben, so wie in seiner ersten Fernsehserie "Münchner Geschichten" von 1974. Held der Serie ist der Luftikus Tscharlie:
- "Du, ich glaub, ich hab Fieber."
- "Mit Dir is a Kreuz."
- "Warum?"
- "Zum Arbeiten für andere bist zu g'scheit, und zum selber Geldverdienen bist' zu blöd."
- "Des kimmt bloß, weil des ganze System net stimmt, verstehst? Der Mensch sollt in der Jugendphase faul sein dürfen, nit erst im Alter. Da hat er ja viel mehr davon. Die Arbeit is nur was für a reifen Menschen."
Tscharlie hat gute Ideen, scheitert aber immer wieder an seinem Idealismus. In "Münchner Geschichten" erzählte Dietl lakonisch vom München der Siebzigerjahre, von Generationskonflikten und – wieder ziemlich aktuell - von den Protesten gegen die beginnende Gentrifizierung. Die kraftvoll-bayerische wie sozialkritische Fernsehserie wurde ein Publikumsrenner und für den Regie-Anfänger zum Durchbruch. Regelrechten Kultstatus erreichte in den Achtzigerjahren seine subtile Gesellschaftssatire "Monaco Franze" – dieser Erfolg ermöglichte es Dietl dann auch, den aufwändigen Fernseh-Sechsteiler über die Münchner High Society "Kir Royal" zu drehen:
"Hört's auf, jetzt machen wir Pariser Leben, alle Weiber auf den Tisch!"
Die Schickeria tanzt auf den Tischen, angeleitet von Baby Schimmerlos. Der Star-Klatschreporter dirigiert die Partys, über die er dann berichten wird, gleich selbst. Seine Freundin Mona, gespielt von Senta Berger, ist genervt:
- "In der Geschichte ist nämlich alles drin, was die Leute interessiert: Geld, Sex, Tragik, Alpenglühen und Perversion. Du, da bleibt kein Auge trocken, das schwör ich Dir."
- "Ja, wirklich, ganz toll."
- "Das passt Dir net?"
– "I kann's net mehr hören, dieses ewige Gerede von den heißen Storys, dieses widerliche Herumkramen im Privatleben von den und den Leuten."
– "Du Mona, das ist mein Beruf. I bin a Schnüffler, a Wühler, ein gesellschaftliches Trüffelschwein, und wenn I als des Schwein, das ich bin, einen Trüffel gefunden habe, so wie heute, dann freu I mi."
Sein erster Kinofilm "Schtonk" drehte sich um die gefälschten Hitler-Tagebücher
Schimmerlos, gespielt von Franz Xaver Kroetz, ist zwar ein skrupelloser, aber im Kern gebrochener Charakter, der sich für seinen Job selbst am meisten verachtet. Verglichen mit dem korrupt-verbandelten Münchner Klüngel aus Geld-, Politik- und Adel - mit einem wirklich finsteren Ministerpräsidenten an der Spitze – ist Schimmerlos allerdings noch harmlos. Zusammen mit dem Schriftsteller Patrick Süskind zeigte Dietl mit "Kir Royal" ein zwar scharf überzeichnetes, aber genau beobachtetes Gesellschaftsbild seiner bayerischen Heimat. Nach dieser von Kritikern als "Fernseh-Sternstunde" gefeierten Serie gelang Dietl der Sprung zum Kino. Und den Stoff für seinen ersten Film "Schtonk" lieferte die Affäre um die 1983 vom "Stern" präsentierten, dann als plumpe Fälschungen entlarvten Hitler-Tagebücher. Hier nahm Dietl die anhaltende Faszination der Öffentlichkeit für die NS-Zeit aufs Korn - so wie ihr im Film einen Chefredakteur beim Anblick von Hitlers angeblichen Tagebüchern erliegt:
"Wenn ich denke, dass wir hier in Händen halten, was seine Hände berührten, dann weht einen hier schon so was an, so ein, ich will mal sagen, Eishauch der Geschichte. Was steht denn drin? – Ich habe nicht gewagt, die Siegel zu erbrechen, mein Führer, äh, Herr Doktor."
"Schtonk" wurde von Kritikern als beste deutsche Filmsatire seit Jahrzehnten gefeiert. Mit "Rossini" gelang Dietl 1997 nochmals ein Komödienerfolg, aber seine nächsten Filme floppten, zuletzt 2012 die Hauptstadtsatire "Zettl". Es war der Versuch, eine Art Berliner "Kir Royal" zu inszenieren, doch hier fehlte die Treffsicherheit der früheren Werke. Mit denen hatte Dietl einige der besten Satiren des deutschen Fernsehens und Films geschaffen – Komödien waren war für den Melancholiker Dietl nie einfach nur lustig:
"Wenn ich mich jetzt also mit Tragödien beschäftigen müsste, würde ich verzweifeln. Also, sagen wir mal, die Komödie ist meine Verteidigung, das ist meine Waffe gegen das Schlimme und Böse in der Welt."
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