Viele Empfänger, wenig Zahler

Von A. Baum, M. Watzke, G. Hellmich · 04.02.2013
Auf einer gemeinsamen Kabinettssitzung in Wiesbaden am 5. Februar wollen Bayern und Hessen die angekündigte Klage gegen den Länderfinanzausgleich beschließen. Beiden Geberländern stößt das Ausgleichsystem seit Langem auf. Besonders heikel ist eine zum ersten Mal in der Geschichte des Finanzausgleichs eingetretene Konstellation.
Der Länderfinanzausgleich aus Sicht des Bundes
Von Andreas Baum

Die Bundesregierung ist sich bewusst, dass seit einigen Monaten ein Fall eingetreten ist, der in der Geschichte der Bundesrepublik und ihres Ausgleichssystems neu ist. Es gibt nur noch drei Geberländer: Hessen, Bayern und Baden-Württemberg, alle anderen kassieren.

Für den Bund ist die Sache klar: Im Bundesfinanzministerium von Wolfgang Schäuble sieht man keinen Anlass, an der Routine des Länderfinanzausgleiches auch nur ein Jota zu ändern. Allein der Umstand, dass nur noch drei Länder zahlen, beweist gar nichts, das ist Schäubles Überzeugung. Und auch in der Opposition gibt es kein Verständnis für das Unbehagen der Bayern mit der Solidarität. Carsten Schneider, haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, sein Wahlkreis ist in Erfurt:

"Ja, da kann man sich sehr wundern, vor allem weil Bayern ja über Jahrzehnte enorm profitiert hat vom Länderfinanzausgleich. Und ich kann Ihnen nur sagen, Bayern hat auch enorm profitiert davon, dass wir in Thüringen gute Schulen haben. Denn die besten Abgänger sind danach bei Siemens oder in Nürnberg oder bei Audi, auch viele meiner Klassenkameraden, untergekommen.

Die sind eine Arbeitskraft, die die Bayern gar nicht mehr hätten herstellen können, und wir tun gut daran, die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse herzustellen und sie auch gelten zu lassen und ich interpretiere das in Bayern eigentlich mehr als ein taktisches Manöver als ein politisch-taktisches Manöver als ein inhaltliches."

Allerdings hat Bayern auch Argumente, die nicht von der Hand zu weisen sind. Die Nehmermentalität der armen Bundesländer habe sich schon festgesetzt, heißt es in München, und solange die Mittel fließen, werde sich keine Motivation entwickeln, für eigene Einnahmen zu sorgen. Bayern zahlt derzeit 3,9 Milliarden Euro ein, das entspricht in etwa der Summe, die allein Berlin dem Topf entnimmt, 3,3 Milliarden Euro.

Überhaupt ist die Hauptstadt mit ihren Schulden, mit ihren Planungsfehlern und Milliardengräbern ein beliebtes Beispiel für die Ansicht, dass Solidarität am Ende denen schadet, denen sie nutzen soll: Geldspritzen machen süchtig. Markus Söder, bayerischer Staatsminister für Finanzen, spielt nur zu gern den Advokat des Teufels, indem er sagt, lieber heute als morgen verzichteten wir auf die Zwangsabgabe, um das eigene Haus in Ordnung zu bekommen:

"Wir tilgen Schulden! Wir könnten noch viel mehr investieren im eigenen Land, und das Land noch stärker und wettbewerbsfähiger machen, wir müssen vier Milliarden abgeben, wenn man jetzt noch die Steuerumsätze dazu nimmt, also die Umsatzsteuerverteilung, gehen 15 Prozent des bayerischen Steueraufkommens weg nach Deutschland. Das ist schon sehr viel."

"Weg nach Deutschland" ... damit sind die Überweisungen an die anderen Länder gemeint. Dass Markus Söder den Freistaat nicht mehr zur Bundesrepublik zählt, ist nicht zu befürchten, aber eine gewisse Distanz zu den Nöten der anderen soll offensichtlich hörbar sein.

