Wachstum durch Zuwanderung

Das Flüchtlingsbusiness als Konjunkturspritze

Ausbilder unterhält sich mit einem afghanischen Flüchtling.
Flüchtlinge in den deutschen Arbeitsmarkt zu integrieren ist ein wichtiger Schritt. Beide Seiten können davon profitieren. © picture alliance/ dpa/ Jens-Ulrich Koch
Von Caroline Nokel · 06.12.2016
Wie wirkt sich die Ankunft von Hunderttausenden Flüchlingen auf die deutsche Wirtschaft aus? Es sind etliche Jobs entstanden, aber zu erfahren, wieviel Geld die Unternehmen umsetzen, ist gar nicht so leicht zu erfahren. Eine Recherche zu den Folgen der Staatsausgaben.
"In der Diskussion über Flüchtlinge holen die Politiker den Rechenschieber heraus. ...Jeder Flüchtling kostet das Land etwa 1000 Euro. ...Man versucht natürlich den maximalen Gewinn als Geschäftsmann herauszuholen. ...Acht Milliarden zusätzlich fordert Bayerns Ministerpräsident...wer bestellt, muss auch ein Stück bezahlen."
Die Kosten, die dem deutschen Staat durch die Aufnahme der Flüchtlinge entstehen, sind schwer zu beziffern. Denn sie setzen sich aus Bundes-, Länder- und Kommunalausgaben zusammen. Die Deutsche Bank hat sie auf 12 Milliarden Euro geschätzt, das Institut der deutschen Wirtschaft sogar auf 22 Milliarden. Geflüchtete aufzunehmen ist eine humanitäre Aufgabe, es sollte nicht um eine Kosten-Nutzen-Rechnung gehen.
Doch Staatsausgaben haben Effekte auf die Wirtschaft. Wie wäre es, statt nur auf die Kosten zu schauen, einmal zu gucken, welche Angebots- und Nachfrageimpulse von ihnen ausgingen und immer noch ausgehen? Wie viele Arbeitsplätze geschaffen wurden?
Ich mache mich an die Recherche und frage beim Institut der deutschen Wirtschaft an. Können die Experten Aussagen dazu machen, wie sich die Aufnahme der Flüchtlinge auf verschiedene Branchen der deutschen Wirtschaft ausgewirkt hat? "Nicht wirklich", es gebe noch keine Zahlen. Ich versuche es beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. Ja, die Aufnahme der Flüchtlinge habe schon ein kleines Wirtschaftswachstum von einem viertel bis halben Prozentpunkt ausgelöst, sagt man mir in der Konjunkturabteilung. Weitere Aussagen zu treffen, sei schwierig.

Zusätzliche Beschäftigung

Ich treffe Michael Thöne vom Finanzwissenschaftlichen Institut der Uni Köln. Was kann er dazu sagen: Welchen Effekt hatte dieses außergewöhnliche Ereignis auf die deutsche Wirtschaft?
"Nun, die hereinstürmenden Flüchtlinge wurden natürlich zunächst einmal untergebracht, ernährt, gekleidet. Alle die Dinge, die als elementare Leistungen für Flüchtlinge erbracht werden mussten, haben einen wirtschaftlichen Effekt. Jenseits dieser Dinge, die sie unmittelbar für die Menschen haben, haben sie natürlich viele Effekte im Hintergrund, bei den Wohlfahrtsorganisationen, bei den Kommunen, auch bei privaten Sicherheitsdienstleistern. Auch hier haben wir zusätzliche Beschäftigung, weil einfach viele Leute gebraucht werden."
Nehmen wir mal die Wohlfahrtsverbände. Einer der größten Player am Markt ist das Deutsche Rote Kreuz. Laut Webseite betreibt es deutschlandweit 318 Notunterkünfte für Flüchtlinge. 40.000 Menschen sind dort zurzeit noch untergebracht, 110.000 waren es zu Anfang des Jahres.
