Wannsee-Konferenz 1942

Protokoll eines Mordplans

Das Haus der Wannseekonferenz am 20. Januar 1942 ist heute eine Gedenkstätte.
Das Haus der Wannseekonferenz am 20. Januar 1942 ist heute eine Gedenkstätte. © imago/McPHOTO
Von Winfried Sträter · 02.12.2016
Am 20. Januar 1942 trafen sich führende Verwaltungsmänner der Nationalsozialisten in einer Villa am Berliner Wannsee. Der Historiker Peter Longerich untersucht aufschlussreich, wie an diesem Tag der massenhafte Mord an den Juden Europas vorbereitet wurde.
Hatte sie die Bedeutung, die ihr gemeinhin zugemessen wird? War sie die Konferenz, auf der der Holocaust organisatorisch vorbereitet wurde?
Peter Longerichs Untersuchung zu Vorgeschichte, Verlauf und Folgen der Wannseekonferenz zeichnet ein etwas anderes Bild als vielfach angenommen wird. Kein Ereignis auf dem Weg zum Massenmord an den Juden ist so gut dokumentiert wie dieses. Daher steht die Konferenz des 20. Januar 1942 so sehr im Zentrum des Interesses bei der Erforschung des Holocaust.

Deportationen begannen planlos

Hintergrund der Konferenz war ein verdeckter Machtkampf zwischen Reinhard Heydrich und Heinrich Himmler − um die Frage, wer die Federführung bei der "Endlösung der Judenfrage" innehatte. Heydrich beanspruchte die Führung für sich und registrierte im Herbst 1941 die Dynamik der Massenerschießungen nach dem Überfall auf die Sowjetunion. Die Politik, Juden auswandern zu lassen, war inzwischen durch Deportationen in die eroberten Gebiete im Osten ersetzt worden. Die begannen planlos im Herbst 1941, unterstützt von Himmler, der die Machthaber in Polen animierte, angesichts der Überfüllung der Ghettos die Probleme durch Massenmorde zu lösen.
Damit durchkreuzte Himmler die Strategie Heydrichs, der zuerst einen Gesamtplan erstellen und dann die Deportationen in Gang setzen wollte. Heydrich wollte die Juden in den Osten der Sowjetunion verfrachten, um sie dort zugrunde gehen zu lassen. Um das Gesetz des Handelns wieder an sich zu reißen, lud Heydrich leitende Verwaltungsmänner an den Berliner Wannsee ein. Sein Problem war indes, dass die schnelle Eroberung der Sowjetunion nicht gelang und daher die Voraussetzungen für seine Deportationspläne fehlten.

"Vorbereitende Arbeiten" in Polen

Peter Longerich schildert diese Rahmenbedingungen der Wannseekonferenz und widmet sich im spannendsten Teil seiner Untersuchung der genauen Interpretation des Konferenzprotokolls. Die entscheidende Stelle kommt am Schluss: Als Vertreter des Generalgouverneurs in Polen stellt Staatssekretär Bühler klar, dass "gewisse vorbereitende Arbeiten im Zuge der Endlösung in den betreffenden Gebieten selbst" durchgeführt werden. Die Sprache ist verklausuliert, die Botschaft aber eindeutig: Die Massenmorde in Polen sollen weitergehen.
Damit wird Himmlers Vorgehen bestätigt, Heydrich passt seine Strategie in den kommenden Monaten Himmler an, und der industrielle Massenmord an den Juden wird nun auf polnischem Territorium vorbereitet.
So hat die Wannseekonferenz anders als gemeinhin wahrgenommen die Weichen für die Shoa gestellt: Da sich Heydrich nicht durchsetzen kann und Himmler mit seinem Vorgehen nicht ausgebremst wird.
Longerichs Buch ist eine sorgfältige und aufschlussreiche Studie, die den Widerspruch zwischen der Intention und dem Ergebnis der Wannseekonferenz herausarbeitet und damit Klarheit über die Bedeutung dieses 20. Januar 1942 schafft.
Was fehlt, ist eine Nachbemerkung über das Haus selbst: Dass es 50 Jahre gedauert hat, bis dort die heutige Gedenkstätte eingerichtet wurde.

Peter Longerich: Wannseekonferenz. Der Weg zur "Endlösung"
Pantheon Verlag, München 2016
224 Seiten, 14,99 Euro

Mehr zum Thema