Unerwarteter Erfolg eines Westerns

Von Hartmut Goege · 26.03.2006
Nie zuvor waren Amerikas Ureinwohner in einem Hollywood-Film so authentisch dargestellt worden wie in "Der mit dem Wolf tanzt". Doch die Kritiker waren vom Erfolg des Regiedebüts Kevin Costners im Main-Stream des US-amerikanischen Kinos überrascht. Vor 15 Jahren wurde der Streifen mit sieben Oscars prämiert.
Der 26. März 1991 in Hollywood. Nach zwölf Nominierungen räumt "Der mit dem Wolf tanzt" sieben Oscars ab, darunter den wichtigsten: den Oscar für den besten Film. Das war um so außergewöhnlicher, als nach 60 Jahren erstmals wieder ein Western diese Auszeichnung erhielt. Dabei hatte jeder den Indianer- und Westernfilm totgesagt. Noch bis in die 1960er Jahre zählte er zu den weltweit beliebtesten Genres. Doch die politische Umbruchstimmung während des Vietnam-Krieges forcierte seinen Niedergang. Die studentischen Proteste gegen das Establishment, Martin Luther Kings Anti-Rassismus-Bewegung sowie die traumatischen Kriegserfahrungen vieler US-Soldaten ließen weder Platz für das Stereotyp des Revolver schwingenden, weißen Macho-Helden noch für das Bild des blutrünstigen Indianers.

Gerade dieses Film-Klischee wollte Regiedebütant Kevin Costner, der auch die Hauptrolle des US-Leutnants John Dunbar spielt, mit seiner Produktion endlich aufbrechen. In einer der Schlüsselszenen erklärt er einem Vorgesetzten, warum er, als hochdekorierter Offizier des Amerikanischen Bürgerkrieges sich freiwillig auf einen einsamen Außenposten ins Indianergebiet versetzen lässt: Er will den "Westen noch einmal sehen, bevor es ihn nicht mehr gibt".

In einem lapidaren Dialog formuliert der Cherokee-Nachfahre Kevin Costner seine Anklage. Indem er die spannende Geschichte über die Konfrontation eines Einzelnen mit einer fremden Kultur erzählt, stellt sich am Ende die Frage nach den Gründen ihres Untergangs.

Nur mit Pferd, Proviant und US-Flagge richtet sich John Dunbar seinen Stützpunkt ein. Sein einziger Begleiter, ein einsamer Wolf. Während im Osten der Bürgerkrieg tobt, freundet er sich mit Sioux-Indianern an, die ihm den Namen "Der mit dem Wolf tanzt" geben.

Was den Film so authentisch macht, ist nicht nur die Tatsache, dass alle Indianerdarsteller und -statisten echte Indianer sind, sondern dass große Teile der Dialoge in dem Sioux-Dialekt Lakota gesprochen werden und englisch untertitelt sind.

Für Hollywoods Main-Stream-Filme völlig ungewöhnlich. Kritiker waren sich deshalb vor Fertigstellung schon sicher, dass "Der mit dem Wolf tanzt" ein Flop würde, zumal auch die Länge von drei Stunden aus dem Rahmen fiel. Aber Costner hatte sich nicht beirren lassen.

"In unserer Geschichte wollte ein Mann mit seinen Nachbarn kommunizieren, konnte es aber nicht. Die komischen und dramatischen Momente rührten von dieser Unfähigkeit. Hätten sie beide Englisch gesprochen, wäre das verloren gegangen."

Die Freundschaft zu den Sioux ermöglicht Dunbar einen tiefen Einblick in die indianische Kultur. Am Ende wird er von ihnen in ihrer Mitte aufgenommen, aber von den Weißen als Verräter abgestempelt.

Die klischeefreie Abbildung der amerikanischen Ureinwohner, die sie aber nicht zu edlen Helden verklärt, wurde auch von den Betroffenen honoriert. Mund-zu-Mund-Reklame sorgte in Reservaten für ausverkaufte Vorstellungen. Drehbuchautor Michael Blake konnte sich davon auf einer Premiere in South Dakota überzeugen.

"Und in South Dakota gibt es seit jeher Probleme zwischen Weißen und Indianern. Aber zum ersten Mal saßen Indianer neben Weißen vereint in einem Kino. Als der Film zu Ende war, fingen die Indianer spontan an zu tanzen - als Ausdruck ihrer Freude. Und die Weißen versammelten sich, um zuzusehen. Das hatte etwas Verbindendes."

"Der mit dem Wolf" tanzt wurde eine der erfolgreichsten US-Filmproduktionen und - wichtiger noch - Hollywoods längst fällige Aufarbeitung des Vernichtungsfeldzuges gegen Nordamerikas Ureinwohner.