Ulrich Raulff: "Das letzte Jahrhundert der Pferde"

"Die großen Ehebruchromane sind Pferderomane"

Ein Islandpferd steht auf einer Weide nahe Husavik im Norden von Island.
6000 Jahre lang haben Menschen und Pferde miteinander Geschichte gemacht. Heute machen sie Sport. © picture alliance / dpa / Patrick Pleul
Ulrich Raulff im Gespräch mit Joachim Scholl · 28.10.2015
Ulrich Raulff, Direktor des Deutschen Literaturarchivs Marbach, ist selbst auch Autor. Nach Büchern über Marc Bloch und Stefan George hat er jetzt eines über Pferde und ihre besondere Rolle in der Literatur des 19. Jahrhunderts geschrieben. Was ihn dazu bewog, verrät er im Gespräch.
Für Ulrich Raulff war es fast schon zwingend, einmal über Pferde zu schreiben - er sei Historiker und ein "echtes Landei" aus Westfalen, wie er sagt. In seinem Buch erzählt er vor allem vom 19. Jahrhundert, dem "letzten, zugleich aber auch größten Jahrhundert der Pferde" - und spricht von einem Paradoxon: "Je mehr man industrialisierte, zu Beginn jedenfalls, umso mehr brauchte man Pferde."
In der Literatur dieser Zeit beobachtet Raulff, dass es geradezu von Pferden wimmelt - in der Dichtung, aber auch in Romanen: "Sogar die großen Liebesromane, die Ehebruchromane - die Bovary, die Karenina - auch das alles sind (...) Pferderomane."
Als ein "furchtbar düsteres letztes Kapitel" beschreibt Raulff den Einsatz von Pferden im Ersten und Zweiten Weltkrieg - millionenfach seien sie umgekommen. Heute, nach 6000 Jahren, in denen "Menschen und Pferde miteinander Geschichte gemacht haben", basiere das Verhältnis auf Freiwilligkeit. Zumindest hierzulande hätten Pferde ein leichteres Leben als früher: Man treibe mit ihnen Sport. Und: "Sie sind ein treuer und unverzichtbarer Beistand der weiblichen Pubertät."
Ulrich Raulff: "Das letzte Jahrhundert der Pferde. Geschichte einer Trennung", C.H. Beck, 461 Seiten, 29,95 Euro
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