UNESCO-Preis für Pressefreiheit

Forderung nach Freilassung des Syrers Mazen Darwish

Gefängnisschlüssel im Torschloss einer Zelle
Gefängnisschlüssel im Torschloss einer Zelle © dpa / picture alliance / Ingo Wagner
Verena Metze-Mangold im Gespräch mit Miriam Rossius · 25.04.2015
Der syrische Journalist Mazen Darwish sitzt seit 2012 im Gefängnis. Denn er berichtete über verhaftete und verschwundene syrische Publizisten. Verena Metze-Mangold von der Deutschen UNESCO-Kommission fordert einen weltweiten öffentlicher Druck für seine Freilassung.
Der Syrer Mazen Darwish wird am Samstag in Abwesenheit mit dem Preis der Luther-Städte "Das unerschrockene Wort " und am 3. Mai mit dem Preis für Pressefreiheit der UNESCO ausgezeichnet. Die Präsidentin der Deutschen UNESCO-Kommission, Verena Metze-Mangold, hofft dabei auf eine größtmögliche Öffentlichkeit, um den seit 2012 vom Assad-Regime in Haft gehaltenen Menschenrechtsanwalt und Journalisten freizubekommen.
Mazen Darwish habe mit seinem "Syrischen Zentrum für Medien- und Meinungsfreiheit" (SCM) die internationale Öffentlichkeit in Kenntnis darüber gesetzt, was mit Journalisten oder Bloggern in Syrien geschehen ist. "Das war das Vergehen, für das er tatsächlich festgesetzt wurde", sagte Metze-Mangold im Deutschlandradio Kultur.
Seit der Verhaftung 2012 ist so gut wie nichts mehr über seine Lage bekannt
Über Mazen Darwishs aktuelle Lage sei Berichten der UNESCO zufolge nur bekannt, dass das Gerichtsverfahren gegen ihn mehrfach verschoben wurde, nachdem der vor mehr als drei Jahren gemeinsam mit Redaktionsmitarbeitern verhaftet wurde, sagte Metze-Mangold weiter.
Druck auf Regierung Assad durch UN-Resolution und weitere Aktionen
Mit Aktionen wie der öffentlichen Verurteilung könnten Institutionen wie die UNESCO dazu beitragen, die Politik zu sensibilisieren und Druck auf Regierungen auszuüben. Daneben setze die UNESCO auch auf multilaterale Gespräche hinter verschlossenen Türen, um den inhaftierenden Regierungen klarzumachen, dass solche Verhaftungen schädigend für das Ansehen und das Image ihres Landes in der Weltgemeinschaft seien. Für die öffentliche Aufmerksamkeit und Initiativen außerhalb der Institutionen seien Bilder, wie sie von der öffentlichen Auspeitschung des in Saudi-Arabien zu zehn Jahren Haft und 1000 Peitschenhieben verurteilten liberalen Bloggers Raif Badawi existierten "enorm wichtig", erklärte Metze-Mangold.
Größtmögliche Öffentlichkeit und weltweites Eintreten für seine Freilassung
Insbesondere das "wunderbare Instrument des Internets" könne dazu beitragen, "dass wir uns weltweit um den Globus herum vernetzen und für Leute tatsächlich aufstehen," betonte Metze-Mangold. Indem die tatsächliche Geschichte" des Rechtsanwalts Mazen Darwish wahrheitsgemäß öffentlich erzählt werde, könne der Macht des inhaftierenden Regimes etwas entgegengesetzt werden: "Was hat er gemacht, um in seinem Land die Missstände aufzudecken. (...) Der hätte auch nach London auswandern können. (...) Das zu erzählen, bringt eine öffentliche Wahrnehmung, wie ein Mensch von Leidenschaft gepolt sein muss, um sich einer solchen Gefährdung auszusetzen. (...) Und wir müssen ihm dann solidarisch den Rücken stärken."
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Das vollständige Interview im Wortlaut:
Miriam Rossius: Syrien und der Bürgerkrieg sind immer wieder Thema in den Medien, und trotzdem wissen wir im Grunde wenig darüber, auch wir Journalisten. Wir wissen wenig über Menschen wie Mazen Darwish zum Beispiel, der irgendwo im Gefängnis sitzt. Der Anwalt hat 2004 das Syrische Zentrum für Medien und Medienfreiheit gegründet und schon mehrfach Auszeichnungen bekommen. 2013 den Bruno-Kreisky-Preis für Verdienste um die Menschenrechte, im vergangenen Jahr erklärte dann Salman Rushdie, er wolle seinen Pen-Preis mit ihm teilen, heute würdigen ihn die Luther-Städte mit dem „Preis für das unerschrockene Wort". Und am 3. Mai wird die UNESCO Mazen Darwish mit ihrem Preis für Pressefreiheit ehren. Verena Matze-Mangold ist die Präsidentin der Deutschen UNESCO-Kommission. Ich grüße Sie!
