"Welcome Dinner" für Flüchtlinge

Risotto und Kriegsvideos zum Kennenlernen

Eine Schüssel mit Rüben-Risotto, daneben eine kleine Schale geriebener Parmesan
Risotto war für Patrick das ideale Einstiegsthema, denn Reis sei in Syrien "like famous", erzählt er. © imago stock&people / Westend61
Von Maike Strietholt · 03.08.2015
Flüchtlinge kennt jeder aus den Medien, aber privat? Ines Burckhardt will Neugierige zusammen bringen und organisiert mit Freunden in Hamburg "Welcome Dinner". Patrick aus Syrien war bei Wiebke und Miriam. Es gab Risotto und Kriegsvideos.
"Ich bin übrigens fast fertig..."
Miriam steht in der Küche von Freundin Wiebke, vor ihr auf dem Herd blubbert ein Topf mit Risotto – fehlt nur noch der Gast des heutigen Abends...
"Hallo!" - "Hallo, ich bin Miriam, schön dich kennenzulernen! Schön, dass du da bist." - "Hallo ich bin Patrick. Very nice to speak deutsch..."
Geeignetes Einstiegsthema Essen
Patrick aus Syrien ist 26 Jahre alt und kommt erst einmal mit in die Küche. Essen ist schließlich ein prima Einstiegsthema, und mit dem Gericht Risotto kann er ebenfalls etwas anfangen:
"Ich kenne das aus meinem Land. We eat Reis everyday. It's like famous."
Patrick fällt die deutsche Sprache nach nur sechs Monaten Sprachkurs noch etwas schwer. Trotzdem zögerte er keinen Moment, als er in der Sprachschule auf das Welcome Dinner angesprochen wurde:
"I want to know deutsche people – that's why I come."
Schließlich begann Patricks Interesse für Deutschland bereits im Kindesalter, wie er lachend erzählt:
"Ja, because of football! Klinsmann, Oliver Bierhoff..."
Großes Interesse an Politik und Geschichte
Heute interessiert sich Patrick vor allem fürs Politische, ist beeindruckt davon, dass es Deutschland nach zwei Weltkriegen so gut geht. Die Prüfung zur deutschen Geschichte, die er an diesem Vormittag in der Sprachschule ablegte, war daher kein Problem.
"Es war gut! Über Bundeskanzler, Bundestag ... "
"Ich meinte schon: Er weiß jetzt bestimmt mehr als wir!"
Nun ist aber erst einmal Essen angesagt.
"Ich probier's noch einmal kurz. Aber ich glaube, es ist ganz gut geworden!"
Vorher möchte Patrick noch eine Zigarette rauchen. Im Flur am offenen Fenster erzählt er, dass er mit dem Rauchen während des Krieges in Syrien angefangen hat. Nun kann er erst einmal in Deutschland bleiben, muss sich aber bis zum Ablauf der Aufenthaltsgenehmigung selbst finanzieren:
"Mein Ausweis ist für zwei Jahre. Then they will see, if I find a job."
Studienabbruch kurz vorm Abschluss
Patrick musste sein Informatik-Studium in Damaskus kurz vor dem Abschluss abbrechen. Er will es hier beenden, sobald er ausreichend gut deutsch spricht.
"Guten Appetit” - "Guten Appetit – danke!"
Beim Essen ist die Stimmung fröhlich – zum Beispiel, als Miriam, die in Bayern aufgewachsen ist, den lokalen Zungenschlag ihrer Heimat vorführt.
"Wenn ihr jetzt Bayrisch hört, dann versteht keina von euch irgend a Woat!" -
"Das ist deutsch?"
"Original deutsch ist in Hannover, oder?"
"Ich gehe nach Hannover!"
Beruhigend für Patrick, dass auch Deutsche gelegentlich Verständigungsprobleme untereinander haben.
"Ich hoffe, das hat dir geschmeckt?" - "Ja, lecker!"
Eine Kurzreportage aus seinem Heimatort
Später zeigt Patrick auf seinem Handy eine kurze Reportage aus dem deutschen Fernsehen, die die Aktivitäten der Terrororganisation Islamischer Staat im Heimatort seiner Familie zeigt:
"Ist das deiner Meinung nach richtig dargestellt?" - "Ja. These shots, it's everywhere." - "Wir können uns das hier gar nicht vorstellen, dass wird das Haus verlassen, und dann kommt eine Granate geflogen oder so."
Miriam und Wiebke sind betroffen. Patrick fällt es aber nicht schwer, darüber zu sprechen – für ihn war das Alltag.
Dann zeigt Patrick noch eine Aufnahme von der Weihnachtfeier seiner christlichen Gemeinde in Syrien – und es gibt wieder viel Gelächter.
Trompetende Weihnachtsmänner auf der Straße, umgeben von jubelnden Menschen – so unterschiedlich sind die Kulturen dann eben doch nicht.
Ein weiteres Treffen ist geplant
Als die drei sich schließlich verabschieden, ist es schon recht spät. Patrick wirkt etwas geschafft vom stundenlangen konzentrierten Zuhören und Antworten – ein weiteres Treffen ist aber schon in Planung.
"Wie sagt man denn in Syrien Tschüss? So, oder so? Ich freue mich auf ein Wiedersehen!"- "Ich freue mich auch!" - "Und dann lernen wir vielleicht irgendwann deine Schwester kennen."
Die beiden Freundinnen haben nach ihrem ersten "Welcome Dinner" ein Lächeln auf dem Gesicht:
"Ja super!" - "Ja, es war total interessant. Es was war total spannend, mit Patrick zu sprechen und auch Gemeinsamkeiten und Unterschiede herauszufinden: bei einem leckeren Essen!"- "Ja, sehr lecker!"
Mehr als 20 Abendessen haben bereits stattgefunden
"Sollen wir dich noch zur U-Bahn bringen?" - "Ich muss auch zur U-Bahn!"
Gut 20 "Welcome Dinner" haben in Hamburg seit Anfang des Jahres stattgefunden – Ines Burckhardt ist im Organisationsteam:
"Also, die meisten treffen sich tatsächlich ein zweites Mal wieder – viele wurden auch von den Gästen zu sich nach Hause eingeladen oder in die Unterkünfte zum Teil. Wir hatten eine 6er-WG, wir hatten Paare, Familien, ganz unterschiedlich."
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