"Guten Tag, Carolin Nokel. Ich würde gern Herrn Schütz sprechen…"
Ich rufe den Sprecher des Bundesverbands an. Wie sich die Ankunft der Flüchtlinge auf das DRK ausgewirkt habe, will ich wissen. Es seien mehrere tausend Jobs entstanden, bestätigt Dieter Schütz. Doch die Stellen werden schon wieder abgebaut. Denn jetzt kommen ja sehr viel weniger Flüchtlinge nach Deutschland. Ich möchte mir das an einem konkreten Beispiel anschauen, an einer Flüchtlingsunterkunft. Dazu muss ich mich an einen Landesverband wenden, denn die Einrichtungen werden von den Landes- und Kreisverbänden des Roten Kreuzes betrieben. Der Sprecher des Landesverbands Nordrhein Thomas Braun möchte mir Zutritt zu einer Flüchtlingsunterkunft verschaffen. Doch das ist gar nicht so einfach. Die Bezirksregierungen mauern. Sie möchten keine Pressevertreter in ihre Unterkünfte lassen. Ein paar Tage später ist es in Duisburg doch möglich. Aber dann wird diese Unterkunft unter Quarantäne gestellt: Die Windpocken sind ausgebrochen.
Ein neuer Versuch, diesmal über den Kreisverband Köln: Die Stadt Köln ist zugänglicher und genehmigt den Zutritt. Das DRK betreut etwa die Hälfte der Flüchtlinge in der Stadt: um die 7000 Menschen.
Ich stehe vor der größten Notunterkunft Kölns, gelegen an einer Autobahnauffahrt, im ehemaligen Straßenverkehrs- und Ordnungsamt. Bewacht durch ein Sicherheitsunternehmen, finden hier zurzeit fast 600 Menschen Obdach.
Jochen Ihring leitet die Unterkunft.
"Die Leute kommen hier an, die haben nichts, erster Platz hier in Köln, und dann müssen die versorgt werden. Prinzip ist: runter von der Straße. Bei den Temperaturen, wie sie jetzt anfangen, ist es ganz wichtig, dass die Leute mit dem Nötigsten versorgt sind. Und das machen wir hier."
Zusammen mit seiner Kollegin Hanna Machulla und einer Sozialarbeiterin sitzen wir in einem beheizten, ruhigen Raum eines Wohncontainers. Hier wird sonst Sprachunterricht gegeben. Eine Schultafel hängt an der Wand, ein riesiger Teddybär sitzt auf einem alten Ledersofa.
Drei Notaufnahmen betrieb der Kreisverband Köln des Deutschen Roten Kreuzes vor 2015. Als der Zustrom von Flüchtlingen zunahm, stieg die Anzahl auf über vierzig.
"Da muss das Personal für eingestellt werden, das müssen Sie erstmal finden. Wir brauchen Hausmeisterei, wir brauchen Küche, wir brauchen Sozialarbeit. Allein die Bewerbungen zu sichten. Weil wir von der Struktur gar nicht vorbereitet waren. Wir sind kein riesengroßer Verein, der mal schnippt und alles steht parat. Das mussten wir uns mühselig zusammensuchen. Das muss sich finden, das knirscht natürlich im Gebälk. Die Menschen waren da, wir mussten sofort reagieren, und dann ist uns das auch gelungen."

Pro Halle bis zu 20 Mitarbeiter

Ihrings Kollegin Hanna Machulla erklärt, welche und wie viele Mitarbeiter gebraucht werden, um derzeit 7000 Flüchtlinge zu versorgen:
"Wir haben die Bereiche Hauswirtschaft, Hausmeister und Sozialbetreuung. Um da Zahlen zu nennen: Wir sind da durchaus in jedem Arbeitsbereich auf 200 Mitarbeiter. In der Hauswirtschaft und in der Hausmeisterei sind es auch mehr, also über 200."
