Zum 50. Geburtstag

Bei Sinead O'Connor zu Hause

Die irische Sängerin Sinead O'Connor vor einem Auftritt in Budapest.
Die irische Sängerin Sinead O'Connor. © picture alliance / dpa/ Balazs Mohai
Von Marcel Anders · 08.12.2016
Sinead O´Connor wurde Anfang der 1990er-Jahre zum Superstar - dann kam der Absturz: Gesundheitsprobleme, Selbstmordversuche und gescheiterte Beziehungen sorgten für Schlagzeilen. Uns hat sie nun in ihrem Haus an der irischen Westküste empfangen.
"Ich war hier oft als Kind. Meine Mutter hatte einen Freund, der in einem Haus die Straße runter wohnte – mit drei exzentrischen alten Ladies, die seine Tanten waren. Sie waren brillant - wie aus einem anderen Jahrhundert. Sie hatten fantastische Weihnachtsfeiern mit einem riesigen Tisch voller Süßigkeiten und Keksen. Seitdem liebe ich Bray. Und bin ich hierher gezogen, als ich meine Tochter bekommen habe. Ihr Vater ist Ire. Deshalb bin ich zurück."
Nach 13 Jahren London, Los Angeles und Jamaika, ihrer erklärten Lieblingsinsel. Weshalb sie die Winkel ihres Hauses an der Strandpromenade in den Farben Rot und Grün streichen ließ – gemäß der jamaikanischen Flagge. Und weshalb jeder Taxifahrer und jeder Bewohner des Seebads weiß, wo Sinead O'Connor wohnt.
"Wir lieben unsere Musiker – egal, wie verrückt sie sind", meint mein Fahrer. Und die Frau mit den bunten Tätowierungen, den grauen Haarstoppeln und dem Schlabberpulli ist definitiv nicht normal. Höflich, aber misstrauisch bittet sie ins Haus, das völlig chaotisch ist. In der Küche stapelt sich Geschirr, überall liegen Spielsachen ihrer Kinder, dazwischen streunt eine Katze und Sinead führt in den "Vishnu Room" im ersten Stock.
"Das ist mein Wohn- und Schlafzimmer. Es ist der Ort, an dem ich rauche, und der einzige im Haus, in dem das gestattet ist. Außerdem schreibe ich hier, ich denke nach, erledige meine Geschäfte und hänge mit meinem Neffen ab, der immer einen Joint mitbringt. Er ist zum Entspannen für Erwachsene, aber er ist auch heilig."

Auf Kriegsfuß mit der katholischen Kirche

Fürs Gemütliche sorgen orangene Sitzkissen und gelb bezogene Matratzen, fürs Heilige Rasta-Symbole und Hindu-Gottheiten an den Wänden. Eine Religion, mit der sie sympathisiert, weil sie ihren offenen Umgang mit Sexualität schätzt, der – so sagt sie - nicht so engstirnig sei wie bei der katholischen Kirche. Ein Institution, mit der sie auf Kriegsfuß steht, seit sie als Kind von Nonnen misshandelt wurde und Übergriffe von Geistlichen auf Schulfreunde erlebte. Ihre Reaktion war, das Bild von Papst Johannes Paul II vor laufender Kamera zu zerreißen und einen weltweiten Skandal auszulösen.
"Das war ein wichtiges irisches, politisches und künstlerisches Statement. Etwas, das ich für mein Land getan habe, und das einfach passieren musste. Denn es hat dafür gesorgt, dass all diese Sachen zum Vorschein kamen – wie der sexuelle Missbrauch von Geistlichen. Insofern war die Aktion notwendig. Und ich stehe dazu."
Dass ihre Alben seitdem nicht mehr ganz so gut laufen, dass sich Fernsehsender und Radiostationen weigern, ihre Musik zu spielen und amerikanische Konzertveranstalter abwinken, damit kann sie leben. Schließlich gilt sie als Idol der irischen Jugend. Und selbst die Kirche hat ihr eine Position als Priester angeboten, die sie einige Jahre ausgeführt hat.

Gesundheitliche Probleme

Doch jetzt, mit 50, zieht sie sich zusehends aus Politik und Glauben zurück. Und laboriert vor allem mit ihrer Gesundheit, die für Schlagzeilen und Spekulationen sorgt.
"Ich hatte z.B. eine schlimme allergische Reaktion auf ein Medikament. Wobei es schwierig zu beschreiben ist, was da genau passiert ist. Jedenfalls ist man – ohne ersichtlichen Grund – extrem suizidgefährdet und kann sich kaum beherrschen. Ich hatte wahnsinnige Probleme mit diesen Nebeneffekten. Doch der Arzt, der mich behandelt hat, erkannte die Gefahr nicht und meinte, ich solle die Dosis verdoppeln. Was dafür sorgte, dass es richtig übel wurde, weil sich die Symptome vervielfachten."
Hinzu kamen Nierensteine, Depressionen und permanenter Ärger mit den Vätern ihrer vier Kinder, die zwischen neun und 29 sind. Aktuell hat sie das Sorgerecht für ihre Jüngsten, Shane und Yeshua, und arbeitet angeblich an ihrer Biographie, die schon vor Jahren erscheinen sollte. Eine Plattenfirma oder ein Management hat sie nicht, einen Konzert-Agenten auch nicht. Und ihre Homepage ist meistens offline. Womit sie ihre Rechnungen bezahlt, bleibt ihr Geheimnis. Zumindest hat sie eine Idee für die Zukunft.
"Eine Kleinigkeit, die ich gerne machen würde, aber auf die Plattenfirmen nicht sonderlich scharf sind, weil sie keine Nebenprojekte mögen, wäre ein Album mit Stücken aus diversen Opern. Nicht gesungen in der klassischen Manier, sondern mit verzerrter Gitarren und ganz normalen Stimmen. Denn die Stücke sind fantastisch, aber die Opernwelt ist wahnsinnig elitär. Von daher würde ich das gerne in Rock'n'Roll-Manier präsentieren. Allerdings müsste ich zuvor eine Menge Geld verdienen, weil ich die Finanzierung wahrscheinlich selbst bestreiten darf."