Archiv

EU-Außenministertreffen
Unter Beobachtung

Boris Johnson war einer der Wortführer der Brexit-Befürworter in Großbritannien, jetzt kommt er als neuer Außenminister erstmals in Brüssel mit seinen Kollegen aus den anderen EU-Staaten zusammen. Es wird mit Spannung erwartet, wie er auftritt. In der Brexit-Kampagne hatte er immer erklärt, dass ihm die EU außenpolitisch zu weit geht.

Von Annette Riedel | 16.07.2016
    Londons Ex-Bürgermeister und Brexit-Befürworter Boris Johnson vor seinem Haus nahe London.
    Londons Ex-Bürgermeister und Brexit-Befürworter Boris Johnson vor seinem Haus nahe London. (LEON NEAL / AFP)
    Natürlich sind die Außenminister allesamt zu sehr Profis, um sich von Befindlichkeiten über die Maßen von ihrer Agenda abbringen zu lassen. Aber es wird trotzdem schon eine Begegnung der eher ungewöhnlichen Art für alle Beteiligten werden, wenn der neue britische Außenminister Boris Johnson erstmals in seiner neuen Funktion nach Brüssel zu einem EU-Ministertreffen kommt. Schon gestern Abend gab es ein informelles Treffen der EU-Außenbeauftragten Mogherini, die der Außenministerrunde vorsitzt, mit Johnson.
    Betont unaufgeregt spielte Mogherinis Sprecherin dieses Zusammentreffen im Vorfeld zur reinen Routine-Angelegenheit herunter. "Es ist die erste Begegnung mit ihm in seinem neuen Amt und es ist ein informelles Zusammentreffen mit Johnson."
    Mogherini und die 27 Außenminister dürften aber sehr wohl im Ohr haben, was ihr neuer Kollege Boris Johnson über die EU so alles gesagt hat, so lange er die Galionsfigur der Brexit-Befürworter war. Und im Eifer des Gefechts dabei auch den einen oder anderen wenig diplomatischen Vergleich bemühte, um die EU zu diskreditieren. Diese EU sei nicht mehr die EU, der die Briten 1972 beigetreten sind. "Die EU hat sich bis zur Unkenntlichkeit verändert. Zu behaupten, dass es bei der EU um Wirtschaft geht, ist, als ob man sagen würde, der italienischen Mafia geht es um Olivenöl und Immobilien."
    Kerry wird Johnson wohl direkt ansprechen
    Es dürfte interessant sein, wie sich Johnson und sein französischer Amtskollege begegnen. Ayrault hat Johnson im Zusammenhang mit der Brexit-Kampagne der Lüge bezichtigt. Es wird zudem interessant sein, wie sich Johnson in der Außenminister-Runde aufstellt. Heute stehen keine größeren Beschlüsse an, aber künftig wird er immer dann, wenn es einstimmig sein muss, gewissermaßen ein Veto-Recht haben. Und das möglicherweise jahrelang. Bis zum vollzogenen Austritt bleibt Großbritannien Voll-Mitglied. In einer Union, die Johnson auch außenpolitisch zu weit geht. "Brüssel hat inzwischen einen eigenen Außenminister, eigene EU-Botschaften in der ganzen Welt. Und entwickelt weiter eine eigene EU-Verteidigungspolitik."
    Eigentlich steht das Thema Brexit nicht auf der Tagesordnung. Aber es ist davon auszugehen, dass zumindest US-Außenminister Kerry, der zur EU-Außenministerrunde heute dazukommt, Johnson direkt darauf ansprechen wird. Die USA, so Kerry nach dem Brexit-Votum, werden ihre speziellen Beziehungen zum Vereinigten Königreich aufrechterhalten. Aber den USA sei auch sehr an einer einigen, starken EU gelegen. "Es gibt kein Thema, das uns heute beschäftigt – sei es der Klimawandel, der Anti-Terrorkampf, Migration, oder was auch immer – bei dem wir nicht zusammenarbeiten."
    Das Migrationsthema steht denn auch heute auf der Agenda der EU-Außenminister. Genauso wie die Beziehungen zu China und zu Lateinamerika.