Auch wenn Söder nur zu gern den Schulterschluss mit den anderen südlichen Zahlern herbeireden würde, ganz gelingt das nicht – denn das grün-rot regierte Baden-Württemberg schert aus, Finanzminister Nils Schmid hält eine Klage für wenig hilfreich. Auch, weil der Ausgang ungewiss ist: Entscheidet Karlsruhe, dass die Gemeinden stärker bei der Berechnung berücksichtigt werden, würde Baden-Württemberg noch mehr zahlen. Und Nordrhein-Westfalen will den ganzen Transfer neu berechnen – in Wirklichkeit, heißt es aus Düsseldorf, gehöre man zu den Gebern, weil das Land 2,5 Milliarden Euro in den Mehrwertsteuerausgleich einbringt – mehr, als Bayern und Hessen zusammen.

Die Bundesregierung würde die Diskussionen lieber heute als morgen beenden. Sie hilft den Ländern und Kommunen nicht, die sich mit Begehrlichkeiten von allen Seiten auseinandersetzen müssen, sagt Christoph Bergner, Staatssekretär und Ostbeauftragter der Bundesregierung. Und die Kassen sind leer, gerade im Osten, so sei nun einmal die Realität:

"Die Länder brauchen Planungssicherheit. Und Bayern hat auch zugestimmt. Wenn sich also die Klage Bayerns darauf bezieht, dass man Pflöcke einschlagen möchte, was die Neuordnung des Länderfinanzausgleiches 2019 betrifft, naja, gut. Da steht uns ohnehin eine schwierige Diskussion bevor. Was aber den Zeitraum bis 2019 betrifft, finde ich, ist ein Infragestellen der bisherigen Vereinbarung problematisch und kontraproduktiv."

Bergner sieht sich als Sachwalter der neuen Länder: Ihnen jetzt per Gericht den Geldhahn zuzudrehen, hätte fatale Folgen. Es gibt ein Gesetz, und dem hat Bayern zugestimmt, so sagt es auch Karoline Linnert, Finanzsenatorin der Freien und Hansestadt Bremen. Auf den Finanzausgleich zu verzichten, wäre ein Verlust, auch für die Geberländer:

"Es ist ja so, dass der Grundgesetzgedanke, dass es in Deutschland im Wesentlichen gleiche Lebensbedingungen geben soll, nur erfüllt werden kann, wenn man - auf welchem Weg auch immer, darüber kann man sicherlich neu reden, wenn der Finanzausgleich ausgelaufen ist - für einen Ausgleich dafür sorgt, dass es einige Länder gibt, die sehr reich sind und mit sehr vielen Steuereinnahmen gesegnet sind, und dann gibt es andere, bei denen ist das nicht der Fall."

Die Länder, so der Bund, sollten am besten unter sich ausmachen, wie sie einen gerechten Ausgleich sicherstellen.


Die bayerischen Kläger wollen Steuerautonomie
Von Michael Watzke

Das Geber- und Klägerland Bayern will den Finanzausgleich nicht kippen, sondern den Umfang der Zahlungen reduzieren. Die Hauptstoßrichtung der bayerischen Klageschrift ist der Stadtstaat Berlin, dessen besondere Lasten als Bundeshauptstadt von den Ländern mitgetragen werden.

Wenn Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer über den Länderfinanzausgleich spricht, dann fährt er rhetorisch mächtige Geschütze auf und droht:

"Dass sich Bayern mit allen Mitteln gegen diese himmelschreiende Ungerechtigkeit wehrt, diesen Länderfinanzausgleich. Bescheuert und himmelschreiend."

Das Mittel der Wahl gegen die "himmelschreiende Ungerechtigkeit" ist eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Seit Monaten arbeiten bayerische und hessische Juristen und Staatsbeamte an dem mehrere Hundert Seiten langen Schriftsatz:

"Und da kommen auch sehr, sehr kreative Ideen. Pfiffig. Klug. Innovativ."

