Von A wie Aufbruch und Z wie Zank

Von Renée Willenbring · 27.11.2008
Mitten in Hamburg wachsen seit einigen Jahren die Wohnquartiere der HafenCity. Zwischen der Elbe und der alten Speicherstadt haben schon 1000 Einwohner das neue Viertel bezogen, 12.000 Einwohner sollen es bis zum Jahr 2020 werden. Aufbruchstimmung drückt sich nicht nur in den von Stararchitekten geplanten modernen Bauten aus. Auch die Menschen hier sind kreativ und engagiert.
"Hallo Thomas, schön dich zu sehen.

Was kann ich für dich tun?

Zwei Latte macchiato zum hier Trinken.

Gerne. Aus der Hafenity-Bohne. Wollt Ihr auch was essen?

Ja, einen Hackbraten, Omas Hackbraten."

Mittagszeit in der HafenCity Hamburg: Hochbetrieb im "Feinkost", einem kleinen Bistro mit Spezialitäten, das Thomas Jeche vor gut einem Jahr eröffnet hat. Das "Feinkost" ist eines der ersten Bistros, Läden und Restaurants, deren Besitzer den Mut hatten, zwischen Rohbauten und riesigen Baukränen den Schritt in eine ungewisse Zukunft zu wagen.

Der gelernte Versicherungs- und Bankfachwirt arbeitet schon seit 20 Jahren in der Gastronomie und hat jetzt den Sprung in die Selbständigkeit gewagt. Er will dabei sein, wenn Hamburgs neuer Stadtteil HafenCity entsteht. Auf 155 Hektar soll hier das größte städtebauliche Projekt Deutschlands wachsen, auf einem Areal, das 100 mal größer ist als der Potsdamer Platz in Berlin. Der 40-Jährige ist zuversichtlich, dass die HafenCity ein Erfolg wird.

"Wir leben in der größten Baustelle, die geht bis 2030. Das bedeutet Krach, das bedeutet Lärm. Es bedeutet frisches Leben, und es ist halt auch nicht so grün oder so etwas. Man muss Architektur mögen. Es laufen ganz viele Architekturstudenten in Gruppen durch, die diese Häuser sich angucken, Häuserfronten fotografieren, einen danach fragen und so weiter. Man muss sich das wirklich angucken. Es ist ein neuer, moderner Stadtteil, der an der Elbe liegt, mit kleinen Binnenhäfen dazu, und das macht die Elbatmosphäre aus und mit Sicherheit auch später einmal das ganze Touristische, die ganzen Restaurants. Das wird wirklich mal so eine Ausgehmeile auch mit Sicherheit werden."

Das Ehepaar Scheppach ist erst vor kurzem in die HafenCity gezogen und gehört schon zu den Stammgästen des kleinen Bistros. Das "Feinkost" mit seinen fünf kleinen Tischen ist für sie ein Treffpunkt. Die Gäste gehen herzlich miteinander um. Das "Du" gehört selbstverständlich dazu.

"Das Besondere ist, dass es hier wieder die Tante-Emma-Läden gibt. Das macht es ganz besonders inniglich, weil man kennt alle und das ist dann mehr als nur ein Brötchen kaufen gehen."

Verlässt man das gemütliche "Feinkost", tritt man auf den knapp 3.000 Quadratmeter großen Vasco-da-Gama-Platz. Hier hat der Bistrowirt Tische und Stühle aus Holz aufgestellt. Auch beim Bäcker gegenüber kann man Platz nehmen. Dazwischen spielen zwei Jungen auf einem Basketballfeld. An den Tischen haben sich erschöpfte Touristen mit ihren Tagesrucksäcken niedergelassen. Herren in feinen Anzügen sind ins Gespräch vertieft. Ingenieure in Lederjacken beugen sich bei einer Tasse Kaffee über ihre Zeichnungen. Bauarbeiter mit Helm und Blaumann stehen mit einem Brötchen in der Hand am Geländer und blicken auf die Elbe. Besuchergruppen schlendern über den Platz. Auf den Treppenstufen, die zur Promenade am Grasbrookhafen führen, sitzen vereinzelt Urlauber. Andere haben es sich auf den langen Holzbänken gemütlich gemacht und beobachten das Containerschiff der Reederei Grimaldi beim Anlegen auf der gegenüberliegenden Elbseite. Von den Gerüsten schallt Hämmern und Sägen herüber.

