Victor Klemperers Nachkriegstagebücher (4/4)

Oktober bis Dezember 1945

Blick auf das ehemalige Wohnhaus von Victor Klemperer in Dresden. Die 1995 erschienenen Tagebücher "Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten" von Victor Klemperer gelten als eine der eindrücklichsten Schilderungen des Nationalsozialismus von 1933 bis 1945.
Blick auf das ehemalige Wohnhaus von Victor Klemperer in Dresden. © picture alliance / dpa / Matthias Hiekel
Gelesen von Gerry Wolf · 26.07.2015
Im Hause Klemperer fällt die Suppe karg aus und muss dazu noch mit manchem Gast geteilt werden. Immerhin wird Klemperer wieder Ordinarius, verliert jedoch die vorteilhafte Schwerarbeiterkarte. Er gilt als Arbeiter. Im November liegen die Aufnahmepapiere in die KPD vor ihm.
Der Herbst in Dölzschen ist trüb, "Kältenot" kündigt sich an, der Strom fällt oft aus. Der Romanist legt "Tipptage" ein und schreibt Stellen aus seinen Aufzeichnungen ab über die Sprache des Dritten Reiches, die Lingua Tertii Imperii.
Im Radio hört er die Sprache des Vierten Reiches, die Lingua Quartti Imperii. Bei der "Hilfsstelle für Opfer des Faschismus" weist man ihn ab, nur politische KZler und Aktivisten erhalten Unterstützung. Manche Bekannte pflegen "Fressbeziehungen".
Im Hause Klemperer fällt die Suppe karg aus und muss dazu noch mit manchem Gast geteilt werden. Immerhin wird Klemperer wieder Ordinarius, verliert jedoch die vorteilhafte Schwerarbeiterkarte. Die Kategorie wird dreigeteilt in Schwerstarbeiter, Schwerarbeiter und Arbeiter, und der Professor rutscht von der ersten Stelle der Kartenhierarchie auf die dritte. Er gilt als Arbeiter. Im November liegen die Aufnahmepapiere in die KPD vor ihm. "Bin ich feige, wenn ich nicht eintrete? ( ... .) Bin ich feige, wenn ich eintrete?"
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