Genaueres war lange Zeit nicht zu erfahren aus den Staatskanzleien in München und Wiesbaden. Nun aber liegt Deutschlandradio Kultur erstmals ein Eckpunktepapier vor, das acht Grundsätze für die angestrebte Reform des bundesstaatlichen Finanzausgleichs benennt.

Das zentrale Element der Klage erklärt Bayerns Finanzminister Markus Söder mit einer Analogie aus der Bundesliga:

"Im Fußball gilt der Grundsatz: Schießt du Tor, bekommst du Punkt und Prämie. Im Länderfinanzausgleich gilt der Grundsatz: Schießt du Tor, bekommst du Punkte-Abzug. Das führt dazu, dass es in Deutschland keinen Anreiz gibt, stark zu sein. Wir haben Bundesländer wie Sachsen-Anhalt, die über Jahre hinweg sauber gewirtschaftet und gespart haben. Jetzt bekommen sie weniger aus dem Länderfinanzausgleich, obwohl sie fleißig sind."

Der bisher gültige Länderfinanzausgleich, verabschiedet im Jahr 2001 mit den Stimmen von CDU und CSU, berücksichtigt nur die Einnahmen der Bundesländer, nicht die Ausgaben. Das soll sich nach dem Willen Bayerns und Hessens in Zukunft ändern. So heißt es im Eckpunktepapier:

"Anstrengungen zur Pflege der eigenen Steuerkraft müssen belohnt, nicht bestraft werden. Zudem ist die Einbeziehung der Gemeindefinanzkraft mit derzeit 64 Prozent deutlich überhöht. Bei der Neujustierung muss die verstärkte Eigenständigkeit der Kommunen nachhaltig berücksichtigt werden."

Das ist vor allem den Bayern wichtig, weil die Kommunen im Freistaat sehr finanzkräftig sind. Dagegen sorgen die klammen Kommunen an Rhein und Ruhr dafür, dass Nordrhein-Westfalen vom Geber- zum Nehmerland geworden ist. Die Hauptstoßrichtung der bayerischen Klageschrift ist aber nicht NRW, sondern Berlin. Hier will Markus Söder den Hauptstadtstatus ändern:

"Warum soll es Aufgabe von Bayern, Baden-Württemberg oder Hessen, aber auch von Ländern wie Brandenburg oder Sachsen sein, dass sie zahlen müssen, damit Berlin nationale Aufgaben erfüllt? Dafür muss der zuständige Partner aufkommen, nämlich der Bund. Das ist eine Art Washington-DC-Lösung: Da werden die finanziellen Lasten auch im Wesentlichen vom nationalen Budget getragen. Das würde den Länderfinanzausgleich enorm entlasten. Und es würde enormen Dampf aus dem Kessel lassen, was die finanzielle Entwicklung betrifft."

Aber nicht nur Berlin, sondern auch die anderen Stadtstaaten Hamburg und Bremen stehen im Zentrum der bayerisch-hessischen Klageschrift. Sie genießen derzeit noch das Privileg der sogenannten "Einwohner-Veredelung". Das bedeutet: Bürger aus Stadtstaaten zählen beim Länderfinanzausgleich 1,35-mal so viel wie Bürger aus Flächenstaaten, weil der Gesetzgeber davon ausgeht, dass Städte höhere Kosten haben. Söder will das ändern:

"Man stelle mal einen Vergleich an zwischen München und Bremen. Oder München und Hamburg. Während München als Einnahmequelle zunächst mal nur die Gewerbesteuer hat und ansonsten auf Mittel angewiesen ist, die vom Land übertragen werden, kann beispielsweise Hamburg direkt an der Steuer partizipieren. Die bekommen die Erbschaftssteuer, die bekommen Teile der Einkommensteuer. Das bedeutet: Stadtstaaten in Deutschland sind absolut bevorzugt gegenüber jeder anderen Stadt. Das ist per se unfair. Es ist doch gar nicht einzusehen, warum ein Bremer, Hamburger oder Berliner mehr wert sein soll als ein Münchner, ein Nürnberger, Augsburger oder Würzburger."