Genau, weil wir da im Schichtbetrieb arbeiten. Deswegen brauchen wir da doppelte Besetzung. Soziale Arbeit im normalen acht Stunden Tag, in der Regel. Aber Hausmeisterei, Küche natürlich im Schichtbetrieb. Was brauchen wir? Pro Halle 15 bis 20, je nach Auftragslage an Personal. Mit allem Zick und Zack gerechnet.
Die Anzahl der Mitarbeiter hat sich versechsfacht. Doch wirklich nachhaltig ist die Schaffung von Arbeitsplätzen nicht.
"Wir haben natürlich mit Befristungen gearbeitet. Die Leute sind befristet eingestellt auf maximal zwei Jahre. Danach Entfristung, oder der Arbeitsauftrag hat sich erledigt."
Das werden keine Dauerarbeitsplätze sein, in der Regel.
"Und es ist dennoch, auch wenn Verträge nicht verlängert werden können, dennoch auch die Situation, dass wir Äußerungen oder Rückmeldungen dazu haben, dass die vielen Kollegen und Kolleginnen, die bei uns waren, dankbar sind für die Chance, die sie durch die Situation bekommen haben. Das ist auch n sehr wichtiger Aspekt. Es ist schwierig in so ner Situation, aber auch realistisch. Irgendwo auch fair, wenn man es so betrachtet. Denn es sind Menschen, die es unter normalen Bedingungen nicht so leicht auf den Arbeitsmarkt geschafft hätten."
Bei allen Wohlfahrtsverbänden wurde für kurze Zeit Personal eingestellt, vor allem Küchenkräfte und Hausmeister. Sozialarbeiter werden noch länger bei der Integration der Flüchtlinge gebraucht, auch dann noch, wenn die Turnhallen schließen.
Eine, die von der Einstellungswelle profitiert hat, sitzt in unserer Runde in der Notunterkunft.
"Ich komme aus Armenien. Ich bin seit fast vier Jahren in Deutschland. Ich arbeite schon seit acht Monaten beim DRK. Ich bin als Sprach- und Integrationsmittlerin. Diese ganze Geschichte kenne ich schon. Ich habe Erfahrung schon gehabt. Ich habe viele, viele Hilfe vom DRK bekommen. Jetzt probiere ich selber, die Hilfe benutzen."
Mariam Hayrapetyan ist gelernte Psychologin und Karatelehrerin. Hier in Deutschland ist die Anstellung beim DRK ihr erster Job. Sie hilft den Flüchtlingen bei allen möglichen Fragen, die sie zur Krankenversicherung, zu ihrem Aufenthaltsstatus und der Sozialhilfe haben und gibt Sprachunterricht. Sie zeigt mir ihren Arbeitsplatz.
"Wir haben hier Bäume, wir hatten Blumen, die Bewohner haben sehr gerne gegossen, haben immer selber auch sauber gemacht. Können hier spielen, Fußball spielen, Basketball spielen."
Das DRK-Team geht mit mir zum Sprechzimmer der Sozialberatung ins Hauptgebäude.
Die Eingangshalle mit Pförtnerloge und Neonlicht strahlt noch den Charme eines Amtsgebäudes aus. Einige Leute sitzen dort Stuhl an Stuhl wie in einem Wartezimmer und sind mit ihren Smartphones beschäftigt: Hier ist WLAN-Zone! Ein kleiner, dunkelhaariger Junge klopft an eine Glastür.
"Da ist zu. Pause. Enttäuschte Kinder, genau. Pause!"
Die Kita macht Mittagspause, es ist zwölf Uhr. In der Sozialberatung herrscht noch Betrieb.
"Wir machen hier Sprechstunde von halb acht bis zwölf Uhr, danach haben wir Pause, danach nochmal von 14 Uhr bis 16 Uhr 30. Wir haben verschiedene Mitarbeiter, jeder hat seine Aufgabe. Meine Mitarbeiterin Susanne."