Die Straße "Am Kaiserkai" und die tiefer liegende Promenade führen direkt auf die Baustelle des alten Kakaospeichers. Hier entsteht die Elbphilharmonie, das künftige Wahrzeichens Hamburgs. Die Straße "Am Kaiserkai" wird durch wuchtige Wohnblocks geprägt, die dunkel, kühl und distanziert wirken. Stararchitekten wie Peter Schweger, David Chipperfield oder Hardy Teherani haben hier ihre Visitenkarte abgegeben.

Lücken in der Straßenschlucht geben zur Innenstadt den Blick auf die historische Speicherstadt frei. Manche Beobachter bezeichnen die Neubauten als grimmige Kartons oder babylonisches Formengewirr. Eine harte Atmosphäre, zumal hier oft ein rauer und eisiger Wind weht. Heute ist es ruhig. Ein junges Ehepaar aus Frankfurt am Main schaut sich auf der Promenade um. Die beiden, die früher in Hamburg gelebt haben, stehen der HafenCity durchaus ambivalent gegenüber.

"Es werden die Wohnungen nur für einen geringen Teil der Leute zugänglich sein, sie werden sehr teuer sein, vermuten wir, und ja, mal gucken, es muss noch ein bisschen wachsen. Es ist alles noch so ein bisschen künstlich, und es fehlt noch das Flair. Das wird bestimmt ein bisschen dauern, aber es wird schön werden."

Spricht man mit einigen der rund 1.000 HafenCity-Bewohnern, beschreiben sie sich selbst als kommunikativ, unternehmungslustig, aufgeschlossen, weltoffen und experimentierfreudig. Tatsächlich sind viele weit gereist. So haben der Rechtsanwalt Matthias Kloth und seine Frau Annette, eine Betriebskauffrau, schon in New York, Sydney und Melbourne gelebt, bevor sie sich in Hamburg niedergelassen haben. Sie haben sich entschlossen in die HafenCity zu ziehen, weil sie aus ihrer neuen Wohnung direkt auf die Elbe blicken können, und weil sie mitten in der Innenstadt wohnen. Zu Fuß sind es bis zum Rathaus nur zehn Minuten. Im neuen Stadtteil wollen sie mitgestalten und mitbestimmen.

"Man hat das Gefühl, die Leute, die wollen was bewegen, die wollen nicht irgendwo in festgefahrenen Gleisen sich bewegen, sondern die wollen was machen, die haben Pep."

Elke Nadac und ihr Mann sind vor einem Jahr aus der Hamburger Vorstadt Nettelnburg in die HafenCity gezogen. Sie haben dort ihr Einfamilienhaus verkauft, weil es ihnen zu langweilig war. Jetzt wollen sie miterleben, wie sich der neue Stadtteil entwickelt. Sie kennen die Vorurteile, dass es sich nur die Reichen leisten können, hier zu wohnen. Sie selbst halten sich nicht für reich.

"Wir fühlen uns, dass es uns gut geht, aber ich fühle mich echt nicht als reich. Und ich glaube, es gibt hier natürlich sehr viele Reiche, die hier wohnen, aber auch Leute, die sich hier so einen Traum verwirklicht haben. Die, die wir da kennen bei uns, die haben eben ihre Häuser verkauft, wohnen zum Teil zur Miete - bei uns sind auch Mietwohnungen - und sagen: Ja, wir leben jetzt von dem Verkauf des Hauses, von dem Geld, was wir dadurch eingenommen haben. Sie sind wohlhabend oder so, klar."

Zehn Jahre haben die beiden in Nettelnburg gewohnt. Doch so viele Kontakte, wie sie hier in einem Jahr geknüpft haben, hatten sie dort die ganze Zeit nicht, erzählt Elke Nadac bei einem Rundgang. Vor dem Gebäudeensemble des französischen Innenarchitekten Philippe Starck bleibt sie stehen. Hier können die Wohnungen schnell mehrere Millionen Euro kosten. Und da gebe es schon viele Bewohner, zu denen man keinen Kontakt finde.

