Wenn Autoren für den Buchdruck zahlen müssen

Rita Fischer und Imre Török im Gespräch mit Stephan Karkowsky · 14.10.2011
Mehr als 800 Titel hat die Verlagsgruppe R.G. Fischer im Programm. Autoren, die dort oder bei ähnlichen Anbietern publizieren, werden für Lektorat, Layout, Druck und Werbung zur Kasse gebeten. Der Bundesvorsitzende des Verbandes deutscher Schriftsteller, Imre Török, spricht von "schwarzen Schafen".
Stephan Karkowsky: Wer unbedingt ein Buch veröffentlichen will, kann das tun, wenn er selbst dafür zahlt: Dienstleistungsverlage drucken Ihre Memoiren auch dann, wenn sie nicht Walter Kohl heißen oder Philipp Lahm. Ausbeutung nennen das die Gewerkschaften und wollen diese Verlage verbannen von der Frankfurter Buchmesse. Dienst am Kunden nennt das dagegen die Verlagsgruppe R.G. Fischer, deren Verlegerin Rita G. Fischer ich herzlich begrüße. Guten Morgen, Frau Fischer!

Rita Fischer: Guten Morgen!

Karkowsky: Wir stellen Ihnen gegenüber den Bundesvorsitzenden des Verbandes deutscher Schriftsteller Imre Török, auch Ihnen guten Morgen!

Imre Török: Ja, schönen guten Morgen!

Karkowsky: Frau Fischer, mit was genau verdient Ihr Verlag das meiste Geld – mit dem Verkauf von Büchern?

Fischer: Das ist eine Mischkalkulation. Das meiste wird sicherlich aus dem Verkauf der Bücher erfolgen, aus dem Verkauf von Rechten und so weiter.

Karkowsky: Also, es gibt Leute, die behaupten, dass Sie Ihren Umsatz nicht hauptsächlich mit dem Verkauf von Büchern machen, sondern mit den Druckgebühren, Vorschüssen und anderen Kosten, die Sie Autoren in Rechnung stellen. Kann das sein?

Fischer: Die Autoren füllen bei uns die Finanzierungslücke zwischen den Gesamtkosten, die für ein Buch entstehen, und den Verkaufseinnahmen, und da bei der ersten Auflage die Kosten immer am höchsten sind, sind natürlich die Verkaufseinnahmen geringer als die Kosten.

Und die Lücke muss gefüllt werden, und da wir öffentliche Gelder selten oder gar nicht bekommen, muss das der Autor oder ein neutraler Sponsor tun. Aber wenn ich so viel Geld damit verdienen würde, dann säße ich jetzt nicht hier, sondern würde mich wahrscheinlich auf den Bahamas in der Sonne aalen.

Karkowsky: Imre Török, als Bundesvorsitzender des Verbandes deutscher Schriftsteller vertreten Sie ja die Interessen erfolgreicher und nicht erfolgreicher Autoren. Gibt es denn bei Ihnen überhaupt Mitgliederbeschwerden über die Praxis von Dienstleistern wie beispielsweise dem R.G.Fischer-Verlag?

Fischer: Mitgliederbeschwerden gibt es mittlerweile wenig, weil wir genügend aufgeklärt haben über die Art und auch über die Machenschaften von vielen schwarzen Schafen, die sich Verlag nennen, die wir als Pseudoverlag bezeichnen oder Dienstleister. Sehr viele Beschwerden kommen von jungen Autorinnen und Autoren und von älteren Herrschaften, die sich beschubst fühlen, die sich irregeleitet fühlen, die sich getäuscht fühlen, die sich betrogen fühlen, und das haben wir aufgegriffen, und das ist unser Ziel, da aufzuklären.

Und was die Frau Fischer vorhin gesagt hat: Also ich habe natürlich auch keinen Einblick in ihre Buchhaltung, will ich auch nicht, aber wenn ich weiß, dass eine Autorin, ein Autor erst mal 16.000 – ich habe genau nachgeguckt in einem Vertrag –, über 16.000 Euro bezahlt, das passiert eben in einem seriösen Verlag nicht. Und dann ist es mir klar: Wenn man zehn oder 100 solcher Autoren im Jahr hat, dann muss man sich ja nicht mehr darum kümmern, die Bücher zu verkaufen, es ist ja schon vorher genügend von den Autoren in die Kasse geflossen. Und das nenne ich nicht Verlag, sondern das nenne ich halt eine Dienstleistung, und da sind wir sehr, sehr, sehr dagegen, dass so etwas dann auf der Buchmesse sich präsentiert und mit hübschen Namen sich Verlag nennt.

