Wissing: Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung muss straffrei bleiben

24.04.2013
Der finanzpolitische Sprecher der FDP, Volker Wissing, hat Überlegungen zur Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige bei Steuerbetrug scharf kritisiert. Das Instrument sei aus verfassungsrechtlichen Gründen notwendig.
Jan-Christoph Kitzler: Dass Uli Hoeneß gestern einen zumindest für seinen FC Bayern tollen Fußballabend im Münchner Stadion auf der Tribüne erleben durfte, das verdankte er fünf Millionen Euro. So viel musste der reuige Steuersünder an Kaution zahlen, um auf freiem Fuß zu bleiben, das berichtet heute zumindest die "Süddeutsche Zeitung". Und während viele Einzelheiten des Steuerbetruges, den Uli Hoeneß selbst angezeigt hat, noch unklar sind, zieht der Fall politische Kreise: Die Landesregierung in Bayern ist unter Druck, ihr wird vorgeworfen, beim Thema Steuerbetrug nicht genau genug hinzusehen, und auch im Bundestag wird das Thema heute diskutiert. Die Grünen wollen unter anderem das deutsch-schweizerische Steuerabkommen neu verhandeln, das vor ein paar Monaten gescheitert ist. Welche Lehren muss man ziehen aus dem Fall Uli Hoeneß? Das will ich besprechen mit Volker Wissing, dem finanzpolitischen Sprecher und stellvertretenden Vorsitzenden der FDP-Fraktion im Bundestag. Schönen guten Morgen, Herr Wissing!

Volker Wissing: Guten Morgen, ich grüße Sie!

Kitzler: Ist das eigentlich so, dass laxe Steueraufsicht in Deutschland ein Standortvorteil ist?

Wissing: Das will ich nicht hoffen. Zuständig dafür sind ja die Länder, wir hatten immer wieder Hinweise bekommen, dass die Kommunikation der einzelnen Bundesländer untereinander nicht optimal ist. Deswegen hatte die FDP in der Föderalismuskommission II gefordert, die bundeseinheitliche Steuerverwaltung einzuführen, das heißt, gleiche Maßstäbe in allen Ländern einzuführen. Das hat leider keine Unterstützung anderer gefunden, wir haben uns damit nicht durchsetzen können. Ich bedaure das sehr.

Kitzler: Das heißt, für Sie ist das auch nicht ideal, dass, wenn diese Berichte stimmen, dass in Bayern weniger kontrolliert wird als zum Beispiel in Rheinland-Pfalz, sodass dann sogar der Bayerische Rechnungshof Kritik übt. Sie wären durchaus für eine bundesweite Steuerpolizei?

Wissing: Ja, wir haben damals auch festgestellt, dass zum Beispiel auch in Berlin, wo Rot-Grün regiert hat, die Kontrollen nicht so waren wie in anderen Bundesländern. Es ist nicht so, dass man das jetzt an bestimmten Regierungskonstellationen festmachen kann, deswegen noch mal: Ich glaube, dass eine bundeseinheitliche Steuerverwaltung sinnvoll wäre für Deutschland.

Kitzler: Uli Hoeneß hat ja versucht, den Fall – jetzt seinen Fall – mit einer Selbstanzeige zu regeln. Offenbar ist das nicht so richtig erfolgreich gewesen, denn es stand ja noch ein Haftbefehl im Raum, den er erst mal aussetzen konnte mit einer Kautionszahlung. Ist denn die Selbstanzeige – oft kommt die ja auf den letzten Drücker – überhaupt ein sinnvolles Instrument in solchen Fällen?

Wissing: Die strafbefreiende Selbstanzeige ist aus verfassungsrechtlichen Gründen erforderlich. Unsere Verfassung schützt jeden Straftäter, einen Mörder genauso wie einen Steuerhinterzieher oder einen Dieb, davor, sich selbst belasten zu müssen. Das heißt, niemand, der eine Straftat begangen hat, muss an der Aufklärung der eigenen Straftat mitwirken, das ist ein Prinzip, das in allen Demokratien gilt. Und gleichzeitig sieht es aber beim Steuerrecht so aus, dass jeder Bürger sich gegenüber dem Staat immer ehrlich machen muss, ansonsten kann man ja die Besteuerungsgrundlage nicht feststellen. Und diese Brücke zwischen keiner muss sich selbst belasten und jeder muss sich gegenüber dem Staat im Steuerrecht ehrlich machen, die wird geschlossen durch die strafbefreiende Selbstanzeige. Damit ist es einem Steuerpflichtigen, der Steuern hinterzogen hat, jederzeit möglich, seine Mitwirkungspflicht an der Besteuerung zu erfüllen, ohne dass er sich wegen der begangenen Straftat selbst belasten muss.

Kitzler: Auf der anderen Seite ist der Sinn von Strafe ja auch, abzuschrecken. Und man kann ja nicht gerade behaupten, dass die Selbstanzeige – die strafbefreiende Selbstanzeige – Steuerhinterziehung verhindert hat.

Wissing: Bei dem Prinzip, dass ein Straftäter sich nicht selbst belasten muss, gibt es kein einerseits oder andererseits, sondern das ist ein verfassungsrechtlicher Schutz, der absolut gewährt wird.