"Es gibt hier natürlich Häuser, da wohnen ganz offensichtlich Reiche. Da fällt wirklich auf, wenn man hier abends durchgeht, das ist dunkel. Das heißt, eigentlich sind die Wohnungen so gut wie verkauft, aber sie leben ganz offensichtlich nicht hier, das ist ihre Zweit- oder Drittwohnung. Und das finde ich natürlich überhaupt nicht lustig."
Hamburg ist sehr bemüht, dem Image des Luxus-Ghettos entgegenzuwirken. Die Stadt hat 1998 die Hafen-City-Gesellschaft beauftragt, auf den brachliegenden Hafenflächen das Großprojekt zu verwirklichen. Weil die Hafenbecken für den Containerumschlag zu klein waren, entstand direkt in der Innenstadt Platz für den neuen Stadtteil. Bis dahin hatten die Hamburger mit dem Rücken zur Elbe gewohnt. Jetzt, wo das Quartier Formen annimmt, wurde eigens ein Soziologe eingestellt. Das kennt man sonst nur aus sozial benachteiligten Vierteln. Seit eineinhalb Jahren ist Marcus Menzl Ansprechpartner für Beschwerden, Hinweise, Ideen und Anregungen der Bewohner. Seine Aufgabe ist es, die sozialen Kontakte in Gang zu bringen. Der Soziologe bestätigt, dass die HafenCity eher einkommensstarke Mieter ansprechen muss.

"Das ist richtig, dass wir eben sozusagen dieses Segment, mittlere, obere Einkommensgruppen hier ansprechen, und das liegt ganz einfach daran, dass Bauen in der HafenCity ausgesprochen teuer ist. Wir haben hier die Situation, dass wir den Hochwasserschutz gewährleisten müssen, das heißt, alle Häuser müssen auf sieben Meter 50 über Normal-Null stehen. Wir müssen viele Kaimauer-Sanierungen durchführen, und dazu kommt noch die Innenstadt-Lage der HafenCity, die die Marktpreise ohnehin nach oben treibt. Es ist also außerordentlich schwierig, hier Wohnen anzubieten für ganz günstiges Geld. Das heißt, das müsste eben in hohem Maße subventioniert werden."

Solche Subventionen will Hamburg lieber in andere Stadtteile pumpen. Um den Vorwurf des Luxus-Quartiers zu entkräften, verweist der HafenCity-Soziologe gerne auf die Baugenossenschaften, die hier ja schließlich auch zum Zuge gekommen seien.

"Wir haben also ein ganz breites Spektrum unterschiedlicher Bauherren hier, von Genossenschaften über Baugemeinschaften über Bauherren, die eben im Luxussegment bauen, wie auch Bauherren, die eben eher im Mittelpreissegment bauen, so dass wir da eben doch eine gewisse Bandbreite haben unterschiedlicher sozialer Milieus, auch unterschiedlicher Altersgruppen: Wir haben hier Familien mit Kindern, wir haben genauso Senioren. Es wird ein Gebäude eröffnet, was ganz speziell auf seniorenorientiertes Wohnen ausgelegt ist mit Serviceangeboten."

Hamburg versucht, aus den Fehlern von Barcelona, London und anderen europäischen Städten zu lernen, die ebenfalls brache Hafenflächen bebaut haben. Deshalb gibt es in der HafenCity keine reinen Wohnsiedlungen oder ausschließliche Büroquartiere. Vielmehr legt die Stadt Wert auf eine Mischung von Wohnen, Arbeiten und Freizeit. Allerdings wird auch in Hamburg der einträglicheren Büronutzung Vorrang eingeräumt. Einem Anteil von 36 Prozent an Wohnraum stehen 55 Prozent an Büros gegenüber. Etwa 2.500 Menschen arbeiten schon heute in der HafenCity. So zum Beispiel in Weltkonzernen wie dem Softwareentwickler SAP oder dem Logistikhersteller Kühne & Nagel. Auch der Spiegel-Verlag oder der Schiffsversicherer Germanischer Lloyd wollen hier ihre Firmenzentralen errichten.

