US-Amerikaner in Deutschland

Heimweh nach Bier aus Maryland

Matthew Walthall probiert sein Bier.
Matthew Walthall probiert sein Bier. © Foto: Vagabund Brauerei
Von Christina Rubarth · 25.10.2016
Viele US-Amerikaner leben und arbeiten in Deutschland. In dieser Woche stellen wir vier US-Amerikaner vor. Heute begleiten wir einen Selfmade-Bierbrauer: Matthew Walthall hat seit ein paar Jahren seine eigene Craft-Beer-Brauerei mitten in Berlin-Wedding.
Was hier rattert ist eine Schrotmaschine, die Malz zerkleinert. Matthew Walthall, kurz Matt, in Gummistiefeln und Schürze überm weißen T-Shirt trägt Ohrenschützer gegen den Lärm. Vielleicht 20 Quadratmeter groß ist der hell-geflieste Erdgeschoss-Raum mit Blick in den Hinterhof. Auf der Glastür zum Schankraum steht in milchigem Weiß "Vagabund Brauerei", gegründet 2011.
Matthew Walthall: "Ich hab viel selbst gebaut in dieses System, es ist relativ ähnlich wie ein größere Hobbybrauer-System. Das ist typisch für ein kleine amerikanisches Craft-Brauerei."
Hinter Matt stehen drei große Edelstahlkessel auf einem Podest, die beiden äußeren sind mit dicken Schläuchen über eine Pumpe verbunden.
"Viele deutsche Brauer kommen und gucken und haben überhaupt keine Ahnung, wie das funktioniert. Für die ist es zu einfach und gleichzeitig zu kompliziert."
In einem der Kessel hat Matt Wasser erhitzt, fügt jetzt das geschrotete Malz hinzu, mischt beides mit einem meterlangen Rührstab. Seit fünf Jahren braut Matt, Mitte 30, zusammen mit zwei Freunden sein eigenes Bier in Berlin-Wedding. Der Grund: Ausgerechnet in dem Land, das so viel auf seine Biertradition hält, haben die drei eine Art Heimweh nach richtig gutem Bier.
"Ich konnte bei einer Tankstelle in meiner Mutters kleinem Dorf in Maryland Bier von den ganze Welt kaufen. Hier in Berlin wir haben überall gesucht. Ein paar Läden hatten Flaschen von Belgien und USA, aber dann die hatten total staubig und ganz weit weg von die Frischegeschmack von diese Bier."

Nachhilfe über Youtube-Videos

Matt pumpt das Wasser/Malz-Gemisch, die sogenannte Maische, einen Kessel weiter. Vor knapp zehn Jahren entsteht die Craft-Beer-Idee. Es folgen Selbstversuche, Nachhilfe per Youtube-Videos. Und dann der Schritt in die Selbständigkeit. In den USA ist sein eigener Boss sein viel weiterverbreitet als in Deutschland, findet Matt. Jetzt wird der Sud geläutert. Übersetzt heißt das: Die Maische wird gefiltert. Damit die Würze rauskommt.
Im Brauraum kommt erst Hopfen, später dann Hefe in den Sud. Über Rohre läuft der dann eine Etage tiefer in die Gärtanks im Keller. Matt quetscht sich vorbei an Kisten und Kästen - vom deutschen Ayinger in Flaschen bis zum Liberty Ale in Dosen aus San Francisco. Im Kühlraum ist es genauso voll. Dicht an dicht stehen die schwarzen und metallenen Fässer, die jüngsten direkt hinter der schweren Tür, die fertigen Biere nah an der Wand mit direktem Zapfanschluss nach oben in den Schankraum.
"Das ist so wie ein Glacier in 2,3 Wochen wir drücken die ein bisschen hier in diese Richtung."
Auch die wichtigste Zutat, der Hopfen, wird hier kühl gelagert. Den kaufen die Vagabund-Brauer nicht nur in Deutschland, sondern auch in den USA, in England, sagt Matt, aber auch in Neuseeland und Japan.
"Hopfen sind ähnlich wie Weintrauben für Wein. Es hat viel zu tun mit die Klima und Terra und sowas. Amerikanische Hopfen aus Kalifornien, tolle Citrus- und Grapefruit-Aroma und Geschmack. Hier in Deutschland, die gleiche Hopfensorte schmeckt wie Gras und Kräuter oder so."

Sechs Wochen gärt das Bier

Mindestens sechs Wochen gärt das Bier, bis es eine Etage höher aus dem Zapfhahn fließt. Ein paar Stunden später. Matt – jetzt im Holzfällerhemd - sitzt am Tresen, vor ihm ein Glas Bier, hinter ihm der Taproom/der Schankraum. Vier Biere gibt es jeden Tag zur Auswahl. Wenn ein Fass leer ist, kommt ein neues.
"Wir haben Freunde, die haben eine kleine Brauerei in Bundesland West Virginia. Zehn Minuten weiter beim Auto in Maryland die haben auch ein Restaurant. Die dürfen nicht das Bier von die Brauerei in West Virginia über die Grenze zu ihre eigene Restaurant in Maryland."
In Deutschland ist Brauer ein zulassungsfreies Handwerk. Jeder kann seine eigene Brauerei aufmachen. In den USA würde er den Schritt zum Craft-Beer-Brauer nicht gehen, sagt Matt. Weil die bürokratischen Hürden sehr hoch sind. Weil es zu teuer ist – jeder Bierbrauer muss eine Art Kaution zahlen, bevor er loslegen darf - und, weil die Regeln für Bierbrauer streng sind.
Als die drei Gründer keinen Kredit für ihre Brauerei-Idee bekommen, starten sie eine Crowdfunding-Kampagne. Und die beweist: Immer mehr Menschen haben Lust auf Bier, das anders schmeckt als das Mainstream-Pils der großen deutschen Brauereien. Und trotzdem gibt es immer wieder große deutsche Traditionsbrauer, die die Craft-Beer-Bewegung nur als Trend sehen, sagt Matt. Denen kontert er dann gerne mit einem Fakt aus seiner Heimat: In den USA wird schon seit 30 Jahren selbst gebraut, als Antwort auf die vielen langweilen Industriebiere. Und es ist kein Ende in Sicht.
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