Yomango

Von Julia Macher · 01.06.2005
Gesetzeshüter nennen es Ladendiebstahl, sie nennen es politische Gegenwartskunst - das Künstlerkollektiv Yomango versteht sich als Teil einer antikapitalistischen Bewegung mit dem Ziel, die bei multinationalen Unternehmen eingesperrten Produkte zu befreien.
"Yomango ist ein Lebensstil. Es ist ein ungehorsamer, antikapitalistischer Stil. Ein Lifestyle, den sich die großen Unternehmen nicht aneignen können, weil er eine alltägliche Praxis ist.

Yomango will einfach eine Lebensweise abbilden, die es schon längst gibt. Wir machen sie sichtbar, indem wir ihr ein Markenzeichen geben, das Yomango-Markenzeichen. "

"Yo Mango" bedeutet so viel wie "Ich klaue" und soll ganz bewusst an den Namen der großen spanischen Modekette Mango erinnern. Denn genau wie die - sagen Paula und Banister - ist auch Yo Mango ein erfolgreiches Unternehmen: Es hat einen riesigen Kundenstamm, hunderte Besucher täglich auf der Website und Filialen in Mexiko, Deutschland, Argentinien, Brasilien.

"Wir haben Erfolg, weil Yomango ein Franchise-Unternehmen ist, das du an jedem x-beliebigen Ort der Erde aufmachen kannst. So wie sich der Kapitalismus und der Neoliberalismus über die ganze Welt ausgebreitet haben, so ist es mit Yomango: Wo sich ein Geschäft befindet, gibt es auch Yomango ... "

Auf seiner Homepage gibt das Kollektiv Tipps zum perfekten Ladendiebstahl. Es empfiehlt auf frischer Tat Ertappten sich für Che Guevara auszugeben, stellt Schnittmuster für Einklautaschen zum Download bereit und erklärt, unter welchen Bedingungen Diebstahl als bloße Ordnungswidrigkeit behandelt wird. Es ermuntert Fashion Victims das schicke Yo mango Logo auf eigenhändig erworbene Produkte aufzunähen und führt Freizeitdiebe zum Erfahrungsaustausch zusammen. Eine kriminelle Vereinigung? Keineswegs, sagt Banister. Es geht um sozialen Protest:

"Wir setzen uns für den freien Verkehr von Dingen ein, ohne Geld, ohne Kreditkarten. Yomango befreit die bei den multinationalen Unternehmen eingesperrten Produkte ..."

Den Schädlingen des Kapitalismus, den Ladendieben, schreiben die Aktivisten von Yo Mango einen politischen Sinn zu. "Eigentum ist Diebstahl" steht ganz unten auf ihrer Webseite und daneben:

"Dies ist keine Anstiftung zu einer Straftat. Wir stellen lediglich die Alltagspraxis Ladendiebstahl dar und klären über ihre Hintergründe auf. "

Yomango sind schwer zu fassen. Vielleicht endeten deswegen bis jetzt alle polizeilichen Ermittlungen im Nirvana.

Im Dezember 2002 spielte die Gruppe - als Hommage an die Proteste in Argentinien - mitten in einer Supermarktfiliale zum Tanz auf. Sieben Paare wiegten sich zwischen den Regalen elegant im Tangotakt - und ließen ebenso elegant Champagnerflaschen in Taschen und Hemden verschwinden. Das alles unter dem wohlwollenden Applaus der von den schönen Tänzern ganz entzückten Umstehenden - und unter den verdutzten Blicken der Supermarktwärter. Die wussten mit dieser Aktion so gar nichts anzufangen: War das jetzt simpler Ladendiebstahl oder Kunst?

"Wenn, dann ist Yomango Alltagskunst. Und Gebrauchskunst. Eine Kunstform, die gratis von Generation zu Generation weitergegeben wird. Wie eine Art Volksweisheit, die zwar uralt ist, aber immer wieder an die kapitalistische Gegenwart angepasst wird: Wo kann man im System noch Lücken finden? Und das ist schon Kunst ... "

Die offiziellen Kulturverwalter haben das romantische Anarchopotential von Yomango längst entdeckt. Regelmäßig werden die Klaukünstler zu Ausstellungen und in Museen eingeladen - als Paradebeispiel für "Politische Gegenwartskunst".

"Wenn wir in solchen Kontexten auftreten, öffnen wir natürlich Türen und wir begegnen Menschen, mit denen wir sonst nie hätten sprechen können. Das ist eben die Kunst: Innerhalb dieser Kulturräume, dieser Institutionen Politik zu machen und genau damit weiter zu gehen, als es Gegenwartskunst normalerweise kann ..."

Angst, plötzlich als Vorzeigekunstdiebe in der musealen Vitrine gefangen zu sein und langsam zu verstauben, haben Yomango nicht. Vielleicht, weil sie sich als geübte Langfinger zutrauen, jedes Schloss wieder aufzuknacken.
Schloss aufknacken und Tür auf