Neben den vielen Single-Haushalten sind die sogenannten "Empty Nesters" eine typische Gruppe von Bewohnern in der HafenCity. Das sind Ehepaare, deren Kinder schon aus dem Haus sind. Dazu gehören auch die Referentin im öffentlichen Dienst, Susanne Wegener, und ihr Mann. Die beiden haben ihre Wohnung über eine Baugenossenschaft gemietet.

"Diese Wohnungen hier finde ich toll, weil sie absolut hell sind. Hier fließt ja viel Licht rein, die Fenster gehen bis zum Fußboden, man hat keine Fensterbänke, es ist immer hell, und es spiegelt sich die Sonne hier von allen Seiten, selbst wenn sie nicht direkt hier rein fällt, sie bricht sich aber in den anderen Glasfenstern. Ich habe sonst nicht so hell gewohnt, mit so viel Fenstern und Glas um mich herum, was auch zum Anfang ein bisschen gewöhnungsbedürftig war, weil wir uns alle sehr beobachtet und kontrolliert fühlten. Ich kann sofort sehen, ob die Nachbarn zu Hause sind, bis hin, dass ich sehen kann, was die für ein Fernsehprogramm gucken."

Als die 58-jährige Sozialpädagogin hier vor zweieinhalb Jahren einzog, wollte sie sich eher abschotten - wie alle anderen auch. Mittlerweile genießt sie, wie sie sagt, das "Wohngemeinschaftsgefühl", das sich breitgemacht habe. Zu dem "Wir-Gefühl" hat auch ein Gemeinschaftsraum beigetragen. Den können die Mieter und auch Nachbarn aus anderen Häusern für Lesungen, Vorträge und Kaffeekränzchen nutzen. Eine so innige Nachbarschaft hat Susanne Wegener seit ihrer Kindheit nicht mehr erlebt. Wenn sie von ihrer neuen Wohnung erzählt, trifft sie nicht selten auf Vorurteile.

"So Vorurteile, dass ich schon beispielsweise im Bekanntenkreis oder auf der Arbeit angefangen habe, mich zu rechtfertigen, dass ich hier wohne, weil mir automatisch unterstellt worden ist, dass ich irgendwie so eine abgehobene Tussi bin, die irgendwie nicht bis drei zählen kann oder an nichts oder niemandem Interesse hat oder einfach auch nur stinkreich ist. Was einfach nicht stimmt, weil die Genossenschaftswohnungen hier sind nicht anders zu bezahlen als in anderen Stadtteilen auch."
Die Mieten für die Genossenschaftswohnungen liegen pro Quadratmeter zwischen 9,50 Euro und 12 Euro. Das sind Preise, die man sonst auch in der Hamburger Innenstadt bezahlen muss, erzählt ihr Nachbar Michael Klessmann. Der IT-Fachmann hatte das Glück, unter 900 Bewerbern eine der elf Wohnungen seiner Genossenschaft zu bekommen. Stolz zeigt er den Ausblick aus seiner Wohnung.

"So einen Blick hat man, glaube ich, selten mitten in Hamburg. Also man guckt praktisch von der Front aufs Kreuzfahrtterminal, und wenn man ein bisschen um die Ecke guckt, auf den Sandtorhafen. Und hinten guckt man über die Elbe und man hat eigentlich permanent Wasser im Blick. Auch in den Reflexionen der Fenster der anderen Häuser sieht man zu jeder Tageszeit Wasser, teilweise auch zur Nachtzeit."

Klessmann gibt im Quartier die HafenCity-News heraus, die er ehrenamtlich über das Internet verbreitet. Das ist eine Art Lokalzeitung, die sich um die Interessen der Bewohner kümmert. So kritisiert er den Lärm der vielen Großveranstaltungen, die hier fast jedes Wochenende im Sommer stattfinden, stellt neue Nachbarn oder Restaurants vor, informiert über Straßensperrungen oder berichtet über den Baufortschritt. Andere Bewohner haben Internet-Foren eingerichtet, über die sich alle austauschen können.