Der Hinweis auf die Erbschafts- und Einkommensteuer ist für Söder einer der wichtigsten Punkte in der geplanten Klage beim Bundesverfassungsgericht. Der bayerische Finanzminister möchte mit einer Reform des Länderfinanzausgleichs mehr Steuerautonomie für Bayern erreichen. So könnte der Freistaat nach Plänen des Finanzministeriums die Erbschaftssteuer halbieren:

"Die Erbschaftssteuer ist das eine. Aber auch bei der Einkommens- und Lohnsteuer muss es eine Möglichkeit geben mit einem eigenen Zu- und Abschlagsmodell, damit man da auch steuern kann. Und natürlich auch die Grundsteuer. Denn da gibt es den Trend im Norden Deutschlands, nach Verkehrswerten zu gehen, wenn es um die Immobilienbewertung geht. Wir sagen: Bei den höheren Immobilienpreisen geht das nicht, das muss nach physikalischen Werten gehen. Weil sonst die Grundsteuer enorm nach oben wächst. Das wird eine Selbstbedienungs-Steuer für finanzklamme Kommunen. Auch da wollen wir eine Regionalisierung."

Eine solche Regionalisierung wäre der Einstieg in einen verschärften Steuerwettbewerb zwischen den Bundesländern. Ähnlich dem, der schon heute zwischen Deutschland und der Schweiz oder Belgien herrscht. Bayern könnte in einem solchen Wettbewerb aufgrund seiner soliden Staatsfinanzen mit niedrigen Steuersätzen locken:

"Wir können uns das nicht nur leisten, wir glauben sogar, dass das gerechter ist. Dann würde es nämlich auch eine Stärkung der mittelständischen Familien geben. Ich bin sicher, der eine oder andere, der in Stuttgart die doppelte Erbschaftssteuer zahlt, bleibt dann lieber in Bayern."

Die Opposition in Bayern hält einen solchen Steuerwettbewerb nicht nur für verfassungswidrig, sondern auch für populistisch. Volkmar Halbleib, der Finanzexperte der bayerischen SPD, weist auf die Landtagswahlen hin, die in diesem Jahr sowohl in Bayern als auch in Hessen anstehen:

"Deshalb ist da natürlich viel Schaulaufen dabei und Wahlkampf-Getöse. In der Sache wird eine Bundesverfassungsgerichts-Entscheidung bei der anschließend notwendigen Einigung der Länder nicht die große Rolle spielen. Es besteht sogar die Gefahr, nach unserer Einschätzung, dass sich die Situation für Bayern verschlechtern kann. Denn wenn man die kommunalen Einnahmen komplett mit einbeziehen würde, würden die Zahlungen Bayerns noch mal teurer werden."

Derzeit liegen die jährlichen Zahlungen Bayerns in den Länderfinanzausgleich bei 3,9 Milliarden Euro. Tendenz steigend. Finanzminister Söder will den Trend mit der Klage umkehren:

"Für uns gilt: auf keinen Fall mehr. Wir wollen weniger zahlen, wir wollen mindestens eine Milliarde pro Jahr einsparen. Möglichst noch mehr. Weil die Summen nach oben explodiert sind."


Die Berliner Empfänger verweisen auf Sparerfolge
Von Günter Hellmich

Berlin ist Spitze! Na klar: Mit mehr als 3,3 Milliarden Euro kassierte die Hauptstadt im letzten Jahr den Löwenanteil des Länderfinanzausgleichs. Rechnet man die Brandenburger mit ihren 542 Millionen dazu, dann ergibt sich in etwa die Summe, die das Münchner Finanzministerium in den Ausgleichstopf eingezahlt hat.

Bayern finanziert Preußen. Und die geben das im Süden hart erarbeitete Geld locker aus: für einen verkorksten Flughafen und kostenlose Kindertagesstätten. So in etwa die mediale Gefechtslage für die Berliner Landesregierung im wiederaufgeflammten Streit um Geben und Nehmen im föderalen System.

