Wein aus Portugal

Unterschätzt, aber Weltklasse

Weinlese in einem Weinberg im Douro-Tal im Norden des Landes. Aus den Trauben wird u.a. auch Portwein hergestellt.
Weinanbau in Portugal © picture alliance / dpa / Schilling
Von Daniel Sulzmann · 16.03.2015
Die Winzer in Portugal haben wegen der Finanzkrise große Einbußen erlitten. Allmählich erholt sich die Wirtschaft wieder. Im Anbaugebiet Alto Douro produzieren die Weinmacher nicht nur den typischen Portwein, sondern auch Rotwein. Zudem sind die Rebsorten, die es nur in Portugal gibt, eine große Chance für einen neuen Aufbruch der Weinnation Portugal.
Das Radio läuft, unser Wagen rattert den holprigen kargen Feldweg zum Weingut Quinta da Leda runter. Wir sind auf dem Weg zu Portugals besten Reben im Nordosten des Landes. Um uns herum, so weit das Auge reicht, Terrassen, bepflanzt mit Rebstöcken, auf Hügeln, die den Blick auf den Douro verbergen. In Porto, Portugals zweitgrößter Stadt, fließt der Douro später in den Atlantik. Der Fluss, der wie kein zweiter auf der iberischen Halbinsel für Qualität im Weinbau steht. Luis Sotomayor ist der Chefweinmacher bei Sogrape. Die Firma ist der größte Weinhandelskonzern Portugals, bringt den nach Ansicht aller Fachleute derzeit besten portugiesischen Rotwein hervor. Der Name des Tropfens: eher schlicht und nichtssagend. Barca Velha - Altes Schiff. Doch dieser Wein ist auch in der Welt der Reben etwas Besonderes. Barca Velha gibt es nicht jedes Jahr. Sondern nur, wenn die besten Trauben es erlauben, Barca Velha zu keltern. Zuletzt war das 2004 so. Vor über zehn Jahren. Wir folgen Luis Sotomayor dahin, wo die Trauben wachsen. In den Weinberg.
Luis Sotomayor: "Wir haben hier Schieferböden, 16 verschiedene Arten. Hoch eisenhaltig. Schon die Römer haben hier im ersten und zweiten Jahrhundert gesiedelt. Callabrica hieß die Siedlung, da oben auf dem Berg, man kann die Mauerreste noch sehen, die Anwesenheit der Römer spüren."
Auf der anderen Seite des Berges fließt der Douro. Der hat seinen Namen wahrscheinlich von den Bodenschätzen, die die Römer hierhergelockt haben, Aurum das lateinische Gold, zum Beispiel man kann es noch heute im Namen für den Fluss Douro ahnen. Unten, am Fuss des Berges schneiden die Arbeiter gerade Reben. Was so aussieht, als ob es jeder könnte, ist das Ergebnis jahrzehntelanger Konzentration auf Qualität. Die Reben werden im Guyot-Verfahren angebaut. Das heißt, aus knorrigen Wurzelstöcken unterhalb der Drahtgeflechte ragen nur noch zwei Äste hervor. Zurückgeschnitten auf ein Minimum.
"Das heißt, jeder der hier die Reben schneidet, guckt sich die Reben genau an, schaut, wie stark sie ist, und entscheidet dann über die Zahl der Augen, die er stehen lässt. Es sind zwei Hauptäste an der Rebe, das ist das Guyot-Verfahren. Guyot-Duplo, an diesen Augen wachsen dann die Trauben im Jahr danach."
