Vor 20 Jahren: Brandkatastrophe am Flughafen Düsseldorf

Kein Fluchtweg, nirgends

Eine Abflughalle am Flughafen Düsseldorf.
Abflughalle des Düsseldorfer Flughafens: Beim Brandschutz geht es hier inzwischen vorbildlich zu © Deutschlandradio / Ellen Wilke
Dieter Faulenbach da Costa im Gespräch mit Nana Brink · 11.04.2016
Am 11. April 1996, vor genau 20 Jahren, stand der Düsseldorfer Flughafen in Flammen - 17 Menschen starben. Kann das wieder passieren? Absolute Sicherheit gebe es nicht, sagte der Architekt und Sicherheitsexperte Dieter Faulenbach da Costa.
Am 11. April 1996, vor 20 Jahren, vernichtete Feuer den Ankunftsbereich des Düsseldorfer Flughafens, ausgelöst durch Schweißarbeiten. Es kam zur größten Katastrophe der deutschen Flughafengeschichte: Am Ende waren 17 Menschen gestorben, 88 wurden zum Teil schwer verletzt. Über Tausend Rettungskräfte brauchten mehrere Stunden, um die Situation unter Kontrolle zu bringen. Der materielle Schaden: rund eine Milliarde Mark. Die juristische Aufarbeitung der Katastrophe geriet Jahre später zum Desaster.
Der Flughafen selbst wurde wieder aufgebaut – er gelte heute in Sachen Brandschutz als einer der besseren, sagte der Architekt und Sicherheitsexperte Dieter Faulenbach da Costa im Deutschlandradio Kultur. Dass der Berlin-Brandenburger Großflughafen BER im Planungs- und Bauchaos versank, führt er darauf zurück, dass die Brandschutz-Anlage bereits umgeplant wurde, bevor sie überhaupt fertig gestellt worden war.
Vorschriften den Brandschutz betreffend gebe es nicht für Flughäfen, sagte der Architekt. Flughäfen seien Sonderbauten, hier könne man nur mit Erfahrungswerten arbeiten. Welche Fehler man machen kann, erläutert Faulenbach da Costa anhand des Beispiels Düsseldorf: Damals sei eine Lounge, in der Menschen qualvoll zu Grunde gingen, mit schusssicherem Glas ausgestattet gewesen. Das ist gut für die Abwehr von terroristischen Angriffen – führte aber letztlich dazu, dass es für die Fluggäste keinen Fluchtweg mehr gab.

Das Interview im Wortlaut:

Nana Brink: Am 11. April 1996 um 15 Uhr 31 verwandelt eine Explosion das Terminal des Düsseldorfer Flughafens in ein Inferno. Eine Feuerwalze rast durch das Gebäude, ausgelöst durch herabtropfende, glühende Tropfen bei Schweißarbeiten. 17 Menschen sterben in den Flammen, sie ersticken zum Teil, und 88 werden schwer verletzt.
Die größte Katastrophe in der deutschen Flughafengeschichte löste eine anhaltende Diskussion um den Brandschutz aus. Nicht zuletzt die Eröffnung des Hauptstadtflughafens BER ist ja immer wieder wegen Mängeln beim Brandschutz verschoben worden.
Dieter Faulenbach da Costa ist Architekt und plant seit Jahrzehnten Flughäfen, unter anderem auch die Erweiterung zum Beispiel des Frankfurter Flughafens. Ich grüße Sie, schönen guten Morgen!
Dieter Faulenbach da Costa: Schönen guten Morgen, Frau Brink!
Brink: Der Düsseldorfer Flughafen ist ja umfassend umgebaut worden, er gilt als einer der sichersten, zumindest in Deutschland, vielleicht auch in der Welt. Ist er das immer noch?
Faulenbach da Costa: Ja, bis auf Kleinigkeiten ist der Flughafen ja im Prinzip, der Flughafen Düsseldorf, neu gebaut worden, und ich denke mal, in der Zeit, in der er gebaut wurde, nach der Katastrophe, die dort stattfand, haben natürlich die Spezialisten, die man sich immer dazu holen sollte, wenn man ein solches Passagierterminal baut, die Sicherheitsanforderungen, Sicherheitsmargen sehr hoch gesetzt. Ich denke mal, dass der Flughafen Düsseldorf in Bezug auf den Brandschutz sicherlich zu den besseren Flughäfen gehört.
Brink: Was hat man besser gemacht, welche Lehren hat man gezogen?