Fischer: Da darf ich aber widersprechen: Das Geld, das die Autoren an uns zahlen, das behalten und verprassen wir ja nicht, sondern das zahlen wir wieder weiter an Lektoren, an Layouter, an Grafiker, an Drucker, für Werbung. Das deckt also nur unsere Kosten und ist kein Gewinn in diesem Sinne. Und mal davon abgesehen: Es sind auch wirklich inzwischen die großen Verlage, die auch Zuschüsse direkt von Autoren nehmen, nicht nur Zuschüsse von öffentlicher Hand bekommen, …

Török: Das stimmt nicht. Das stimmt nicht.

Fischer: Das stimmt.

Török: Große Verlage, seriöse Verlage nehmen keine Zuschüsse von Autoren, sie versuchen vielleicht, von der Kreissparkasse oder sonst woher irgendwelche Zuschüsse zu bekommen, aber von Autoren nicht. Kein Autor würde zu einem … kein seriöser Autor würde bei einem Verlag auch nur eine Stunde länger mitmachen, wenn man von ihm irgendwelche Gelder kassiert. Da wird ja das ganze Prinzip verdreht.

Aufgabe eines Verlegers, eines Verlages ist es, die künstlerische Leistung zu bezahlen, und nicht, dafür Geld zu nehmen. Wenn ich als Schauspieler von einem Theater gesagt bekommen würde, ja, Herr Török, Sie können ja hier bei uns mitspielen, zahlen sie erst mal 500 Euro – ja, bin ich denn verrückt? Ich bin der Künstler, ich bin der Schriftsteller.

Karkowsky: Ich möchte mal ein Beispiel nennen, in dem das ja vielleicht doch vorkommt, Herr Török, wenn nämlich Promovierte versuchen, ihre Dissertationen zu veröffentlichen, denn sie dürfen sich ja erst den Doktortitel anhängen, wenn die Dissertation veröffentlicht ist. Und ist es da nicht durchaus gang und gäbe bei den vielen Promovierten mittlerweile, dass die durchaus Ihrem Verlag auch einen Zuschuss zahlen dafür?

Török: Ja, also alle Dr. plag.s in Ehren, aber nein, der wissenschaftliche Bereich ist ein anderer. Der Verband deutscher Schriftsteller, wir vertreten die Interessen von Autorinnen, von Autoren, also die literarisch arbeiten, die Gedichte schreiben, Theaterstücke, auch literarische Sachbücher. Der Wissenschaftsbereich, da mögen andere Kriterien gelten, aber wir sprechen ja hier in Frankfurt auf der Buchmesse gerade über literarische oder Sachbuchverlage, und in dem Bereich, da ist es einfach … sagen die Gerichte sogar, dass es nicht seriös ist, nicht nur wir als Künstler sagen das, sondern da gibt es Gerichtsurteile darüber, kann man nachlesen. Das wird nicht als seriös, weder in Fachkreisen noch vom Publikum so empfunden.

Karkowsky: Lassen wir Frau Fischer mal antworten. Frau Fischer, Ihr Programm, habe ich gelesen, besteht zu 80 Prozent aus Belletristik. Ist das richtig?

Fischer: Ja.

Karkowsky: Nach welchen Kriterien wählen Sie denn Ihre Autoren aus? Muss ein Autor auch wirklich die Chance haben, sich gut zu verkaufen in den Buchhandlungen, oder was sind das für Kriterien?

Fischer: Wir wählen danach aus, was wir meinen, was sich verkaufen lässt, und mehr als die Hälfte der Manuskripte, die uns erreichen, gehen eigentlich postwendend wieder zurück, weil man oft auf den ersten Blick schon sieht, dass dieses Buch selbst nach Lektoratsbearbeitung unverkäuflich sein wird.

Aber noch mal zurück zu der Sache von vorhin: Es gibt mit Sicherheit inzwischen große Verlage, die auch Zuschüsse nehmen. Ich habe immer öfter Autoren, die mir solche Angebote dann auch vorlegen und wo wir dann in Verhandlungen eintreten: Kann man auf diese Bedingungen einsteigen, kann man da vielleicht ein bisschen billiger sein? Also der Markt wandelt sich, wir leben im Augenblick in einem sich stark wandelnden Literaturmarkt. Es wird immer mehr geschrieben, die großen Verlage geben neuen jungen deutschen Autoren so gut wie keine Chance, sondern geben sehr viel Geld für ausländische Bestsellerlizenzen aus. Diese jungen neuen Autoren – auch wenn sie älteren Jahrgangs sind – müssen ja irgendwo bleiben. Es sind die großen Verlage, die uns unsere Klientel zuschieben. Wir fangen niemanden mit dem Lasso ein.