Verena Metze-Mangold: Ich grüße Sie auch, Frau Rossius!
Rossius: Noch eine Auszeichnung also für Mazen Darwish, noch eine, die er nicht selbst entgegennehmen wird, denn er wurde vor über drei Jahren weggesperrt. Ein Gerichtsverfahren gab es nie – weiß man überhaupt, wie es ihm geht und wo er ist?
Metze-Mangold: Ich kann mich da nur auf die Angaben beziehen, die wir selber von der UNESCO in Paris bekommen haben. Wir wissen im Moment lediglich, dass er, wie Sie so richtig sagen, weggesperrt worden ist. Sein Zentrum ist überfallen worden, er ist nicht alleine verhaftet worden, auch mehrere seiner Redaktionsmitglieder. Mazen Darwish ist ja auch Rechtsanwalt und hat sich damals sehr intensiv mit der Frage beschäftigt, mit diesem und in seinem Zentrum, mit diesen Kollegen, die auch mit ihm sein Leid teilen: Was ist eigentlich mit Bloggern passiert, was ist eigentlich mit Journalisten passiert in seinem Land Syrien, und hat das offengelegt und hat die internationale Öffentlichkeit auch davon in Kenntnis gesetzt. Das war das Vergehen, für das er dann tatsächlich festgesetzt wurde. Es ist bis heute nach unseren Information keine Entscheidung im Gerichtsverfahren gegen ihn gefallen. Und immer wieder sei dieser Prozess sozusagen und die Entscheidung des Gerichts verschoben worden. Das hängt, glaube ich, auch mit der Öffentlichkeit zusammen, die geschaffen worden ist.
Rossius: Weil Sie das Thema Öffentlichkeit ansprechen. Ein anderer Fall, der ist inzwischen sehr, sehr öffentlich, nämlich der des saudi-arabischen Bloggers Raif Badawi. Der bekommt in Deutschland höchste Aufmerksamkeit. Bundestagspräsident Lammert, der hat Mitte Januar im Bundestag dazu kurz etwas gesagt. Wir wollen uns das Statement anhören:
Lammert: Saudi-Arabien hat den Blogger Raif Badawi in Dschidda öffentlich auspeitschen lassen.
Rossius: Das also Bundestagspräsident Lammert. Vizekanzler und Wirtschaftsminister Gabriel hat das Thema in Riad angesprochen. Frau Metze-Mangold, wie schaffen es Institutionen wie die UNESCO, die Politiker zu überzeugen, ihr müsst da Druck auf die Autokraten machen?
UNESCO-Auftrag: Einsatz für die Pressefreiheit
Metze-Mangold: Da gibt es mehrere Wege. Die UNESCO ist, zunächst muss man das, glaube ich, noch einmal vorwegschicken, die einzige Sonderorganisation im System der Vereinten Nationen, die explizit den Auftrag hat, sich um die Pressefreiheit, um die Ausdrucksfreiheit, wie es im Englischen heißt, jedes einzelnen Individuums auf dieser Welt zu kümmern, und ganz insbesondere um die Freiheit der Journalisten, die ja wesentliche Übersetzer und Vermittler sozusagen in demokratischen und erst recht in nichtdemokratischen Prozessen sind. Das macht sie auf verschiedene Weise. Die Generaldirektorin selber hat zum Beispiel explizit das Mandat, auf Morde an Journalisten öffentlich hinzuweisen und sie zu verurteilen. Sie hat darüber hinaus die Möglichkeit, etwas sozusagen an Berichterstattung, was man recherchieren konnte, öffentlich sozusagen auch aufzunehmen und weiterzuleiten. Sie hat das beispielsweise von der UNESCO, einer Sonderorganisation zu den Vereinten Nationen geschafft, um dort international Resolutionen sozusagen abzusetzen. So gab es auch im Falle von Mazen Darwish eine Resolution der Vereinten Nationen, die explizit auf ihn und sein Zentrum hingewiesen hat. Das sind sozusagen die öffentlichen Druckmittel. Und daneben gibt es natürlich eine ganze Reihe anderer Möglichkeiten.
Rossius: Welche zum Beispiel?