Für den Brandschutz gibt es keine Vorschriften

Faulenbach da Costa: Das hängt immer jeweils von dem jeweiligen Brandschutzexperten ab, den man sich bei der Planung eines Terminals holen soll, denn Vorschriften für solche Sonderbauten gibt es nicht. Da müssen Sie sich immer wirkliche Spezialisten holen.
Brink: Es gibt keine – Entschuldigung, wenn ich da jetzt einhake –, es gibt keine verbindlichen Richtlinien?
Faulenbach da Costa: Für den Brandschutz und auch für andere Bereiche in Passagierterminals gibt es keine verbindlichen Richtlinien, weil das Sonderbauten sind, die jeweils anderen Anforderungen unterliegen auch von ihrer Nutzung her, und da müssen Sie mit Erfahrungswerten, Erfahrungswerten auch der Planer arbeiten. Und da ist es für den Planer wichtig, dass er beispielsweise von Anfang an einen Brandschutzsachverständigen in seine Planung einbezieht, um den Brandschutz in einem solchen Terminal zu garantieren.
Wie wollen Sie beispielsweise eine große Check-in-Halle in Brandabschnitte unterteilen? Fast unmöglich. Da können Sie nicht mit Brandschutzwänden arbeiten, sondern da müssen Sie mit abstrakten theoretischen Modellen arbeiten, um zu sehen, dass Sie den Rauch und auch Feuer dort löschen, den Rauch ableiten und Feuer löschen können. Insoweit ist es relativ schwierig, eine sehr komplexe Aufgabe, aber es ist eine interessante Aufgabe.
Brink: Ich dachte immer, ein Flughafen ist ein Flughafen ist ein Flughafen, also die Anforderungen sind die ähnlichen.

Jeder Flughafenbau ist anders

Faulenbach da Costa: Nein, sie sind immer sehr unterschiedlich. Sie haben ja immer sehr unterschiedliche Segmente im Luftverkehr. Fluggastpassagiere sind andere Passagiere als Linienpassagiere, Charterpassagiere wiederum andere Passagiere. Sie haben andere Spitzenstunden, Sie haben andere Bemessungsparameter und, und, und. All das spielt eine Rolle. Es spielt auch eine Rolle, wie Sie das Gepäck handeln, ob sie eine zentrale Gepäckförderanlage haben oder ob Sie dezentral abfertigen. All das spielt eine Rolle dabei.
Brink: Der Brandschutz ist ja nach wie vor ein großes Thema und eine große Schwachstelle, das sehen wir ja zum Beispiel immer wieder beim BER, also Berlin-Brandenburg International, dem Hauptstadtflughafen. Den haben Sie ja bis zumindest 1999 mitgeplant, ihn danach, später ja massiv kritisiert. Warum immer wieder der Brandschutz? Warum ist man da nicht weitergekommen?
Faulenbach da Costa: In Berlin ist der Brandschutz eine Schwachstelle deshalb, weil die Brandschutzanlagen bis zum Eröffnungstermin – das kann man ja im Bericht des Landesrechnungshofs Brandenburg nachlesen – bis zum Eröffnungstermin im Juni 2012 nicht fertiggestellt waren. Es wusste keiner, ob das Ding funktioniert oder nicht funktioniert.
Und dann hat man gleich angefangen umzubauen. Und wenn man anfängt, etwas, was nicht fertig ist, umzubauen, weiß nachher keiner mehr, wo was ist. Das heißt, es ist eine Endlosschlange, an der Sie ewig herumdoktern und herumbauen werden, bis Sie vielleicht, durch Zufall mehr oder weniger, zu einem Ende kommen und eine fertige Anlage haben.
Brink: Da fasst man sich ja schon so ein bisschen an den Kopf und fragt sich, ob man das nicht vorher irgendwie wusste. Aber da sind wir jetzt wahrscheinlich irgendwie nicht die einzigen.
Wir sprechen jetzt die ganze Zeit vom Brandschutz, ausgelöst natürlich durch dieses Ereignis vor 20 Jahren in Düsseldorf. Aber wenn wir jetzt nach Brüssel gucken, dann frage ich mich ja immer wieder, ist nicht eigentlich auch Sicherheit ein viel größeres Thema als Brandschutz?