Kaum Details zum Budget

Susanne Burghardt arbeitet schon länger im Sozialberatungsteam der Herkulesstraße.
"Meine Kollegin Mariam ist ja noch nicht so lange dabei wie ich jetzt zum Beispiel. Ist ja jemand, der dazu gekommen ist, weil Bedarf da war. Das ist ne super Entlastung. Klar braucht man einen Moment Einarbeitung. Aber bei ihr war, weil sie einen eigenen Hintergrund hat. Sie hat sich super schnell dann auch eingearbeitet."
Mariam Hayrapetyans Arbeitsvertrag ist bis März befristet. Das ist nicht nur bei ihr so.
"Weil es einfach befristete Verträge sind, das ist jetzt keine spezielle Situation für Mariam. So lange gibt’s noch nicht Flüchtlinge, und vor allem noch nicht in der Zahl, dass da irgendwie ein größeres Sozialbetreuungsteam existiert. Es gibt mittlerweile drei Kolleginnen, die unbefristet eingestellt worden sind."
Ich möchte wissen, welches Budget das Deutsche Rote Kreuz erhält, um Sozialarbeiter, Hausmeister und Küchenkräfte zu bezahlen. Doch Jochen Ihring gibt sich zugeknöpft:
"Die Details fragen Sie bei der Stadt Köln ab. Das ist ganz wichtig. Mit der unternehmerischen Leitung haben wir hier nichts zu tun."
Es ist nicht leicht zu durchschauen, wieviel Geld Städte, Kommunen, Bund und Länder für die Flüchtlinge ausgeben und wieviel davon schließlich bei wem landet. Köln dient hier nur als Beispiel.
Ich scrolle mich durch den zehnten Flüchtlingsbericht der Stadt: Gesamtkosten 323 Millionen Euro für 2015 und 2016. Und ich mache einen Termin beim Flüchtlingsbeauftragten der Oberbürgermeisterin der Stadt Köln, Hans Oster:
"Wir haben erstattet bekommen mit allem, was Bund und Land und wer auch immer uns das erstattet, 137 Millionen, so dass bei der Kommune selbst 186 Millionen Euro für diesen Zeitraum verblieben sind, die sie aus eigenen Mitteln zahlen musste. Das Geld, die 322 Millionen, die auf der einen Seite ausgegeben werden, landen auf der anderen Seite bei den Menschen, die davon ihren Lebensunterhalt bestreiten und es wieder ausgeben. Oder bei den Trägern und Versorgern und Menschen, die uns Objekte vermieten oder bauen."
Nur wieviel landet bei wem? Zwei Journalistinnen des gemeinnützigen Recherchezentrums Correctiv haben im Mai 2016 versucht herauszufinden, wieviel die Kommunen deutschlandweit für die Unterbringung von Flüchtlingen ausgeben. Sie sind auf Spannen zwischen 130 und 1500 Euro im Monat gestoßen. Ein und dasselbe Unternehmen – European Homecare - hat beispielsweise der Stadt Oldenburg 400 Euro pro Flüchtling und Monat in Rechnung gestellt, der Stadt Velbert in Nordrhein-Westfalen 1500 Euro. In Velbert war zwar die Verpflegung inbegriffen, in Oldenburg nicht. Das sollte aber keine Spanne von 900 Euro ausmachen. Oldenburg hatte schon seit einiger Zeit eine ressortübergreifende "Task Force Asyl" im Rathaus eingerichtet und arbeitete schon länger mit dem Unternehmen zusammen.

"Baut ihr auch für Flüchtlinge?"

