Warten auf den Knochenjob

Von Friedemann Brenneis · 24.02.2010
Der altmodische Begriff des "Tagelöhners" für kurzfristige Aushilfskräfte ist wieder aktuell. Das Jobcenter Berlin-Neukölln vermittelt zwar jeden Tag offiziell "Tagesjobs" an "Kunden", aber die Firmen, die diese Menschen suchen, fragen direkt nach "Tagelöhnern". Aber auch hier ist die Krise spürbar.
Schröder: "Ach wen ham wir denn da?"
Lüdemann: "Ick bin von den Toten wiederauferstanden ..." (lacht)
Schröder: "Arbeit hab ich aber nicht Herr Lüdemann!"

4:15 Uhr in einem Nebengebäude des Jobcenters Berlin-Neukölln. Herr Lüdemann, Mitte 50, weiß-grauer Vollbart, rote Arbeitshose steht an der dunkelgrauen massiven Ausgabeklappe für Tagesjobs. Auf der anderen Seite steht Thomas Schröder, 44 Jahre, Beamter. Jeden Tag um 4:00 Uhr eröffnet er die Tagesjobausgabe und vermittelt Arbeit. Wenn es denn welche gibt.

Schröder: "Und? Wie sieht's mit Arbeit aus, sonst so?"
Lüdemann: "Janz schlecht, im Moment. Dit kommt zwar immer auch mal im Laufe des Tages watt rin, aber nicht so wie man dit erhofft."
Schröder: "Käffchen?” "

Während Herr Lüdemann sich auf einen der 15 Gitterstühle im Neonlicht durchfluteten Warteraum setzt, dreht sich Thomas Schröder auf seiner Seite der Klappe zu den zwei Kaffeemaschinen in seinem Büro und schenkt ein.

Schröder: " "Dit hier mit dem Kaffee is zum Beispiel 'n zusätzlicher Service, weil die Leute sonst immer den teuren Kaffee sich ja von der Tankstelle um diese Uhrzeit holen müssen."

Wenn es gerade keine Aufträge gibt, sitzt Thomas Schröder an seinem Computer und recherchiert selber mögliche Interessenten für Tagelöhner. 20 bis 30 davon hat Schröder als Stammkunden in seiner Tagesjobvermittlung. Weit mehr kommen unregelmäßig, manche auch nur ein einziges Mal. Aber alle kommen aus demselben Grund: Sie brauchen Geld.

Schröder: "Also ich sag mal 90 bis 95 Prozent lebt von Hartz IV, ick hab ooch einige, die Rentner sind, die Rente beziehen, die eben sehr gering ist, sodass sie sich was dazuverdienen müssen."

72 Jahre war der Älteste, den Schröder bisher vermittelt hat. Auf eine Baustelle, denn Tagesjobs sind in der Regel Knochenjobs. Ganz wenige Tagelöhner kommen her, ohne Sozialleistungen vom Staat zu beziehen.

Schröder: " ... weil sie das teilweise gar nicht wollen. Die haben ihr Ego halt, die sagen, sie wollen vom Staat nichts haben, sie wollen für ihre Arbeit, die sie machen, dafür möchten sie entlohnt werden. (…) ... so ein oder zwei, aber ansonsten, der größte Teil bezieht Hartz IV."

2008 vermittelte Schröder 20 bis 30 Kunden pro Tag an die Unternehmen. Heute schafft er soviel gerade einmal pro Woche. Die Krise trifft eben auch die Tagelöhner, außerdem sind viele Jobs wetterabhängig. Jetzt im Winter sind daher viele von Schröders täglichen "Kunden", wie er sie nennt, gezwungen, noch mehr als sonst auf ihr Geld zu achten.

Schröder: "Also ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Hartz-IV-Empfänger gerne zugibt, dass er von seiner Leistung, die er vom Staat bekommt, leben kann. Er kann damit auskommen, aber nicht leben. ( ...) Der Standard ist ja doch bei vielen etwas höher als die 359 Euro, die mancher nur als Regelleistung für den Monat bekommt. Also von daher würd ich mal sagen, die müssen damit auskommen, aber leben können die davon nicht."

Im Laufe des Vormittags hat die Handvoll Tagelöhner den Warteraum wieder verlassen. Kein einziges Jobangebot ist eingegangen. Auch Herr Lüdemann ist nach vier Stunden Warten wieder gegangen, frühstücken.