Druck durch multilaterale Gespräche hinter verschlossenen Türen
Metze-Mangold: Es gibt ja dieses Verfahren multilateraler Systeme, dass man auch hinter verschlossenen Türen Regierungen klar macht, was es bedeutet auch für ihr Image, für ihr Ansehen bedeutet, wenn sie sozusagen als Teil – ich sag jetzt mal ganz bewusst etwas hochstapelnd – der internationalen Familie einfach Rechtsstaatlichkeit mit Füßen tritt. Menschenrechte, auf denen das gesamt universelle System basiert, mit Füßen tritt. Das macht man natürlich in vertraulichen Zusammenhängen. Die UNESCO hat einen CR-Ausschuss, das heißt, hier werden Menschenrechte besprochen hinter verschlossenen Türen, und es werden Versuche unternommen, gemeinsam zu Ergebnissen zu kommen, denn hier, dieser Ausschuss, hat etwas ganz Besonderes, was wir auch in Europa kennen: Ein Individuum, wo immer es auf der Welt sei, kann diesen Ausschuss anrufen und kann sozusagen seine Rechtsverletzung zu Gehör bringen und auf der anderen Seite werden dann die Vertreter bei der UNESCO dieses Staates gehört, und man versucht, zu Hafterleichterungen zu kommen, zu sozusagen verschobenen Gerichtsurteilen zu kommen und tatsächlich auch Leute frei zu bekommen. Das ist Gott sei Dank auch immer wieder passiert.
Rossius: Sie haben jetzt also einiges an Möglichkeiten genannt, Resolutionen, Erklärungen, Recherchen. Aber Papier ist ja geduldig. Und ich habe auch die Preise genannt, die Mazen Darwish bekommen hat. Aber was ist das alles denn gegen die Macht der Bilder? Von der öffentlichen Auspeitschung von Raif Badawi gibt es ja Bilder. Wie wichtig sind die, um Solidarität zu wecken?
Größtmögliche Öffentlichkeit mobilisiert Unterstützung auch im Fall Raif Badawi
Metze-Mangold: Sie sind enorm wichtig. Auch die Rolle, die die Frau von ihm zum Beispiel gespielt hat, indem sie aus dem Ausland heraus sozusagen Aufrufe gestartet hat und große Unterstützung auch im Internet gefunden hat. Ich glaube, man muss einfach diese Geschichten richtig erzählen. Man muss sie wahrheitsgemäß und genau erzählen. Es ist kein Zufall, dass die für uns haarsträubende Tatsache, dass heute, im 21. Jahrhundert, Menschen ausgepeitscht werden – das war ja nur der erste Vorgang, das soll ja fortgesetzt werden –, dass das die Leute tatsächlich auf den Plan ruft. Also neben dem, was multilaterale Institutionen tun können, müssen wir selber als Individuen beteiligen und selber aktiv werden. Und das können wir natürlich gerade mit diesem wunderbaren Instrument des Internets, das wir uns weltweit, um den Globus herum vernetzen und für Leute tatsächlich aufstehen.
Rossius: Wenn Sie sagen, man muss die Geschichten der Menschen erzählen, was können wir denn für eine Geschichte erzählen, wenn wir gar nicht wissen, was mit Mazen Darwish in der Haft passiert? Hat er da nicht von vornherein, ich sag mal, schlechte Chancen, weil eben so wenig darüber bekannt ist?
Mazen Darwish: Ein Mann, der trotz aller Gefährdung antrat, um Missstände aufzudecken
Metze-Mangold: Ja, das ist natürlich das, was das Regime sozusagen an Stärke in der Hand hat. Aber man kann zum Beispiel alles das, was er vorher gemacht hat, bevor er verhaftet worden ist, offenlegen. Man kann sagen, was hat dieser Mann, der ja Rechtsanwalt ist – der hätte auch ein ganz anderes Leben leben können, der hätte nach London auswandern können oder sonst irgendetwas –, was hat er gemacht, um in seinem Land die Missstände aufzudecken. Und das zu erzählen, bringt natürlich dann auch schon eine öffentliche Wahrnehmung, wie ein Mensch tatsächlich wirklich von Leidenschaft gepolt sein muss, um sich einer solchen Situation und einer solchen Gefährdung auszusetzen. Und wir müssen ihm dann sozusagen solidarisch den Rücken stärken, auch wenn wir gar nicht genau wissen, wo er im Moment steckt, was diese Machthaber mit ihm vorhaben. Aber das ist die einzige Möglichkeit, die wir im Moment haben, neben öffentlichen Verurteilungen, was natürlich einen Druck auf das Ansehen der Regierenden in diesem Land ausdrückt.
Rossius: Sie glauben also, dass wir jetzt über Mazen Darwish gesprochen haben, könnte ihm irgendwie helfen, in einem syrischen Gefängnis?
Metze-Mangold: Es ist meine tiefe Hoffnung, dass das so ist. Ja.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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