Wo das Wasser weg ist, bleibt der Schlamm

Von Thomas Otto · 05.06.2013
Brauner Schlamm in den Häusern, Sperrmüll auf den Straßen, vollgelaufene Keller: In der Stadt Döbeln hinterlässt die tobende Mulde ein Bild der Verwüstung. Die Anwohner wollen in dieses Chaos jetzt wieder Ordnung bringen - und trotzen den Hochwasserschäden mit Optimismus.
Überall in der Innenstadt von Döbeln sind Türen und Fenster geöffnet, die Menschen kehren Wasser und Schlamm aus ihren Geschäften. Durchnässter Sperrmüll türmt sich: Möbel, Elektrogeräte, Waren aus den angrenzenden Geschäften. Stellenweise sind Straßen und Gehwege zentimeterhoch mit braunem Schlamm bedeckt.

Den spülen Polizei und Feuerwehr mit Wasser von den Straßen. LKW und Bagger zwängen sich an Müllbergen vorbei durch die engen Gassen. Eine Mischung aus Modergeruch und Abgasen liegt in der Luft.

Das Hochwasser hat im Zentrum von Döbeln eine Schlammpiste hinterlassen (Bild: Thomas Otto)

Notstromaggregate treiben dröhnend die Pumpen an, mit denen die vollgelaufenen Keller wieder trocken gelegt werden sollen – Strom gibt es noch keinen. Auch vor dem Geschäft von Lutz Rossberg lärmt ein Notstromaggregat. Spirituosen, Tabakwaren, Lotto und Geschenke – über 200 Jahre betreibt seine Familie den Laden schon.

Rossberg: "Das Haus hat 1897 im Wasser gestanden, 1953 und 2002. Und zum Glück ist es stabil."

So stabil, dass es auch die 70 Zentimeter von 2013 überstanden hat. Nichts im Vergleich zu den 2,30 Metern im Jahr 2002, bei der sogenannten Jahrhundertflut. Trotzdem steht der Hintereingang seines Hauses noch unter Wasser. Wo das Wasser weg ist, bleibt der Schlamm, so auch im Lagerraum. Der 57-Jährige geht in Gummistiefeln vorweg, es ist eng und dunkel, wegen des ausgefallenen Stroms piept die Alarmanlage. Rossberg blickt einmal durch den Raum – zieht eine kurze Schadensbilanz:

"Wir haben hochgeräumt und es hat fast gut funktioniert. Auch hier unten ist leer, die sind ein bisschen angeweicht die Kartons. Also Sie sehen, es hält sich noch in Grenzen."

Wohl auch, weil Rossberg selbst im Haus wohnt und die Familie so die wertvollen Waren schnell retten kann. Genau wie 2002.

Damals hat er reagiert, nach der Flut den aufgequollenen Holzfußboden durch Fließen ersetzt. Die werden gerade von einigen der zahlreichen Helfer vom Dreck befreit. Die über 100 Jahre alte Ladeneinrichtung hat es auch diesmal wieder geschafft.

"Die stammt noch von meinem Urgroßvater. Also ich sehe hier nicht unbedingt ein Problem mit der Einrichtung. Das ist massive Eiche und ich denke mir mal, dass wir vielleicht in einer Woche, zehn Tagen, eventuell wieder einräumen können."

Fertig ist Lutz Rossberg damit noch lange nicht. Was jetzt wie ein wenig Feuchtigkeit an der Wand aussieht, geht tief ins Mauerwerk. Und dieses Wasser muss raus.

"Unser Erfahrungswert ist vom letzten Hochwasser: kalter Durchzug. Also keine Heißluftgeräte hier rein sondern nur kalter Durchzug. Damit die Holzeinrichtung langsam trocknet."

Und die Regale von 1897 noch einmal so lange halten.

Dann geht er Richtung Keller. Hinunter in das Gewölbe kann er noch nicht. Hier steht das Wasser bis unter die Decke. Fast schon Routine für einen aus Döbeln, der wie Rossberg am und mit dem Flusslauf der Mulde lebt.

"Der Keller ist weit über 300 Jahre, der ist immer wieder getrocknet, der wird auch dieses Mal wieder trocknen."

In der Innenstadt von Döbeln wird aufgeräumt (Bild: Thomas Otto)

Den Optimismus, den Lutz Rossberg ausstrahlt, spürt man in der ganzen Stadt. "Zum Glück nicht so schlimm wie 2002!" - Diesen Satz hört man überall. Nur an wenigen Stellen der Stadt hat das Wasser Straßen und Gehwege unterspült. Ernsthaft beschädigt wurde kein Haus.

Vor dem Rathaus werden dennoch immer mehr Besen, Schaufeln und Schrubber zusammengebaut und verteilt. Viele, die sich anstellen, sind selbst gar nicht vom Hochwasser betroffen:

"Also es ist sehr großer Anspruch, es sind sehr viele, die einfach herkommen und uns helfen wollen, wunderbar! Man kennt viele nicht, die einfach nur herkommen. Ist wunderschön."

Zwei Stunden später tuckert vor dem Geschäft von Lutz Rossberg noch immer das Notstromaggregat. Einer der Helfer wischt mit einer Gummilippe Schlammwasser aus der Ladentür.

Rossberg: "Das ist jetzt der Rest, was hinten aus den Räumlichkeiten kommt. Aber Sie sehen die Fliesen schon wieder. Und ich denke, dass wir morgen vielleicht mal wischen können, dass wir dann ein bisschen mehr Sauberkeit reinbekommen."

Natürlich türmt sich aber auch beim Spirituosenhändler ein Haufen Sperrmüll im Hinterhof. Sein Blick schweift darüber, als er plötzlich lächeln muss.

"Ah, Gott sei Dank! Sehen Sie, ich habe gestern meine Handkreissäge, ging mir gestern durch den Kopf. Und dort oben liegt sie, nichts passiert."

Nach der Flut beginnt das Aufräumen (Bild: Thomas Otto)
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