ZETRA-Projekt

Initiator will Bosnier, Serben und Kroaten ins Gespräch bringen

Danijel Višević
Danijel Višević sucht nach den Konzertbesuchern des legendären Friedenskonzertes in der Zetra-Halle in Sarajevo vor 25 Jahren © Zetra - Days of Hope
Danijel Višević im Gespräch mit Liane von Billerbek · 28.07.2016
Am 28. Juli 2016 ist es 25 Jahre her, dass im Sommer 1991 tausende junge Jugoslawen in der Zetra-Halle in Sarajevo gemeinsam den Frieden feierten. Der Initiator des Zetra-Projekts, Danijel Višević, glaubt, dass die Erinnerung daran heute wieder wichtig ist.
"Vor allem erzählen wir jetzt noch bis tief in den September hinein die Geschichten, die bei uns reinkommen", sagt der Initiator des Zetra-Projekts, Danijel Višević im Deutschlandradio Kultur. "Jede einzelne ist bewegend, jede einzelne, finde ich, ist auch inspirierend." Das multimediale Zetra-Projekt, das Deutschlandradio Kultur und Spiegel online als Kooperationspartner unterstützen, nehme viele Botschaften mit, die gerade in unserer Zeit wichtig seien, in der der Nationalismus wieder auflebe. "Diese Menschen sind alarmiert und zeigen auf, warum sie alarmiert sind", sagt Višević. Es sei heute relevant, die Geschichten der damaligen Besucher des legendären Friedenskonzertes in Sarajevo zu lesen. Bislang hat der Initiator 30 Geschichten gesammelt, es kämen tägliche neue dazu.

Antworten suchen

25 Jahre nach dem Konzert in Sarajevo sucht das Crowdsourcing-Projekt ZETRA nach den Konzertbesuchern von damals, nach ihren Geschichten und will Bosnier, Serben und Kroaten ermutigen, wieder miteinander ins Gespräch zu kommen. Ziel ist es zu erfahren, wie es ihnen seither ergangen ist. Und dabei eine Antwort auf die Frage zu finden, warum mitten in Europa ein Krieg ausbricht, den keiner will.

Das Interview im Wortlaut:

Liane von Billerbeck: Heute, am 28. Juli, ist es exakt 25 Jahre her, dass Tausende junge Jugoslawen in der Zetra-Halle in Sarajevo gemeinsam den Frieden feierten – 30.000 in der Halle, 50.000 davor. Tagsüber hatten Hunderttausende gegen einen Krieg protestiert, von dem sie glaubten, dass er nie ausbrechen würde. Niemand, der dabei war damals beim Konzert, hätte sich damals vorstellen können, dass nur wenig später Serben, Kroaten und Bosnier gegeneinander kämpfen und mehr als 100.000 Menschen sterben würden.
Bei mir im Studio ist jetzt ein Mann, der ein Vierteljahrhundert nach dem Konzert die Besucher von damals und ihre Geschichte aufzuspüren versucht. Er will Bosnier, Serben und Kroaten ermutigen, wieder miteinander ins Gespräch zu kommen und vor allem eine Antwort auf die Frage zu finden, warum mitten in Europa ein Krieg ausbrach, den eigentlich niemand wollte. Danijel Višević, schönen guten Morgen!
Danijel Višević: Schönen guten Morgen!
von Billerbeck: Zuerst einmal müssen wir ja sagen, dass viele von uns auch in der Redaktion am Anfang gar nichts von diesem großen Konzert wussten damals oder sich nicht erinnern konnten. Wie war das, wie ist das in Jugoslawien, im ehemaligen Jugoslawien wahrgenommen worden?
Višević: Auch dort hat man kaum Erinnerungen mehr daran, es ist einfach nicht mehr darüber gesprochen worden, weil der Krieg ausbrach und weil viele auch glaubten, okay, es ist uns einfach nicht gelungen, was wir mit diesem Konzert erreichen wollten. Ich selbst habe von diesem Konzert nie was gewusst, bis ich dann zufällig im Januar darauf stieß und dann diese zweieinhalb Stunden am Stück mir anschaute und völlig verdattert war, weil das einfach nicht dem Bild entsprach, was ich hatte von Jugoslawen, von diesen Menschen, die sich aufeinander gestürzt haben, mordend, Serben, Bosniaken, Kroaten, von denen ich glaubte – und ich glaube auch viele andere im Westen auch –, dass die quasi nur darauf gewartet haben, dass der Krieg ausbricht – der sei unausweichlich.
von Billerbeck: Seit Sie mit diesem Zetra-Projekt, benannt nach der Zetra-Halle, in der das Konzert stattgefunden hat, vor ein paar Wochen an die Öffentlichkeit gegangen sind, da haben sich über 300 Menschen bei Ihnen gemeldet, die bei dem Konzert dabei waren und die ihre Geschichte erzählen wollten. Was für Geschichten haben Sie denn da gehört?
Višević: Genau, wir haben inzwischen ungefähr 30 Geschichten erzählt bekommen. Von den mehr als 300, die uns gemeldet haben, dass sie da waren und uns ihre Geschichte erzählen wollen, haben es tatsächlich nur 30 gemacht, aber es kommen nach wie vor täglich neue Geschichten rein. Erst mal sind sie wahnsinnig dankbar, es ist so, als wenn man sie auf etwas stößt, worauf sie eigentlich ganz stolz sind und waren und woran sie sich nicht mehr wagten zu denken, weil eben der Krieg geschah und weil das quasi dann eben misslungen ist. Mir gehen direkt viele Geschichten durch den Kopf. Eine Geschichte, die ich vielleicht hervorheben will, ist die von Jadranka Pejakovic, die als 13-Jährige auf der Bühne stand, über 11.000 Unterschriften hatte sie gesammelt und wurde deswegen zu dem Konzert eingeladen.