Kitzler: Das heißt, es muss dabei daran festgehalten werden an der Selbstanzeige?

Wissing: Selbstverständlich, denn die strafbefreiende Selbstanzeige ist erforderlich aus verfassungsrechtlichen Gründen. So wie sie im Augenblick diskutiert wird, ist das völlig falsch. Die strafbefreiende Selbstanzeige gibt es nicht, um einen Anreiz zu setzen, sich anzuzeigen, sondern es gibt sie, um jederzeit die Möglichkeit zu haben, seine Verpflichtungen nach dem Steuerrecht zu erfüllen, nämlich sich ehrlich gegenüber dem Staat zu machen, ohne dass man in Konflikt mit dem verfassungsrechtlichen Schutz kommt, sich nicht selbst belasten zu müssen. Und deswegen geht es hier nicht um einen Anreiz, sondern es geht um ein rechtlich erforderliches Instrument. Und so wie es diskutiert wird – von der SPD beispielsweise, als könnte man es abschaffen, oder wie Herr Trittin es diskutiert, als könnte man da eine Grenze einziehen – ist völlig absurd. Der Schutz, sich nicht selbst belasten zu müssen, gilt auch für Mörder. Und Sie sehen ja, Herr Steinbrück ist da offensichtlich vernünftiger als seine eigene Partei. Er sagt natürlich auch, dass man dieses Instrument nicht abschaffen kann. Aber: Wir haben dieses Instrument etwas verschärft. Damals, als Herr Steinbrück regiert hat – auch zusammen … die SPD zusammen mit den Grünen regiert hat –, war es für jemanden, der sich selbst angezeigt hat, völlig folgenlos, er hatte keine erhöhten Steuern bezahlen müssen. Wir haben eine Sanktion eingeführt, nämlich die Möglichkeit eines Zuschlages. In dem Falle einer strafbefreienden Selbstanzeige hat der Staat ja auch Mehraufwand, er muss rückwirkend prüfen.

Kitzler: Heute wollen Sie sich im Bundestag auch mit dem Steuerabkommen mit der Schweiz beschäftigen. Muss das jetzt Ihrer Meinung nach neu verhandelt werden oder sollte man anknüpfen an das, was schon auf dem Papier steht?

Wissing: Also die Grünen machen sich mit dem Antrag heute wirklich lächerlich. Dieses Abkommen mit der Schweiz war ausverhandelt, wir hatten vereinbart, dass in der Schweiz künftig die gleichen Steuern abgezogen werden wie in Deutschland, das haben die Grünen verhindert, und jetzt wollen sie es nachverhandeln, was soll denn das? Ich meine, das müssen Sie sich mal vorstellen: Gleiche Steuern für Deutsche, die ihr Geld in der Schweiz haben, wie wenn sie es in Deutschland hätten – und da sagen die Grünen Nein dazu? Und jetzt wollen sie noch verhandeln. Also ich meine, es ist wirklich ein Tollhaus, was hier der Öffentlichkeit dargeboten wird.

Kitzler: Uli Hoeneß hat ziemlich offen …

Wissing: Dieses Abkommen nach zu verhandeln macht überhaupt keinen Sinn, denn mehr als gleiche Besteuerung ist ja nun wirklich nicht erreichbar. Was die Grünen immer wieder behaupten, ist, dass das Problem der Anonymität für die Altfälle nicht gerecht sei. Dieses Problem ist aber auch durch Nachverhandlung nicht lösbar, denn die Schweiz kann die zugesicherte Anonymität rückwirkend nicht aufheben, das ist nach der Schweizer Verfassung verboten. So etwas wäre auch in Deutschland nicht möglich. Also wer einigermaßen bei klarem Verstand ist, kann sich nur wundern über einen so absurden Antrag der Grünen. Es ist wirklich peinlich, was der Öffentlichkeit dargeboten wird. Wir ärgern uns alle über Steuerhinterzieher. Und zwar gleichermaßen, egal in welcher Partei wir aktiv sind.

Kitzler: Das heißt, es muss ein neues Abkommen …

Wissing: Aber man muss in einer solchen Situation, wissen Sie, in einer solchen Situation muss man nicht Unsinn und wirklich absurde Dinge verbreiten.

Kitzler: Das heißt – Ich verstehe Sie richtig? –, wir müssen das Abkommen, was es jetzt gibt, sozusagen jetzt verabschieden, auch wenn es in den Augen vieler Bürger sozusagen einer Amnestie gleichkommt?

Wissing: Nein, das Abkommen kann man nicht mehr verabschieden, das Abkommen ist dank SPD, oder aufgrund von SPD und Grünen gescheitert. Dieses Abkommen wird es nicht mehr geben. Wir werden die Altfälle, die zehn Milliarden, wir der deutsche Fiskus nicht mehr einnehmen können, hier ist ein erheblicher Schaden entstanden, und die Öffentlichkeit wurde in die Irre geführt.

Kitzler: Volker Wissing, der finanzpolitische Sprecher und stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion im Bundestag über die Lehren, die aus dem Fall Uli Hoeneß gezogen werden müssen. Haben Sie vielen Dank für das Gespräch, einen schönen Tag!

Wissing: Für Sie auch, danke schön!


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