Der Sozialdezernent in Velbert stand mit dem Rücken zur Wand. Er unterschrieb im Oktober 2015 einen Vertrag mit European Homecare, der bis Ende 2016 läuft. Seine Kommune – die ohnehin schon verschuldet ist – sichert dem Unternehmen darin zu, einen Pauschalbetrag für die Unterbringung von 200 Flüchtlingen zu zahlen. Sollte die Unterkunft unterbelegt sein, zahlt die Kommune weiter. Sobald mehr als 200 Menschen untergebracht werden, wird aber eine zusätzliche Pauschale von über 50.000 Euro netto fällig. Ein besserer Überblick über den Markt und etwas mehr Verhandlungsgeschick hätten der Kommune vielleicht eine Menge Kosten erspart. Kein Einzelfall, meint der Finanzwissenschaftler und Politikberater Michael Thöne:
"Wir haben gesehen, dass wir Effekte hatten in den Wohnungsmärkten, auch sehr viel einfache Hotels und ähnliche Unterkünfte, die angemietet wurden. Überall dort, wo Containerdörfer und Traglufthallen benötigt wurden, da hat sich auf die insgesamt nicht so riesige Branche eine Nachfrage orientiert, der sie ohne weiteres nicht nachkommen konnten. Da sehen wir ganz große Wirkungen. Überall dort, wo wir eine schlagartige Nachfrage hatten und ein Angebot, was nicht so schnell steigen konnte, sind die Preise zum Teil in die Höhe gegangen. Man hört von den Besitzern kleiner Mittelklassehotels, die sich auf Jahre saniert haben."
Viele Anbieter hätten die Notlage der Kommunen ausgenutzt. Carsten Rutz sieht das anders. Er ist Vorstand der Immobilienfirma "Deutsche Reihenhaus". Ein Unternehmen, dessen Ziel es ist, erschwinglichen Wohnraum in Städten anzubieten, und das deutschlandweit an zahlreichen Standorten baut. Als immer mehr Flüchtlinge nach Deutschland kamen, wurde Rutz von Kommunalpolitikern angerufen, mit denen er wegen einiger Bauvorhaben in Kontakt steht.
"Wir haben Flächen angeboten und haben gesagt, wir würden gern einen Teil dazu beitragen. Und haben in Kommunen, wo wir größere Flächen erworben hatten, wo wir in der Baurechtschaffung waren, haben wir angeboten: "Wenn ihr Flächen braucht, um solche Zeltstädte aufzubauen oder Container zu stellen, stellen wir euch diese Fläche zur Verfügung, unter gewissen Bedingungen, mietfrei. Wir würden auch die Grundsteuer übernehmen. Also ihr kriegt die Fläche und könnt sie so lange nutzen. Wir verabreden das über einen kleinen Vertrag und kriegen die nach ner gewissen Zeit wieder zurück." Das haben wir angeboten. Das wurde dankend zur Kenntnis genommen und kein einziges Mal in Anspruch genommen."
Dieses Angebot richtete sich vor allem an Städte im Ruhrgebiet. Mittlerweile baut die "Deutsche Reihenhaus" zwar für Kommunen wie das finanziell gut gestellte Meerbusch in Nordrhein-Westfalen Reihenhäuser, in die Flüchtlinge einziehen werden. Übrigens in einer höheren Belegung als im typisch deutschen Familienhäuschen. Insgesamt sieht Carsten Rutz aber keinen nennenswerten Effekt der Zuwanderung auf die Baubranche. Für ihn macht es sowieso keinen Unterschied, wer in die Reihenhäuser einzieht.
"Was ich allerdings seltsam fand, waren so Fragestellungen wie: Baut ihr auch für Flüchtlinge? Meine Paradeantwort auch heute noch ist, wenn dieses Thema aufkommt. Ich sage immer, wir bauen für Menschen."
Kommunen, die über eigene Flächen verfügen, können so Wohnraum schaffen, der nicht nur von Flüchtlingen genutzt wird.
