Vom Zweiten Weltkrieg ins Atomzeitalter

Von Barbara Geschwinde · 06.08.2005
Mit dem Abwurf der ersten Atombombe am 6. August 1945 auf die japanische Stadt Hiroshima wurde das Ausmaß der Zerstörungskraft dieser neuen Waffe deutlich. Die nukleare Bombe birgt zudem ein Drohpotential, das die Beziehungen von Staaten untereinander beeinflusst - über den kalten Krieg bis heute; in einer Zeit, in der die so genannten Schurkenstaaten Atombomben bauen können.
" Britische und amerikanische Wissenschaftler haben endlich die Atombombe fertig gestellt. Die erste ist heute morgen über einer japanischen Stadt abgeworfen worden,"

meldete die BBC am 6. August 1945. Das Ziel des ersten Atombombenangriffs durch die US-Luftwaffe war die japanische Hafenstadt Hiroshima. Sie wurde am frühen Morgen, genau um acht Uhr fünfzehn, dem Erdboden gleichgemacht. Hunderttausende Menschen starben sofort, weitere Hunderttausend in den folgenden Jahren - an den Spätfolgen. Drei Tage später fiel die zweite Bombe - auf Nagasaki; auch dort mit verheerenden Folgen. Der amerikanische Präsident Harry S. Truman begründete den Einsatz der Atombomben nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges damit, dass er einen Einmarsch in Japan überflüssig gemacht, und somit das Leben von hunderttausenden amerikanischen Soldaten gerettet habe. Eine zynische Erklärung, wenn man bedenkt, dass die Angriffe die Zivilbevölkerung trafen; vor allem Mütter mit Kindern. Unter den Opfern waren aber auch zahlreiche koreanische Zwangsarbeiter und amerikanische Militärangehörige.

Am 14. August 1945 kapitulierte das faschistische Japan. Der Tenno, der japanische Kaiser, wandte sich einen Tag darauf zum ersten Mal in einer Radioansprache an sein Volk, um die Niederlage seines Landes einzugestehen:

" Was man ertragen muss, muss man ertragen."

Der Krieg war beendet; die Erkenntnisse über die Auswirkungen und langfristigen Folgen der Atombombenexplosionen wurden nach und nach offenbar. Das "Atomzeitalter" hatte begonnen. Eine Diskussion über das Für und Wider von Nuklearwaffen begann. Das Verhältnis der Staaten untereinander wurde neu geordnet. Die Menschen mussten fortan mit einer atomaren Dauerbedrohung leben. Der Physiker und Nobelpreisträger Hans Bethe über einen Testabwurf in der Wüste von New Mexico:

" Es war ein überwältigendes Erlebnis. Die erste Reaktion war, dass wir stolz waren, dass wir es fertig gebracht hatten. Die zweite Reaktion war: Um Gottes Willen! Was haben wir in die Welt gesetzt?"

Die Ängste der Wissenschaftler vor der Entwicklung einer deutschen Atombombe unter Hitler hatten die Arbeiten am Manhattan-Projekt vorangetrieben. Dennoch machten sich unter den Wissenschaftlern, nach dem ersten Testabwurf einer Atombombe in der Wüste von New Mexico, Bedenken und Zweifel breit. Widerstand formierte sich. Doch die militärische Entwicklung war nicht mehr aufzuhalten. Die USA wollten die UdSSR mit den Bombenabwürfen politisch beeindrucken und einschüchtern. So wurden in Japan hunderttausende Menschen geopfert, als Signal an den künftigen weltpolitischen Gegner. Der Publizist Ludger Lütkehaus hat ein Buch über das "Philosophieren nach Hiroshima" geschrieben:

" Alles was gegen den Einsatz der Bombe hätte sprechen können, wurde konsequent ignoriert, also im konkreten Detail, es ist im Juli 1945, also etwa einen Monat vor dem Abwurf der Bomben, der Notenwechsel des japanischen Außenministers mit seinem Moskauer Botschafter Sato abgefangen worden und entschlüsselt worden und dieser Notenwechsel signalisierte klar, dass der Kaiser, der Tenno, kapitulationsbereit war und die Russen um Vermittlung ersucht wurden. Die Amerikaner haben von der Information über die Kapitulationsbereitschaft keinerlei Notiz genommen."

Für die Atombomben-Opfer geht das Leiden bis heute weiter. In Japan gilt: "Immer verbirgt sich, was leidet." Das heißt, dass die Überlebenden aus der Gesellschaft ausgegrenzt wurden und sich auch selber isoliert haben. Zwar gibt es seit wenigen Jahren ein Entschädigungsgesetz, aber bis heute haben Krebskranke Mühe nachzuweisen, dass die Erkrankung eine Folge der Atombombenabwürfe ist. Ein Überlebender des Atombombenabwurfs auf Nagasaki, Kazuo Soda, bedauert, dass die japanische Regierung mit kollektiver Verdrängung reagiert:

" Ich denke, die japanische Regierung reagiert nur und agiert nicht. Wenn wir Druck ausüben, reagiert sie schon."

60 Jahre nach den ersten Atombomben-Abwürfen gibt es nur noch wenige Augenzeugen. Aber so wie in jedem Jahr seit 1946 wird auch in diesem Jahr die Friedensglocke von Hiroshima an die Katastrophe erinnern.