Beim Grillfest, das die Bewohner im Innenhof ihres Hauses organisiert haben, werden viele Erinnerungsfotos gemacht. Unter den Gästen sind auch Dave Storey, seine Frau Christie und ihre drei kleinen Jungen. Der Softwareentwickler aus Kalifornien ist vor eineinhalb Jahren nach Hamburg gezogen. Bei der Wohnungssuche im Internet ist er auf die HafenCity gestoßen und gleich hängen geblieben. Sein Kalkül, schnell Kontakt zu finden, weil hier alle Bewohner neu sind, ist aufgegangen. Eine große Fünf-Zimmer-Wohnung konnte die kinderreiche Familie allerdings nur im Erdgeschoß finden. Belustigt erzählt Dave von den ersten Wochen, als die Touristen ihnen auf die Pelle gerückt seien.

"Zuerst hatten wir keine Fenstervorhänge. Das war ein echtes Problem. Das war wie in einem Meereszentrum zu sein. Zuerst hatten wir gedacht, wir sollten Schilder im Fenster aufhängen: Warnung! Bissig! Amerikaner! Weil die Leute kamen immer genau ans Fenster und schauten herein. Beim Frühstück schauten die Leute immer rein. An einem schönen Sonntag waren es vielleicht 200 Leute, die vorbeikamen, so wie ein Tierpark."

Die Kinder des Amerikaners gehen gerne auf die "Schatzinsel". So heißt der Spielplatz in der HafenCity. Eigentlich sollte dieser Spielplatz erst 2011 gebaut werden, weil die Planer erst dann verstärkt mit dem Zuzug von Familien gerechnet haben. Aber schon jetzt leben mehr als 50 Kinder in dem neuen Stadtteil. Anders als erwartet hätten sich diese jungen Familien sogar die teuren Wohnungen in den Designer-Häusern gekauft und nur wenige seien zur Miete in die Genossenschaftswohnungen gezogen. Für den HafenCity-Soziologen Menzl ein Beleg, dass das Konzept der Stadt aufgeht. Mit dem neuen Quartier könne die Stadt den Wegzug der kaufkräftigen Haushalte ins Umland stoppen.

"Wenn man noch einmal aus der stadtpolitischen Perspektive diese Entscheidung betrachtet, dann muss man sagen, dass es für jede Großstadt von großem Wert ist, für diese Einkommensgruppen auch attraktive Wohnungen anzubieten, weil damit natürlich auch Leute in der Stadt gehalten werden, die ansonsten das Potential hätten, ins Umland zu ziehen und dann eben als Steuerzahler, aber eben auch in Form von Akteuren, die sich einbringen bei der Gestaltung des sozialen Lebens, verloren gehen."

Durch das vorgezogene Spielplatz-Projekt ermuntert, haben die Eltern sogar die Initiative für ein Spielhaus ergriffen. In diesem Haus sollen ihre Kinder auch im Winter oder bei schlechtem Wetter spielen können. Die Unternehmensberaterin Elisabeth Mürnseer, die ihre schöne Altbauwohnung in Winterhude aufgegeben hat, um in das neue Quartier zu ziehen, hat dieses Angebot der HafenCity für ihre einjährige Tochter Lilia Marie gerne genutzt.
"Sie haben uns beteiligt an der Planung und haben dadurch auch eine Elterngemeinschaft geschaffen. Wir haben uns kennengelernt in der HafenCity als Eltern, haben inzwischen auch einen Elternverein gegründet, der im Moment im Begriff ist, ein Spielhaus zu planen eben an diesem Spielplatz auch. Ich denke, das sind alles Zeichen, dass hier Leute wohnen, die wirklich darin leben wollen, auch ein soziales Leben führen wollen, und diese HafenCity nicht als Investmentmöglichkeit sehen in erster Linie."