Doch zurück zu unserem konkreten Beispiel, der Notunterkunft in der Kölner Herkulesstraße. Wieviel gibt die Stadt Köln für sie aus? Der Flüchtlingsbeauftragte Hans Oster:
"Ja, da kann ich eine absolute Zahl schlecht nennen. Auch bei diesen großen Anlagen, die wir mit Containern gestaltet haben, gibt es ja die unterschiedlichsten Modelle. Wir versuchen immer die wirtschaftlichste zu finden. Entscheiden: kaufen oder mieten wir, das hängt auch davon ab wie lange. Da gibt es nicht den Schlüssel, da muss man jeden Einzelfall betrachten. Wobei man sagen muss, bei den Trägerverträgen, wo gleichartige Leistungen drin sind, zahlen wir auch gleichartig."

"Kein Interesse an einem Interview"

Es seien Privatverträge, deren Inhalt nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist. Der Flüchtlingsbericht weist aus, dass 2015 immerhin fast 23 Millionen Euro für Hotelkosten ausgegeben wurden, 2016 knapp 22 Millionen Euro.
"So ist das in unserem Wirtschafts- und Gesellschaftssystem. Wenn jemand was anbietet, macht der das in der Regel, weil er auch n Gewinn hat. Wir haben sehr viele Angebote bekommen von Hotels und Beherbergungsbetrieben, die schon erkannt haben, das ist auch wirtschaftlich interessant."
"Was zahlen Sie denn da pro Flüchtling im Monat?"
"Ja, wir wollen uns ja die Preise nicht verderben, deshalb sagen wir dazu nichts. Aber der Betrag ist schon relativ hoch. Wobei man sagen muss, für den einzelnen Tag bei Kölner Verhältnissen relativ wenig. Aber wenn man die Auslastung der Hotels und die Sicherheit sieht, dann ist das für die Beherbergungsbetriebe ein guter Preis. Unsere Partner wissen um die hohe Nachfrage, das wirkt sich auch immer auf die Preisgestaltung aus. Aber wir haben ne Schmerzgrenze, und da kann jemand fordern, was er will, da gehen wir dann nicht hin."
"Wo liegt die denn, die Schmerzgrenze?"
"Also, ja, zwischen,... kann man ja sagen. Um die 30 Euro pro Tag."
Eine Stichprobe: In einem Flüchtlingswohnheim um die Ecke erzählen die Bewohner, der private Betreiber, der im Erdgeschoss ein Büro unterhält, bekäme 25 Euro pro Flüchtling und Tag. Die Zimmer sind mit zwei Personen belegt, ca. 12 Quadratmeter groß, mit Bad, Küchenzeile und Stockbett ausgestattet. Also ein Studentenzimmer, selbst in bester Lage nicht mehr als 300 Euro Miete im Monat wert. Wenn die Angaben stimmen, zahlt das Amt der Immobilienfirma pro Zimmer um die 1500 Euro. Ich gehe zum Büro der Firma. Der Mitarbeiter will mein Anliegen weitergeben und Bescheid geben, ob sie einem Interview zustimmen. Auf meine erneute Nachfrage per e-mail bekomme ich die Antwort:
"Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass nach Rücksprache mit der Geschäftsleitung von unserer Seite aus kein Interesse an einem Interview besteht. Wir bedanken uns für Ihr Interesse und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg."
Kaum jemand möchte darüber sprechen, dass er gute Geschäfte mit der Kommune macht. Hier kommt noch dazu, dass das Gebäude der Stadt gehörte, bevor sie es an eine private Firma verkaufte. Nun muss sie hohe Mietpreise zahlen. Und so gibt es zahlreiche Unternehmen, die versuchen, am "Flüchtlings-Business" mitzuverdienen. Ich stoße auf ein weiteres Geschäftsmodell: den Makler, der sich darauf spezialisiert hat, Flüchtlingen Wohnungen zu vermitteln. Frank Lange hat ein kleines, unscheinbares Büro in der Kölner Südstadt. Zwei scheue junge Männer mit dunklen Haaren und schwarzen Jacken betreten sein Büro.
"Wie groß soll denn die Wohnung sein? Sind Sie allein, oder haben Sie Familie?"
"Nein, zusammen."