Karkowsky: Herr Török, ich will mal eins noch hinzufügen: Wer bei Amazon zum Beispiel mal den R.G.Fischer-Verlag eingibt, der kommt auf wirklich 847 Ergebnisse allein für diesen einen Verlag aus der Verlagsgruppe R.G.Fischer. Das würde dann auch zum Beispiel den Vorwurf entkräften, diese Bücher sind nirgendwo zu kaufen.

Török: Ja, Zugriffe sind ja nicht unbedingt Kauforder, sondern da wird geguckt, …

Karkowsky: Nein, nein, das sind verschiedene Bücher, die dort angeboten werden, 847 allein von diesem Verlag.

Török: Ja, ja, also anbieten im Internet inzwischen kann man alles und jeder, und da wird wahnsinnig viel angeboten. Aber ich möchte Frau Fischer bitten: Nennen Sie einen einzigen seriösen Publikumsverlag, wo Autoren Zuschüsse zahlen, nennen Sie es mir, und ich gehe sofort dagegen mit der gleichen Aufklärung vor wie gegen die schwarzen Schafe in dieser Branche, sofort.

Es geht mir nicht nur um … Es geht mir überhaupt nicht darum, irgendwelche Leute jetzt öffentlich zu brandmarken. Wer wie sein Geld verdient, das ist mir wurscht. Aber man soll nicht so tun, als ob man mit solchen schönen Worten werben … wir tun was für die Literatur und wir tun was für die Autoren – das ist Augenwischerei und das ist das, was einfach in der Literatur keinen Platz hat.

Karkowsky: Ich würde sagen, diese Information können Sie dann vielleicht nach unserem Gespräch austauschen. Zum Schluss noch ein Wort zu den Forderungen von Verdi: Verdi will die Pseudoverlage von der Buchmesse verbannen. Da kann man fragen: Warum eigentlich? Jeder Autor, auch bei einem renommierten Verlag, weiß doch: Seine Arbeitskraft wird niemals anständig honoriert, solange er nicht einen mittleren Bestseller schreibt. Ist die Arbeit von Autoren damit überhaupt von Gewerkschaften zu bewerten, Herr Török?

Török: Wir alle, alle, alle Autoren, über 60, sagen: Wenn da Eitelkeitsdienstleister und Leute ihre Sachen publizieren wollen, das geht uns nichts an. Aber wir wollen eine klare Trennung haben zwischen denen, die als Verleger seit Jahrhunderten nach dem verlegerischen Prinzip arbeiten, und denen, die seit einigen Jahrzehnten da ein Riesengeschäft wittern und wahrscheinlich auch sehr, sehr gut verdienen – wenn ich das glauben darf, wie viele Autorinnen und Autoren pro Jahr in einigen dieser Verlage veröffentlichen, und wenn ich dann die Zahlen sehe, die bis zu 40.000 Euro gehen können, was die Autoren zahlen. Das ist Wucher!

Karkowsky: Frau Fischer, ein letztes Wort auch von Ihnen zur Frage: Warum ist es für Sie wichtig, auf der Buchmesse zu bleiben? Warum wollen Sie sich wehren gegen diese Forderung, dass man diese Verlage verbannen soll?

Fischer: Weil Bücher für Leser gemacht werden, und den Lesern ist es sehr egal, wer diese Bücher auf welche Weise bezahlt hat. Leser wollen sich informieren, sie wollen unterhalten werden von Büchern. Das ist das einzige Kriterium. Und diese Leser kommen zur Buchmesse. Und da auch die Dienstleisterverlage Bücher machen, die interessant sind, die unterhalten, die lesenswert sind, haben auch diese Verlage ein Recht, auf der Buchmesse zu sein.

Karkowsky: Unser Streitgespräch: Pseudoverlage runter von der Buchmesse oder nicht? Ich bedanke mich recht herzlich bei der Verlegerin Rita G. Fischer von der Verlagsgruppe R.G.Fischer, Frau Fischer, vielen Dank, …

Fischer: Gern geschehen!

Karkowsky: … und bei Imre Török, dem Bundesvorsitzenden des Verbandes deutscher Schriftsteller, auch Ihnen vielen Dank!

Török: Ja, ich danke auch!


Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.


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