Die Fassaden waren aus schusssicherem Glas

Faulenbach da Costa: Ja, aber das war ja dann in Düsseldorf auch Ursache dafür, dass es so viele Tote gegeben hat, die Frage der Sicherheit, denn in der Lounge, in der es ja zu Toten gekommen ist, waren die Glasfassaden gegen Terrorattacken von außen mit schusssicherem Glas ausgestattet, sodass es für die, die in der Lounge waren, keine Fluchtwege mehr gab.
Das heißt also, hier muss ich beim Brandschutz wie auch bei der Sicherheit der Flughäfen, in beiden Fällen darauf achten, dass ich durch Maßnahmen, die die eine Frage ja bewirkt, die ich sicherstellen will, die andere nicht gleichzeitig ausschließe und neue Probleme damit verursache. Da sehen Sie die Komplexität ja dran.
Brink: Ich wollte gerade sagen, das ist eigentlich doch gar nicht zu lösen?
Faulenbach da Costa: Doch, natürlich ist das zu lösen. Deshalb immer wieder ist meine Forderung als Planer, als Funktionsplaner in Terminals, dass ich den Kollegen, den Architekten immer wieder empfehle, von Anfang an die Sachverständigen für Brandschutz, die Sachverständigen für die Sicherheit in Terminals dazu zu holen beziehungsweise - da kann ich, denke ich, relativ gut beraten - gleichzeitig aber auch die Grenzschutzbehörden, die Grenzkontrollbehörden mit hineinzunehmen, denn die stehen mitten im Terminal und regeln den Verkehr. Und das übersehen die Kollegen meistens und vergessen zu sagen, wir gehen doch immer auf die Behörden zu, aber dann erst, wenn sie einen Bauantrag einreichen. Dann aber ist es zu spät, sondern diese Behörden müssen Sie von Beginn der Planung an der Planung beteiligen.
Brink: Also kann man maximale Sicherheit nicht hinbekommen am Flughafen?
Faulenbach da Costa: Nein, Sie kriegen niemals maximale Sicherheit hin. Und das, was zum Teil heute vorgeschlagen wird, ist eher aberwitzig oder eher was fürs Auge, für das Publikum, als dass es tatsächlich die Sicherheit verbessert.
Da gibt es bessere Maßnahmen. Es ist natürlich gleichzeitig die Frage, ob im Zuge des Terrorismus nicht das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird und die Sicherheit vor die individuelle Datensicherheit des Passagiers gestellt wird. Und 99,99 Prozent der Passagiere, die mit Terrorismus nichts zu tun haben, verdächtigt werden, Terroristen zu sein, und deshalb kontrolliert werden. Also, da müssen bessere, wirksamere und andere Maßnahmen ergriffen werden, als das zum Teil heute der Fall ist und vorgeschlagen wird.
Brink: Darüber werden wir noch viel diskutieren. Vielen Dank erst mal, so weit der Architekt Dieter Faulenbach da Costa. Danke für das Gespräch!
Faulenbach da Costa: Tschüs!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema