Wachpolizisten in Sachsen

Clevere Lösung oder Billigpolizei?

Polizist in Sachsen
Ein Polizist steht vor einem Flüchtlingsheim in Sachsen. © picture alliance/dpa/Foto: Oliver Killig
Von Bastian Brandau · 18.07.2016
Normalerweise dauert eine Ausbildung zum Polizisten in Sachsen drei Jahre. Weil Personal fehlt, werden Wachpolizisten zum Objektschutz jetzt in drei Monaten ausgebildet. Eine Schusswaffe tragen sie dennoch. Die Opposition spricht von einer "Billigpolizei".
Spinnweben hängen von den Leuchtstoffröhren, grau-rote Judomatten bedecken den grünen Filzboden. In Gruppen üben Menschen in Judoanzügen, sich gegenseitig aufs Kreuz legen, hier im Ausbildungszentrum der sächsischen Polizei in Bautzen. Junge Menschen sind es, etwa zwischen 20 und 30 Jahre, überwiegend Männer. Einer von ihnen ist Stephan Schöne, athletisch-gedrungen, braune Haare und Bart:
"Was wir hier machen ist SE, Selbstverteidigung. Beziehungsweise auch Eingriff unmittelbaren Zwangs. Und was wir gerade gemacht haben, den Querulanten am Boden fixieren, Kreuzfesselgriff und abführen."
Schöne hat sich für den ersten Ausbildungsgang der sächsischen Wachpolizei beworben – und wurde genommen. Polizist zu werden, habe ihn schon immer gereizt, sagt er. Aber sein Vater wollte erst, dass er eine Ausbildung macht. Jetzt, mit 32, will der Dresdner beruflich nochmal was Neues wagen.
"Meine Motivation ist halt, den Bürgern mehr Sicherheit zu geben. Zu sagen, wir sind Ansprechpartner, beziehungsweise auch dem Bürger die Angst zu nehmen, das halt zu wenig Polizei da ist und zu viel Gewalt. Und wenn man in den Medien hört: der Terror, der nimmt ja immer mehr zu, da halt Objekte zu schützen wo sowas vorkommen kann. Da bin ich bereit, das in Angriff zu nehmen, da gibst du halt was zurück."

Schon nach drei Monaten Wachpolizist

Zwischen 20 und 33, abgeschlossene Ausbildung, leeres Führungszeugnis und der Führerschein. Das sind die Voraussetzungen für die Einstellung. Drei Monate dauert die Ausbildung. Das Studium der regulären Anwärter im Polizeidienst dauert drei Jahre. Wie ist das möglich? Marco Rißland, Fachbereichsleiter im Projekt Wachpolizei. Zum Vergleich:
"Die Ausbildung ging grundsätzlich um gefährdete Objekte, was nicht nur Asylunterkünfte betrifft, sondern alles, was die Polizeidirektion als gefährdetes Objekt einschätzt, dafür wurden die Wachpolizisten ausgebildet, um eine entsprechende Bewachung des Objektes durchführen zu können. Dementsprechend konnten die Ausbildungsinhalte, die nicht dieses Thema umfassen, gekürzt oder gestrichen werden."
Seit dem 1. Mai versehen die ersten rund 50 Wachpolizisten ihren Dienst. Und schon bildet das Land die nächsten aus. Der Einsatz verlaufe bisher ohne Probleme und zu großer Zufriedenheit, heißt es aus dem Innenministerium. Aus vielerlei Gründen wird er aber immer noch kritisch beäugt von der sächsischen Opposition. Vor allem, weil die Wachpolizisten auch nach der kurzen Ausbildungszeit eine übliche Dienstwaffe bei sich führen. Rico Gebhard, Fraktionschef der Linkspartei:
"Ich frag mich dann, warum braucht ein Polizist in Sachsen eine dreijährige Ausbildung. Also es ist ja nicht nur die Schießausbildung, es ist ja auch ganz viel Psychologie dabei, es ist ganz viel Menschenkenntnis dabei, die da gelehrt wird, es ist ganz viel Gesetzgebungskompetenzen, die man angeeignet bekommt. Es ist viel Recht- und Demokratieschulung dabei bei Polizeibeamten, auch wenn ich mir dabei manchmal mehr vorstelle. Deswegen ist das Verhältnis nicht angemessen, dass man jemanden auf die Straße schickt, nach drei Monaten. Es ist so eine Billigpolizei, die dabei herauskommt."

Billigpolizisten als Alibi-Aktion

Knapp 2200 Euro brutto verdienen die Wachpolizisten, die als Angestellte für das Land Sachsen arbeiten werden. Befristet auf zwei Jahre, aber das ist ein Status, den eigentlich alle schnell hinter sich lassen. Viele, auch das ist kein Geheimnis, haben sich vorher für den regulären Polizeidienst beworben und wurden abgelehnt. Bei guten Leistungen winkt Möglichkeit, doch noch Beamter zu werden, mit verkürzter Ausbildungszeit, erklärt Benjamin Hellweg, ebenfalls im ersten Ausbildungslehrgang:
"Von uns ist allen angestrebt, dass wir in den mittleren Dienst gehen, nach dem einen Jahr. Da gibt’s auch keine Ausnahme, also keiner, der hier nur zwei Jahre Wachpolizei machen will und dann wieder auf Schule oder Studieren oder irgendwas. Wir wollen hier alle den Sprung nehmen, den uns das Land Sachsen bietet, die Tür alle nehmen, um in den mittleren Dienst reinzukommen."
Billigpolizisten auf Probe – so werde das Land nicht aus der selbstgeschaffenen Personalmisere herauskommen, kritisiert die Gewerkschaft der Polizei in Sachsen. Ihr Vorsitzender Hagen Husgen bezeichnet die Wachpolizei als eine Alibi-Aktion. Seine Bilanz nach den ersten zwei Monaten:
"Der Einsatz der Wachpolizei ist eigentlich nur ein Umgehen der Standards der richtigen Polizei, indem man jetzt, über einen Billigweg versucht, Polizeibeamte auf die Straße zu bekommen. Und jetzt sieht es langsam so aus, als ob man die Wachpolizisten, die bisher wenige Befugnisse haben, mit mehr Befugnissen ausstatten möchte, sodass sie so langsam peu à peu an die Möglichkeiten des Polizeivollzugsbeamten herangeführt werden und das kann niemals der Weg sein."
Ursprünglich sollten die Wachpolizisten vor allem Erstaufnahme-Einrichtungen bewachen. Da weniger Geflüchtete nach Deutschland kommen, gibt es auch weniger zu bewachen. Das lässt natürlich Raum für Ideen, was die Wachpolizisten außerdem machen könnten. Solche Pläne gebe es nicht, heißt es im Sächsischen Innenministerium. Anders formulierte es kürzlich Bundesinnenminister Thomas de Maizière: Er könne sich vorstellen, sagte er vor einigen Wochen, dass Wachpolizisten in besonders von Einbrüchen belasteten Vierteln eingesetzt werden.
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