Friedensaufruf von der Bühne

von Billerbeck: Man kann das auch auf ihrer Internetseite sehen, genau dieses junge Mädchen sieht man in einer Filmsequenz aus dem Konzert.
Višević: Genau – und sie ruft wirklich auf der Bühne stehend alle Kinder Jugoslawiens dazu auf, sich ihrem Kampf für Frieden anzuschließen. Und sie hat uns ihre Geschichte erzählt, und die ist so erschütternd, bewegend, aber auch so voller Hoffnung. Sie hat wirklich das Schlimmste, was man eigentlich erleben kann, im Krieg erlebt, obwohl sie alle davor gewarnt hat auf der Bühne, und ist heute aber Mutter von zwei Kindern und absolut nach vorne blickend, also ein Mensch, der mich wirklich wahnsinnig inspiriert auch.
von Billerbeck: Nun ist das ja eine Situation, da waren damals Konzertteilnehmer Bosnier, Serben, Kroaten, wie reagieren die denn auf die Geschichten der anderen und kommen sie miteinander ins Gespräch?
Višević Genau das passiert. Am Anfang waren die Leute sehr skeptisch und hatten dieses Projekt als jugo-nostalgisch missverstanden – nicht alle. Also viele und auch die allermeisten haben sofort richtig verstanden, dass es darum geht, vor allem daran zu erinnern, dass die Menschen Frieden wollten. Inzwischen, meine ich, haben das alle verstanden. Ich hatte in meiner Verwandtschaft unheimlich kritische Menschen, weil ich aus Kroatien stamme, aus Bosnien.
Also das sind Kroaten, die schon sehr für die Selbstständigkeit Kroatiens waren und mit Jugoslawien nichts am Hut haben wollten. Die haben inzwischen verstanden, okay, auch die andere Seite, auch die Serben, das Volk, die Menschen dort, die wollten tatsächlich nicht den Krieg. Irgendwie ist es trotzdem passiert. Das führt die Menschen schon zusammen und lässt sie verstehen, nicht das jeweils andere Volk wollte uns was antun, weil bislang ist die Perzeption genau diese – der andere wollte mich angreifen –, und das hoffen wir zu ändern, das Bild.

Diese Menschen sind alarmiert

von Billerbeck: Was kommt denn noch? Sie haben bisher ein paar Geschichten gesammelt, das ist ein multimediales Projekt, an dem ist auch Deutschlandradio Kultur beteiligt und Spiegel Online. Was erwartet die Leute, die sich dafür interessieren, da noch?
Višević Vor allem erzählen wir jetzt noch bis tief in den September hinein die Geschichten, die bei uns reinkommen. Jede einzelne ist bewegend, jede einzelne, finde ich, ist auch inspirierend. Wir nehmen wahnsinnig mit auch an Botschaften, die diese Menschen für uns heute haben, in einer Zeit, in der der Nationalismus wieder auflebt. Diese Menschen sind alarmiert und zeigen genau auf, warum sie alarmiert sind.
Deswegen glaube ich, ist es für uns heute auch sehr relevant, diese Geschichten zu lesen. Was nach dem September passiert, da haben wir mehrere Vorhaben, von denen ich jetzt nicht allzu viel erzählen will, weil das quasi ungelegte Eier sind, wie man so sagt, aber wir haben noch bis tief in das nächste Jahr hinein vor, ein paar Phasen des Projekts noch weiterlaufen zu lassen.
von Billerbeck: Danijel Višević war das, der Initiator des Zetra-Projekts, das die Geschichten von Teilnehmern des Friedenskonzerts in Sarajevo vor 25 Jahren sucht und erzählt. Deutschlandradio Kultur – ich hab’s erwähnt – ist neben Spiegel Online Kooperationspartner dieses Projekts und widmet sich seit gestern in mehreren Sendungen und Formaten auch diesem Thema. Auch bei uns in der "Tonart" heute geht es um die Musik, die damals gespielt worden ist, und alle Audios mit Gesprächen, mit Porträts von Zeitzeugen, Musik und Fotos, die finden Sie nicht nur auf der Seite des Zetra-Projekts, sondern natürlich auch auf unserer eigenen unter deutschlandradiokultur.de. Danijel Visevic, herzlichen Dank fürs Kommen und alles Gute für Ihr Projekt!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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