Vivian Maier

Der Ruhm kommt posthum

Selbstporträt der Fotografin Vivian Maier.
Selbstporträt von Vivian Maier © ©Vivian Maier_Maloof Collection
Von Robert Brammer · 08.02.2014
Heute hat auf der Berlinale ein Film Premiere über eine Einzelgängerin, die in ihrem Leben 100.000 Bilder fotografierte, aber keines veröffentlichte. "Finding Vivian Maier" heißt der Dokumentarfilm ‒ ihre Fotos sind die jüngste Entdeckung der Straßen-Fotografie.
Als die Fotografin Vivian Maier 2009 83-jährig starb, einsam und verarmt, kannte so gut wie niemand ihren Namen. Inzwischen steht die fotografische Autodidaktin in einer Reihe mit Diane Arbus oder Robert Frank. John Maloof hat ihre Fotos erst nach ihrem Tod entdeckt, auf einer Versteigerung. Ein Zufallsfund:
"I found this box, that was loaded with negatives. The auction-house told me the photographer. Her name was Vivian Maier."
Vivian Maier hat sich nie als Künstlerin gesehen. Nie hat sie ihre Bilder gezeigt, wusste aber, dass sie gut waren. Und hoffte vielleicht, dass da jemand käme, der sie nach ihrem Tod entdecken würde:
[Collage aus dem Film] "The History of Street photography is … Vivian Maier… In death she is getting the fame, that she never had in life. John Maloff is still working his way to all Maier’s negatives: My vision is to put Vivian in the history books."
Jetzt ist John Maloof auch filmisch ihren Lebenspuren gefolgt, wollte wissen, wer hinter diesem Werk steht. Er besuchte Familien, in denen sie über 40 Jahre lang als Kindermädchen gearbeitet hat. Vivian Maier lebte allein, war immer nur in ihren Gastfamilien zu Hause, in denen sie aber nie lange blieb. Ihr Alleinsein verwandelte Vivian Maier in eine foto-künstlerische Passion. Das war ihre Auseinandersetzung mit der Welt. Und das emotionales Ventil einer, wie sie in einer raren Selbstauskunft sagt, mysteriösen Frau:
"I am a mysterious woman."
Allein, nur mit ihrer Kamera, reist sie auf Passagierschiffen acht Monate lang um die ganze Welt. Und fast immer wurden ihre Fotos, obwohl nur flüchtige Momentaufnahmen, zu einer persönlichen Begegnung mit den von ihr Fotografierten. Nichts war choreografiert. Niemand posierte. Ihre zumeist schwarz-weißen Fotos versetzen den Betrachter noch heute in den Moment ihrer Aufnahme. Denn Vivian Maier blickte nicht durch das Kameraauge, sondern den Menschen direkt ins Gesicht. Ihre zweiäugige Rolleiflex-Kamera erlaubte ihr ein unbemerktes Fotografieren, es gab nur einen kurzen, unauffälligen Blick nach unten in den Sucher ihrer Kamera.
Mann reitet auf einem Pferd in New York, Fotografie von Vivian Maier
Die Fotografie "African-American Man on Horse NYC" von Vivian Maier.© ©Vivian Maier_Maloof Collection
In Fotos, Filmausschnitten und einigen wenigen Tonbandaufnahmen präsentiert sie sich als selbstbewusste, fast männlich-bestimmt auftretende Frau. Sie war groß und trug Armeestiefel. Und in ihrem Denken und auf ihren Fotos fühlt sie sich zeitlebens dem Schicksal armer Menschen verbunden.
Sie war, obschon in New York geboren, ein Kind des Exils, mit französischen Wurzeln. Oft unterschrieb sie mit unterschiedlichen Namen, verschleierte ihre Biografie, hatte kein Telefon und keine Adresse, unter der sie erreichbar war. Und kam zu jeder neuen Familie mit unzähligen Koffern, in denen sie ihre Negative verwahrte, über die sie aber nur beiläufig sagte: "Das ist mein Leben und das muss bei mir bleiben."
John Maloof hat Vivian Maiers Fotos und ihre Hinterlassenschaften auf einer Versteigerung aufgestöbert, sie weltweit bekannt gemacht und darüber auch einen wunderbaren Film gedreht. Posthum bekommt sie jetzt überall auf der Welt Ausstellungen und späte Anerkennung. Und alle, die ihre Fotos sehen, sind, so ihr Entdecker, angetan von Vivian Maier und ihrem Werk:
"Her work is being seen around the world. London, Germany, Denmark - and they're all embracing Vivian Maier."
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