Wer wie die Hafen-City-Gesellschaft einen lebendigen, urbanen Stadtteil schaffen möchte, muss auch Ärger in Kauf nehmen. So stören sich einige Bewohner am lauten und manchmal auch aggressiven Fahren der Skater, die auf den Magellan-Terrassen ein ideales Übungsgelände gefunden haben. Der riesige Platz vor der Kulisse des Museumshafens zieht Skater aus ganz Hamburg an, erzählt der 16-jährige Mike Buschfeld.
"Hier kann man schön skaten. Ich muss als erstes einmal sagen, es ist die Location, das Umfeld hier, das ist ja schon mal sehr beeindruckend. Dann geht es in erster Linie ja mal darum, dass der Boden hier sehr schön ist und dass es hier viele Kanten gibt - das, was eben ein Skater so braucht."

Die öffentlichen Plätze der HafenCity sind für jedermann zugänglich. Das soll auch so bleiben, sagt der HafenCity-Soziologe Marcus Menzl. Es sei geradezu erwünscht, dass auch Skater oder Basketballspieler aus anderen Stadtteilen in die HafenCity kommen und die Plätze nutzen. Allerdings müssten sie sich an Spielregeln halten und die Nachtruhe der Bewohner respektieren. Das versuche er in Gesprächen zu erreichen.
"Wer hier in die HafenCity zieht als Bewohner, muss Kompromisse machen, der muss damit leben, dass es hier eben auch Skater gibt, dass es eben öffentliche Nutzungen gibt, aber auch die Nutzer auf den Plätzen müssen Kompromissbereitschaft zeigen, sonst geht das eben auch nicht."

Die ehemalige Richterin am Europäischen Gerichtshof, Ninon Colneric, hat von ihrem Balkon einen phantastischen Blick in den neu gestalteten Sandtorhafen. Vor zwei Jahren hat die 60-Jährige ihre loftartige Wohnung mit Elbblick und Südlage in der HafenCity gekauft. Weil es ihre Alterswohnung sein soll, hat sie nicht auf den Cent geschaut. Das Industrieambiente im Hafen erinnert sie an das Ruhrgebiet, wo sie neben einer Kokerei aufgewachsen ist. Dass die Luft in der HafenCity durch die Abgase der großen Kreuzfahrtschiffe manchmal etwas verqualmt ist, stört sie nicht. Der Lärm macht ihr nichts aus, und auch die Geschäftigkeit des neuen Stadtteils mit seinen vielen Veranstaltungen schreckt sie nicht ab.

"Das nehm ich auch in Kauf. Das hab ich mir fürs Alter auch so vorgestellt, dass ich dann hier auf meinem Balkon sitze und hab einen Logenplatz für all diese Veranstaltungen."

Eigentlich liebt Ninon Colneric die Anonymität der Großstadt. Dennoch hat die passionierte Kunstsammlerin in der HafenCity viele Menschen mit gleichen Interessen kennengelernt. Nach einem Hauskonzert hat sie mit einer Opernsängerin, einem Regisseur und einem Piloten die "Kunstkompanie" gegründet. Der Verein will im nächsten Jahr eine Skulpturenmeile mit renommierten Bildhauern in dem Quartier installieren. Über die Freude an der Kunst sind längst Freundschaften entstanden.

"Wir leben ja hier zum Beispiel ziemlich exponiert. Sie sehen hier keine Fenstervorhänge. Man lässt sich da einfach reingucken, und man guckt raus. Es ist nicht kuschelig. Als mich mal jemand hier besuchte, da sagte er, ist ja schön, aber ist das gemütlich? Nein, gemütlich ist es nicht, aber ich lebe hier gerne."

Gerade hat die Juristin einen Ruf nach Peking bekommen. Dort wird sie für fünf Jahre als Ko-Dekanin der Europe China School of Law arbeiten. Ein- bis zweimal im Jahr will sie Urlaub in ihrer HafenCity- Wohnung machen. Noch genießt sie den Pioniergeist im Quartier. Sie weiß aber, dass die jetzige positive Grundstimmung irgendwann Alltag werden wird.

"Man kann immer nur hoffen, dass es hält. Aber natürlich wandeln sich die Dinge, die Menschen werden nicht alle hier bleiben, und man weiß, wenn man ein bisschen älter ist, das man auch loslassen können muss."