Zum Ausgang der NRW-Wahl

Von Dieter Putz · 22.05.2005
Es hätte heute eine so schön ungetrübte, rauschende Siegesfeier der Union geben können. Ihr Wahltriumph bedeutet ja für sich genommen schon so viel: die 11. Wahlniederlage für die SPD in Folge, das Aus für die letzte rot-grüne Landesregierung, der Verlust des bevölkerungsreichsten Bundeslandes, das die Sozialdemokraten irgendwie als ihr Eigenheim betrachteten.
Dann kam Müntefering und sorgte für die eigentliche Sensation. Neuwahlen im Bund im Herbst. Alle blickten von da an nach Berlin. Und ins Grundgesetz. Taktisch war das ungemein geschickt: Die Union soll nicht zu lange feiern können, die SPD nicht zu lange trauern müssen, die SPD-Linken keine Zeit haben für Revolten. Bereits die Ankündigung des nächsten, des ganz großen Wahlkampfes, einer Götterdämmerung fast gleich, soll die tief getroffene SPD noch einmal hoch- und zusammenreißen.

Dass der großartige SPD-Generalsekretär Benneter und der grüne Koalitionspartner nicht eingeweiht waren, spricht Bände über das interne Verhältnis bei Rot und Grün, über die Lage in der SPD selbst und unterstützt die Vermutung, dass wir es hier vor allem mit einer Flucht in den Ausnahmezustand einer Bundestagswahl zu tun haben. Denn dieser trotzige Ruf nach Neuwahlen verkündet nicht mehr und nicht weniger, als dass der Kanzler und der Parteivorsitzende kapitulieren. Dass sie sich trotz ihrer soliden Mehrheit im Bundestag nicht mehr in der Lage sehen, ihren Laden zusammenzuhalten, Politik zu machen und das Land aus seiner Misere zu führen.

Die Sonntagszeitungen heute berichteten über neue Milliardenlöcher im Haushalt und in der Rentenkasse. Die Parteilinke redet laut über das Karriereende des Wirtschaftsministers, morgen wäre sie dem Kanzler an den Hals gegangen. Man kann nachvollziehen, dass sich Schröder und Müntefering nicht mehr eineinhalb Jahre lang quälen wollten, sondern auf den Befreiungsschlag der vorgezogenen Wahl hoffen. Nach der Verfassung geht das nicht so einfach, sie zwingt den Kanzler zu einer fingierten Abstimmung über die Vertrauensfrage, er muss schlichtweg dafür sorgen, dass seine Koalition ihm die Zustimmung verweigert.

Aber was wäre mit der vorgezogenen Wahl im September gewonnen? Bei einem Wahlsieg stände Schröder - unterstellen wir, er wäre der Kandidat - vor demselben Dilemma wie heute: die Probleme die gleichen und mehr, der Streit über ihre Lösung dann noch schärfer, die Übermacht der Union in den Ländern und im Bundesrat seit heute noch ausgeprägter. Und zuvor hätte er eine ganz andere Schlacht zu schlagen: Sein Gegner wird nicht Stoiber heißen oder Wulff oder oder. Sondern Angela Merkel. Sie fürchtet er wirklich. Er hat immerhin Mut.