"Sie dürfen ja eine 65 Quadratmeter-Wohnung, das wissen Sie. Eine Person 50, und dann immer 15 Quadratmeter, 50, dann 65, dann 80. Maximal 65 Quadratmeter, das dürfen Sie."
"Haben Sie sonst noch Unterlagen? Haben Sie Wohnberechtigungsschein beantragt?"
"Ja, das ist ja super, da haben Sie ja doch schon was in der Hand."
Es ist kein einfaches Geschäft: den freien Wohnungsmarkt nach Wohnungen abzusuchen, deren Preise das Sozialamt übernimmt. Bis vor kurzem waren es 8,50 € pro qm, seit dem 1. November 9,50 Euro. Dann muss der Makler die Eigentümer davon überzeugen, die Wohnung an einen Flüchtling oder eine Flüchtlingsfamilie zu vermieten. Frank Lange:
"Ich bin jetzt im 32. Jahr Makler. Ich bin 51 und hab ne ganze Menge erlebt, und in der Flüchtlingshilfe bin ich jetzt gut eineinhalb Jahre, helfe ich hier im Büro Migranten bei der Wohnungssuche. Da hab ich viel Erfahrung gesammelt. Im Moment überwiegt das Positive noch, aber es gibt auch Dinge, ja, wo man nicht ein Sinneswandel, wo man aber einfach auch sieht , wie die Dinge auch mal aus , wie ein Flüchtling das sieht, wie er die Dinge auch selber sieht bei der Wohnungssuche. Hab ich viel gelernt. Es ist aber auch so, dass die Wohnungssuche für einen Migranten ganz anders ist als für den Normalsuchenden, der schon lange in Deutschland ist. Der drei Abrechnungen hat, nen Arbeitsvertrag."
Der Großteil der Flüchtlinge kann kein Einkommen und keine Sicherheiten vorweisen. Dazu kommen Sprachbarrieren und kulturelle Unterschiede. All das zu überwinden, ist Frank Langes Ziel. Aber er macht das nicht nur aus Altruismus. Es ist Teil seines Geschäfts.
"Wenn wir jetzt sagen, wir helfen nem Flüchtling, wir legen ne dicke Mappe an, wir haben nen speziellen Mieterfragebogen. Der Aufwand, den wir hier betreiben, der rechtfertigt ja, dass wir dann, wenn wir erfolgreich sind, dann kriegen wir unsere zwei Kaltmieten. Entweder kriegen wir die von der Stadt bezahlt, wenn die n offiziellen Maklerschein haben. Oder sie müssen es selber bezahlen. Wenn wir aktiv geworden sind und viel schon gemacht haben, wollen wir ganz klar, dass die zum Abschluss kommen. Wir wollen, dass die mitmachen. Die müssen aktiv mitmachen. Wenn ich sag, passt auf, wir haben am Samstag ein Gespräch, dann kommt der Eigentümer und will die kennenlernen, dann erwarte ich, dass die pünktlich hier sind. Dass die sich benehmen. Heißt, dass wenn das Handy schellt, auch mal ausmachen. Einfach sich konzentrieren. Wir wollen, dass unser Arbeitsaufwand zum Erfolg führt. Sonst können wir kein Geld verdienen."
Geld verdienen – ein gutes Stichwort. 100 Euro nimmt Frank Lange von seinen Kunden als einmalige Bearbeitungsgebühr. Das Sozialamt zahlt ihm zwei Kaltmieten, wenn er eine Wohnung erfolgreich vermittelt.
"Na, gut, es ist ja so, dass a) die Stadt ne Menge Geld spart. So ne Notunterkunft, im Schnitt kosten die 30, 35 Euro am Tag. Wenn man ne dreiköpfige Familie hat, die am Tag 120 Euro kostet, mal 30 Tage, sind mal eben schnell drei, dreieinhalbtausend Euro. Da kann man auch ne Wohnung zahlen, die vielleicht mal 100 Euro mehr ist als das üblich ist. Die Stadt spart bei jeder vermittelten Wohnung. Jede Wohnung, die privat vermietet wird, lohnt sich auch für die Stadt."