Berlin ist Spitze, sagen umgekehrt Finanzsenator und Regierender Bürgermeister. Sie verweisen auf die Sparerfolge des letzten Jahrzehnts: Nimmt man die Ausgabensteigerungen von 2001 bis 2011 – dann hat Berlin mit 2,4 Prozent die geringste Zuwachsrate Bayern mit 25 Prozent die dritthöchste – übertroffen allerdings immer noch vom Saarland und Spitzenreiter Hessen mit 28,9 Prozent. Ganz stolz ist man in Berlin, dass im letzten Jahr sogar schwarze Zahlen geschrieben werden konnten. Statt wie eingeplant eine halbe Milliarde neuer Schulden aufzunehmen, konnte mit der Tilgung begonnen werden.

Klaus Wowereit, der gute Nachrichten derzeit brauchen kann, ist nicht nur zufrieden, sondern will auch weiter sparen:

"Das Thema Haushaltskonsolidierung ist für uns nicht erledigt. Wir freuen uns, dass wir im letzten Jahr in der Lage waren, ohne Nettokreditaufnahme auszukommen und sogar im Bereich von 300 Millionen Euro Schulden zurückzuzahlen. Dies ist ein Erfolg."

Finanzsenator Ulrich Nussbaum, parteilos, aber auf SPD-Ticket im Berliner Senat, weiß natürlich, dass niedrige Zinsen und hohe Steuereinnahmen nicht ewig halten müssen. Auch sein Vorgänger Thilo Sarrazin hatte 2007 und 2008 schon mal schwarze Zahlen geschrieben. Dann kamen die Krise und neue Schulden. Die jetzt angekündigte Klage Bayerns und Hessens gegen den Finanzausgleich kann er allerdings nur Wahlkampfmaßnahme verstehen – denn eigentlich ist alles geregelt:

"Wir haben mit Bayern und dem Bund im sogenannten Stabilitätsrat ja vereinbart, dass unsere Haushaltsführung jedes Jahr einmal überprüft wird. Das kommt auf den Prüfstand. Und wir haben zugesagt, unser strukturelles Defizit bis 2020 abzubauen. Ein strukturelles Defizit von immerhin zwei Milliarden. Das sind zehn Prozent unseres Haushaltsvolumens. Aber, wir haben schon im letzten Jahr einen Überschuss gemacht. Wenn wir in Berlin weiter diesen Kurs halten, den ich als Finanzsenator, aber auch gemeinsam mit dem ganzen Senat diesem Land verschrieben habe, dann ist mir darum nicht bange."

Die politische Gemengelage ist für die unionsgeführten Klageländer natürlich insofern auch kompliziert, als dass die CDU ja mit im Berliner Regierungsboot sitzt und für den unterstellten Saus und Braus mit verantwortlich ist. Was sagt CDU-Fraktionschef Florian Graf seinen klagenden Parteifreunden:

"Also, dem Parteifreund sage ich erstmal, seit die Union regiert, seit 2011, haben wir es erstmal geschafft, in der Haushalts- und Finanzpolitik einen Wechsel hinzubekommen. Wir haben das erste Jahr jetzt 2012 geschafft, Schulden zu tilgen. Wir steigern die Einnahmen kontinuierlich. Wir halten die Ausgaben auf null. Und deshalb würde ich meinen Parteifreunden im Süden der Republik sagen, das ist auch ein gutes Zeichen, dass Berlin sich darum kümmert, mit solider Finanzpolitik den Schopf auch selber aus dem Schlammassel herauszuziehen."

Nicht nur der Koalitionspartner, sondern auch Grüne und Linke unterstützen vom Prinzip her Nussbaums Konsolidierungskurs. Allein bei den Piraten regt sich derzeit Widerstand. Der Abgeordnete Heiko Herberg:

"Ich persönlich finde, das ist ein Skandal, wenn hier ein Haushalt 2012/2013 dazu führt, dass in einem Bezirk nicht genug Schulen gebaut werden und die 300 Millionen, die übrig sind, am Ende in die Schuldentilgung fließen und wir am Ende Schulkinder haben, die wir durch die halbe Stadt jagen, damit sie ordentlich Schulunterricht bekommen. Das ist für mich ein Skandal."

