Von wegen Chancengleichheit

Von Günter Hellmich, Landesstudio Berlin · 09.02.2012
Es geht verbissen zu in Deutschland, wenn um den Zugang zum Gymnasium gestritten wird. Und überaus korrekt - formaljuristisch zumindest. Denn die Entscheidung, wer in welche Schule darf, ist ein Verwaltungsakt, der jederzeit gerichtlich überprüft werden kann. Und das Verwaltungsgericht verlangt Kriterien nach Möglichkeit auf gesetzlicher Grundlage: Rechtsstaatsprinzip und Gleichheitsgrundsatz - Sie wissen schon.
Und das ist ja auch gut so - eigentlich … Jedenfalls wäre es das, wenn es hier um die Verteilung eines knappen Gutes ginge - wie bei der Mutter aller NCs - der Studienplatzvergabe für Medizin. Einen solchen klassischen Numerus Clausus für Gymnasien kann und darf es aber nicht geben. Denn eine gute mindestens zwölfjährige Schulausbildung ist im 21. Jahrhundert in Deutschland kein Privileg, sondern Bürgerrecht und teilweise sogar -pflicht.

In einer demokratischen wissensbasierten Gesellschaft ist es die Aufgabe des Staates jedem Kind, jedem Jugendlichen die Chance zu geben, eine theoretisch fundierte Berufausbildung zu erreichen. Es geht also weniger um das Ziel als den Weg. Nicht um die Zuteilung von Lebenschancen im Alter von zehn oder zwölf Jahren, sondern um die Festlegung von individuellen Förderwegen.

Was in Deutschland unsinnigerweise auch noch sechzehnmal unterschiedlich geregelt ist. Unser dreigliedriges Schulsystem war eine getreue Widerspiegelung eines Dreiklassensystems in Staat und Gesellschaft des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts.

Sinn und Zweck war dessen Reproduktion. Auch nach der Demokratisierung unserer Gesellschaft ist unser gegliedertes Halbtags-Schulsystem ein Hindernis für Bildungs- und sozialen Aufstieg geblieben. Die PISA Studien haben seine fehlende Durchlässigkeit im internationalen Vergleich beklagt.

Wenn jetzt in etlichen Bundesländern daraus endlich Konsequenzen gezogen werden und aus drei - zwei gemacht wird, dann muss auch der Anspruch realisiert werden: Dass Gymnasium und Sekundarschule tatsächlich am Ende das gleiche Ziel haben -und gleichwertig sind! Was zugegeben nicht nur mit dem Bildungsangebot zu tun hat, sondern auch mit dem sozialen Status. Hier müssen nicht nur die Bildungspolitiker umdenken.