Das aber heißt: minimale Erträge, selbst wenn die Reben es schaffen, den kargen und eisengetränkten Boden 15 Meter und mehr mit Ihren Wurzeln zu durchstoßen, sich Nahrung und Wasser aus großen Tiefen heraufzuholen. Der Boden ist so ärmlich, die Sonne brennt im Sommer unerbittlich, es werden nicht mehr als zehn bis 15 Hektoliter pro Hektar geerntet. Also nicht mehr als 1000 bis 1500 Liter. Zum Vergleich: die deutsche Dornfelderrebe, beliebt wegen ihrer dunkelroten Farbe und in Deutschland immer noch ein Renner, bringt auch schon mal 25.000 Liter pro Hektar hervor. Dabei ernten für die Quinta da Leda nicht nur die Arbeiter von Sogrape. Seit Jahrzehnten gibt es Winzer, die ihre Trauben für die Quinta zur Verfügung stellen. Zwar nicht für den Barca-Velha, aber für die anderen Spitzenweine der Quinta da Leda.
"Diese Erzeuger arbeiten mit uns schon seit vielen Jahren zusammen, wir kennen ihre Trauben praktisch so gut wie unsere eigenen. Das sind Leute, die mit uns seit mehr als 30 Jahren arbeiten. Wir begleiten nicht nur die Entwicklung. Sondern auch wenn die Trauben reif sind, dann machen wir eine Analyse, wir machen eine Analyse und auch eine Probe. Die Ernte bestimmen wir, von uns wird alles koordiniert."
"Unser Wein ist nicht der Beste der Welt"
Hier stehen alle Zeichen auf Konzentration: Der letzte Barce Velha mutet so an wie viele große Rotweine von Experten beschrieben werden. Dunkle Farbe, in der Nase Waldfrüchte, Kirsche, Brombeere und dann Vanille, verhalten, aber spürbar. Luis, der derzeit beste Weinmacher in Portugal hat sein Handwerk im Burgund gelernt. In Dijon. Das macht vielleicht auch den Stil seiner Weine aus, seine Leidenschaft für Rebsorten die mit denen aus Bordeaux nicht zu vergleichen sind. Und er ist einer herausragenden Position. Er arbeitet für einen internationalen Konzern mit viel Geld, kann das Potenzial der Rebsorten ausschöpfen. Etwas, was sich Artur auch wünschen würde. Etwas weiter weg vom Douro in Freixo de Numao ungefähr 120 Kilometer westlich von Porto ist er stellvertretender Chef einer Kooperative die mehr oder weniger drei Millionen Liter Wein im Jahr erzeugt. Roten und Weißen. Der Wein wird überwiegend in Portugal verkauft. In Supermärkten und im Fachhandel, auch über Mittelsleute. Artur ist sich sicher, dass der Douro-Wein eine große Zukunft vor sich hat und zwar eben nicht als Portwein, sondern schlicht als Rotwein. Vor ein paar Jahren hat er angefangen, selbst Wein zu produzieren. Er hat einen spanischen und einen brasilianischen Partner und er kann inzwischen sogar mit Selbstironie über die Douro-Weine sprechen.
Artur: "Unser Wein ist nicht der Beste der Welt. Aber für uns ist der natürlich doch der Beste der Welt. Wir können keine Wunder bewirken, aber die Region ist gut für diese Art von Wein. Und eigentlich können wir auch gar nicht viel falsch machen: Wir dürfen, das was da ist, nicht kaputtmachen, dann wird es eigentlich automatisch ein guter Wein, weil das Ausgangsmaterial schon so gut ist."
Während Artur das sagt, sitzt er im Versammlungssaal der Kooperative auf einem eher billig anmutenden Stuhl, der knallrot mit Kunstleder gepolstert ist, in das sich schon Risse gegraben haben. Im Nebenzimmer unterhalten sich Winzer, im Erdgeschoss – unten dem Versammlungssaal – ist der einfache Verkaufsraum mit Theke. An den Wänden Regale mit Flaschen der Weine, die man hier kaufen kann. Alles wirkt ein wenig altbacken, nicht ganz auf der Höhe. Sympathisch altmodisch und weit weg von dem was man neudeutsch "Mainstream" nennt. Artur geht ganz konservativ seinen eigenen Weg.
Blick über das Weinanbaugebiet im Douro-Gebiet in Portugal
Blick über das Weinanbaugebiet im Douro-Gebiet in Portugal© Deutschlandradio / Daniel Sulzmann
"Ich habe mir Geld zusammengespart, ich wollte schon immer meinen eigenen Wein machen, jetzt ist der Zeitpunkt gekommen. 17.000 Liter habe ich für mich gemacht und 84.000 für meine Partner".
Alleine die Quinta da Leda, aus der auch Barca Velha kommt, ist über 500 Hektar groß. Das sind fünf Millionen Quadratmeter Rebfläche. Artur, der mit seinem roten, wettergegerbten Gesicht, seinem feinen Fältchengeflecht um die Augen und seinen dichten weißen Haaren aussieht wie ein Indianer, will mit diesen Großen gar nicht konkurrieren, sagt er:
"Mit der Vermarktung kenne ich mich nicht aus, 90 Prozent der Produktion geht nach Brasilien. Ich bin eigentlich nur am Weinmachen interessiert, nicht an der Vermarktung, das besorgen andere für mich. Der Wein geht nach Brasilien und Südamerika."
Dass in Deutschland gut 50 Prozent des Marktes von Ausländern besetzt werden – ein in der Welt der weinproduzierenden Länder ziemlich einmaliges Phänomen – sieht er nicht unbedingt als Chance für sich.
"Es ist einfach schwierig für uns auf diese Märkte zu kommen, es ist schwierig."
Was ist mit den Rebsorten, die es nur in Portugal gibt? Liegt darin nicht die große Chance für die Winzer hier, die Dominanz der flächenmässig größten Weinnationen in Europa aufzubrechen? Artur schüttelt den Kopf:
"Die Weinbauern der Kooperative hier, rund 1000 Leute, machen sogar Verlust. Es funktioniert so: wir beliefern die großen Weinkonzerne und die dann die Supermärkte. Und sterben die Alten erst mal, werden die Jungen das Weinmachen nicht fortsetzen."
Problematisch ist, dass die Möglichkeiten der Produzenten trotz bester Bedingungen an hohe Investitionen geknüpft sind.
Roboter mit Patschefüßen aus Metall
Zurück zur Quinta da Leda. Wer der Treppe in den Keller des renommierten Weingutes folgt, der wird im Zwischengeschoss mit einer Überraschung konfrontiert. Große rechteckige steinerne Becken aus Granit mit Abläufen am Rand ziehen sich bis zum Hallenende. Und dort steht ein Roboter mit entenähnlichen Patschefüßen aus Metall. Was wie die modernste Form des Kelterns anmutet ist in Wahrheit die älteste Methode:
"In diesen sogenannten Lagardes wurde schon immer mit den Füßen der Wein gekeltert. Aber diese alte Technik verlangt eine Menge Leute, die hier arbeiten, und die dann auch noch während der gesamten Ernte hier sind in diesen Granitbecken, und jetzt wird die gleiche alte Technik mit Hilfe der neuen Tretroboter angewandt."
Der Vorteil: die zertrampelten Beeren kommen nur kurz mit dem Sauerstoff in Kontakt. Der Saft fließt sofort in die darunterliegenden Bottiche. Es findet wenig Oxidation statt, der Wein bleibt frisch. Und die Methode ist billiger.
"Der Roboter hat den Vorteil, dass er 24 Stunden lang arbeitet, und die Arbeit ganz genau gleich wie der Mensch macht. Er hat keine Gewerkschaft, er ist nie müde und will nie Pause machen."
Aber das ist nicht böse gemeint, er ist nicht gegen Gewerkschaften, er ist der typische Weinmacher, den ausschließlich die Qualität seines Weines interessiert. Ruhig und konzentriert geht Luis zu Werk, als beruflicher Ziehsohn des ersten Barca Velha-Machers Fernando Nicolao de Almeida hatte er jahrelang Zeit sich auf die Produktion des besten portugiesischen Rotweines vorzubereiten. Und Geld spielt keine Rolle. Wir rechnen kurz hoch und bewerten die Quinta de Leda mit ihren Rebflächen und Kelteranlagen alleine auf grob 50 bis 60 Millionen Euro möglichen Kaufpreis. Wein ist hier im Douro-Tal für Konzerne wie Sogrape "Big Business".
Fehlendes Kapital, bedingt durch die portugiesische Wirtschaftskrise, ersetzen Investoren aus den ehemaligen Kolonien. So hat nicht nur Artur brasilianische Partner, das Unternehmen Global Wines zum Beispiel hat ebenso brasilianische Anteilseigner. Die Weine aus dem Dao-Gebiet weiter südlich sind modern etikettiert. Es gibt ausgewiesene Bioweine mit schlichten aber einprägsamen Namen wie "Natur" auf dem Etikett. Global Wines produziert hier in Carregal do Sal , auch beträchtliche Mengen Wein. Aber während Artur oben im Douro-Tal das Wegsterben der Alten, das Desinteresse der Jungen beklagt, ist hier eine Generation am Werk, die sich polyglott für das Weinmachen interessiert. Susana zum Beispiel ist 25 Jahre alt. Sie überwacht den Weintourismus auf drei Weingütern der Unternehmensgruppe. Sie erklärt, dass viel Wein nach Brasilien geht, ca. 85 Prozent der Produktion und außerdem haben diese Unternehmer China für sich entdeckt:
Das Weinanbaugebiet Alto Douro in Portugal
Blick auf einen Weinberg im Anbaugebiet Alto Douro in Portugal© Deutschlandradio / Daniel Sulzmann
"Wir haben schon ziemlich lange einen Kollegen, der sich ausschließlich um China kümmert."
Und das immer erfolgreicher, der Weinexport aus Portugal nach China nimmt jedes Jahr zu. Außerdem entfalten junge Leute wie Susana auch in der portugiesischen Weinindustrie ihr Potenzial, wenn man sie lässt. Sie ist mehrsprachig, verantwortet ein wichtiges Restaurant und sagt ihr Job macht ihr Spass. Offensichtlich findet gerade auch so etwas wie ein Generationswechsel statt.
"Es interessieren sich immer mehr Leute für Wein in meinem Alter. Sie wollen den Wein auch probieren, durchs Land fahren und die verschiedenen Arten kennenlernen. Diese Kunden haben wir immer mehr. Sie kommen aus Coimbra, Lissabon oder anderen Regionen."
Kontakte nach China sind leicht und vielversprechend zu knüpfen. Flexibel sein ist aber alles. Design der Etiketten, Rebsorten, Flaschenform, alles kann genau abgestimmt werden. Und dass nicht jeder Rotwein auf dem sonnenverbrannten Schieferboden des Douro-Tales wächst, ist für Portugal kein Nachteil. Susana jedenfalls ist sich der Qualität des portugiesischen Weins bewusst:
"Wir müssen immer stärker auf unsere Wurzeln setzen und Wein ist eine der Wurzeln Portugals, das ist unsere Basis. Wir haben die Fähigkeiten, die Weinberge, die Kultur dafür, wir haben das Können, also müssen wir immer mehr auf den Wein setzen. Ohne das alles können wir nicht exportieren. Wir wollen aber exportieren und wir sollten exportieren."
Das Flaggschiff altehrwürdig und behäbig, aber voller Komplexität und Qualität und in seinem Fahrwasser die Jungen, mit Dynamik, Know-How und Geld aus Übersee im Übermaß ausgestattet. Wer nicht mit der Zeit geht, wird auch im Douro-Tal abgehängt. Während die Alten jammern, ziehen die Bagger immer neue Terrassen in die Hänge des Douro-Tals. Der Weinanbau dort lebt, wird immer bekannter und hinter dem nächsten Hügel schimmert immer der Fluss. Meistens in der Sonne, zwischen Hügeln aus Schiefer. Eisenhaltig und sonnenverbrannt.
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