Fehlende oder sanierungsbedürftige Schulbauten sind nicht das einzige Problem. Alles hat zwei Seiten, auch der über elf Jahre erfolgreiche Sparkurs Wowereits. Mit dem gern zitierten Motto: "Sparen, bis es quietscht". Die Schlaglöcher findet man eben nicht nur auf Berlins Straßen. Das öffentliche Personal ist unterbezahlt, als Arbeitgeber ist das Land für qualifizierte nicht mehr wettbewerbsfähig. Die schrittweise Anpassung der Gehälter an das bundesweite Niveau könnte teuer werden.

Festgelegt hat man sich auch auf die Bekämpfung der Mietpreissteigerungen durch eine Ausweitung des Angebots, hier drängt die SPD mit ihrem neuen Landesvorsitzenden Jan Stöß:

"Wir haben das konkrete Ziel vorgesehen, bis zum Jahr 2020 340.000 Wohnungen im öffentlichen Besitz zu haben und dies primär durch Neubau zu verwirklichen."

Ebenso dringend ist der Wunsch der linken Mehrheit in der SPD, Versorgungsbetriebe zu kommunalisieren, vom Wasser, über die Stromversorgung bis zur S-Bahn. All das könnte mehr Geld kosten als die eingeplanten 0,3 Prozent Ausgabensteigerung. Und dann wären da ja noch die zusätzlichen Ausgaben für den Flughafen, die von Berlin, Brandenburg und dem Bund gemeinsam zu tragen sind. Völlig unkalkulierbar auch, ob das Zinsniveau für Berlin so schuldengünstig bleibt wie jetzt, wo 2012 gut zwei Milliarden für den Schuldendienst ohne Tilgung fällig wurden.

Hier wäre eine Möglichkeit, bei einer Neuverhandlung des Länderfinanzausgleichs Abhilfe zu schaffen, ein Altschuldentilgungsfonds muss her meint, Berlins Finanzsenator. Statt den Streit nun in Karlsruhe auszutragen, sollten bei der ohnehin fälligen Neuregelung des Länderfinanzausgleichs alle föderalen Finanzströme berücksichtigt werden, meint Nußbaum, der auch schon in Bremen als Finanzsenator mit diesem Problem befasst war:

"Das hatten wir uns eigentlich vorgenommen, dass wir einmal unvoreingenommen uns als Länderfinanzminister anschauen, welche Transfers finden denn in der Bundesrepublik Deutschland überhaupt statt. Wer profitiert wo? Also, Berlin profitiert kaum von der Bundeswehr. Also, die großen Bundeswehrstandorte sind beispielsweise in Bayern. Der Verteidigungsetat ist über 30 Milliarden. Wo gehen diese Gelder hin? Wo werden die Autobahnen gebaut? Wer profitiert von der Solarförderung? Bei der Solarförderung ist klar, die Berliner sind Nettozahler über den Strom und die Bayern und die Baden-Württemberger profitieren. Dafür profitieren wir im Länderfinanzausgleich."

Die Liste ließe sich ergänzen. Zum Beispiel um die Hauptstadtfinanzierung des Bundes, für die Berlin besondere Zuwendungen erhält für Sicherheit und Kultur. Mittlerweile hat sich aber herausgestellt, dass die tatsächlichen Aufwendungen insbesondere für den Sicherheitsbereich längst nicht ausreichen. Ein Zuschussgeschäft für den Senat. Auch hier muss neu verhandelt werden.
Carsten Schneider, haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion
Carsten Schneider, haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion© picture alliance / dpa / Soeren Stache
CSU-Chef Horst Seehofer in Wildbad Kreuth
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer, CSU© picture alliance / dpa / Tobias Hase
Bayerns Finanzminister Markus Söder, CSU
Bayerns Finanzminister Markus Söder, CSU© picture alliance / dpa
Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit gestikuliert in einer Sitzung mit dem linken Zeigefinger.
Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD)© picture alliance / dpa / Michael Kappeler
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