Unternehmen nutzen Notlage der Kommunen aus

Ist es der Markt, der dafür sorgt, dass Unternehmen eine Notlage der Kommunen ausnutzen und Höchstpreise verlangen können – der Steuerzahler wird es schon richten?
Oder wäre es möglich, sparsamer mit Steuermitteln umzugehen? Eine größere Transparenz in der Darstellung der Kosten könnte hilfreich sein. Bremen hat einen Vorstoß gewagt und hat seine Flüchtlingskosten transparent gemacht. Der Grund dafür ist, dass Bremen Konsolidierungsland ist. Das bedeutet, dass es Konsolidierungshilfen des Bundes in Höhe von 300 Millionen Euro jährlich nur erhält, wenn es die Obergrenze des zulässigen Finanzierungsdefizits einhält. Für 2016 liegt diese Grenze bei 501 Millionen Euro. Der Saldo mit veranschlagten 785 Millionen Euro überschreitet die Grenze deutlich. Daher hat Bremen ein großes Interesse daran, die Versorgung der Flüchtlinge als besondere Notsituation anerkannt zu bekommen. Die durch die Flüchtlinge entstandenen Mehrkosten belaufen sich auf 362 Millionen Euro. Werden sie herausgerechnet, befindet sich der Stadtstaat wieder im grünen Bereich.
Bleibt die Frage, ob die Ausgaben gewirkt haben wie ein Konjunkturprogramm?
"Mit dem Konjunkturprogramm: Es wird in einigen Segmenten tatsächlich ein Konjunkturprogramm gewesen sein. Nämlich dort, wo Kapazitäten leer standen. Wo Leute Jobs gefunden haben, die keine Jobs hatten. Insgesamt auf Deutschland gesehen, muss man ein bisschen vorsichtiger sein, denn wir sind in einer Phase, die konjunkturell o.k. ist. Das heißt, wir haben keine unterausgelasteten Kapazitäten und alles was wir zusätzlich an staatlicher Nachfrage oder an Nachfrage für Flüchtlingsleistungen, die durch den Staat vermittelt wird und auch durch staatliche Mittel finanziert wird, ist Geld, das wird für Leistungen für diese Menschen ausgegeben. Ansonsten würden die Mittel aber auch irgendwie verwendet. Das heißt, wenn man das vergleicht zu einer fiktiven Situation in der wir nicht die große Flüchtlingszuwanderung gehabt hätten, wäre dieses Geld in irgendeiner Weise in andere Verwendung geflossen. Ob das dann im Vergleich dieser beiden Verwendungen zu einer besseren Konjunktur gekommen ist durch die Flüchtlingszuwanderung als in der alternativen Situation, das kann man bezweifeln."
Die knapp 900 000 Flüchtlinge aufzunehmen, sie zu versorgen und zu betreuen, ist zwar nur ein Mini-Konjunkturprogramm gewesen. Verglichen zum Beispiel mit der Abwrackprämie, die nur dazu führte, dass Autofahrer sich früher als geplant einen Neuwagen kauften, hat die Flüchtlingsaufnahme für Nachfrage und Beschäftigung gesorgt. Das könnte auch langfristig so sein, meint Michael Thöne.
"In der mittleren und langen Frist gewinnt Deutschland durch diese Zuwanderung, wenn die Integration gelingt. Weil wir dann eben tatsächlich zusätzliche Arbeitskräfte kriegen. Die positiven Schätzungen fangen etwa so 2022, 23 an, dass das umschlägt, eine gesamtgesellschaft- positiv wirtschaftliche Bilanz kommt. Bei pessimistischen Annahmen passiert es etwas später."
Umso wichtiger ist es, jetzt zu investieren und die Weichen zu stellen, damit die Integration der Geflüchteten gelingt.
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