Ukraine-Krise

Es ist Krieg und Russland ist Kriegspartei

Eine Frau in ihrem zerstörten Haus in Donetsk.
Eine Frau in ihrem zerstörten Haus in Donetsk. © Dan Levy, dpa picture-alliance
Von Gesine Dornblüth · 30.01.2015
Der alte Satz, dass nicht geschossen wird, solange geredet wird, gilt im Fall des Konflikts im Osten der Ukraine schon lange nicht mehr, kommentiert Gesine Dornblüth. Auch westliche Politiker sollten zur Kenntnis nehmen: Es ist Krieg.
Die Gespräche in Minsk sind nicht gescheitert, sie sind gar nicht erst zustande gekommen. Die beiden Vertreter der Separatisten standen allein in Minsk, sonst war keiner da. Vielleicht, heißt es jetzt, werden die Gespräche morgen stattfinden. Ein heilloses Hin und Her. Prompt schickt die russische Regierung Mitteilungen in die Welt: Die ukrainische Führung sei nicht gesprächsbereit und wolle den Konflikt im Südosten des Landes mit Waffengewalt lösen.
Moment mal. Da lohnt es, genauer hinzusehen. Wer hatte überhaupt von einer Gesprächsrunde am heutigen Freitag gesprochen? Die erste Meldung kam gestern vom weißrussischen Außenministerium. Präsident Lukaschenko ist immer froh, sich als Vermittler präsentieren zu können. Von der ukrainischen Seite hatte Präsident Poroschenko ein schnellstmögliches Treffen angeregt, aber ohne Datum. Ähnliches kam von der OSZE, die den Prozess begleitet. Aus Kiew hieß es dann heute Vormittag, man habe ein Treffen – vorläufig - Freitag oder Samstag ins Auge gefasst. Da waren die beiden Separatistenvertreter schon unterwegs. Ist man Verschwörungstheoretiker, wenn man vermutet, die Separatisten und mit ihnen Russland haben den Termin heute lanciert, wohl wissend, dass er nicht zustande kommt – um dann den Ukrainern mangelnde Verhandlungsbereitschaft vorzuwerfen?
Kriegspartei in Kiew gewinnt an Zulauf - kein Wunder
Das Muster jedenfalls funktioniert. Und unterdessen werden vor Ort Fakten geschaffen. Der alte Satz, solange geredet wird, wird nicht geschossen, gilt schon lange nicht mehr. Ganz im Gegenteil: Seit September, seit Beginn des sogenannten Minsker Prozesses, streiten die Separatisten den Ukrainern mit Russlands Hilfe Kilometer für Kilometer Land ab. Und es sterben Menschen. Mehr als 5.000 mittlerweile.
Im September wurde in Minsk nicht nur ein Waffenstillstand vereinbart; die Seiten haben auch eine Frontlinie festgelegt – Stichtag 19. September. Sie haben sich verpflichtet, diese Linie nicht mehr zu überschreiten sowie schwere Waffen mehrere Kilometer von dieser Linie abzuziehen. Diese Verpflichtung haben auch die Anführer der sogenannten Volksrepubliken unterzeichnet. Aber diese Markierung ist längst hinfällig. Gerade heute melden die Separatisten, sie hätten in Debalzewo tausend ukrainische Soldaten eingekesselt. Das liegt jenseits der Linie vom 19. September! Und wieder sind unbeteiligte Zivilisten ums Leben gekommen, bei der Ausgabe humanitärer Hilfe, in einem Bus. Kein Wunder, dass die Kriegspartei in Kiew an Zulauf gewinnt.
Es ist hart, aber es muss so deutlich gesagt werden: Der Minsker Prozess existiert nicht. Er ist eine Worthülse. Auch für westliche Politiker, die sich scheuen, die Dinge beim Namen zu nennen: Es ist Krieg, und Russland ist Kriegspartei.
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