Triumph des "schwarzen Republikaners"

Von Armin Brandt · 06.11.2010
Es war ein mühseliger Aufstieg des in ärgster Armut aufgewachsenen Hinterwäldlers bis zum Präsidenten der Vereinigten Staaten. Zu einem Amt, das ihm sofort den Absturz in die Hölle des Bürgerkrieges brachte.
Für die Menschen in den Straßen von Springfield, seit 1837 Hauptstadt des Bundesstaates Illinois, gab es kein Halten mehr: Einer ihrer Mitbürger hatte die Wahl zum 16. Präsidenten der Vereinigten Staaten gewonnen. Abraham Lincoln, der Emotionen selten offen zeigte, begab sich schnellen Schrittes nach Hause, wo er aufgeregt seiner Ehefrau zurief:

"Mary, Mary, wir haben gewonnen!"

Mary Todd Lincoln entstammte einer aristokratischen Familie aus Kentucky; ihr Vater war ein wohlhabender und einflussreicher Bankier und Politiker. Die junge Dame der großen Welt, die dem in bescheidenen Verhältnissen lebenden Rechtsanwalt Lincoln auf einem Ball begegnet war, wägte bei der Wahl ihrer Freunde wohl ab. Später bemerkte sie:

"Ich glaubte, dass er einmal Präsident würde. Deshalb habe ich ihn genommen, denn schön war er ja nun wirklich nicht..."

Bei den Republikanern hatte Lincoln seine politische Heimat gefunden. Im Frühjahr 1860 war er von der 1854 gegründeten Republican Party, die sich als einzige Partei gegen jegliche Ausweitung der Sklaverei über die bestehenden Sklavenstaaten hinaus ausgesprochen hatte, als Präsidentschaftskandidat nominiert worden.
Mitte Mai 1860 saß er wie jeden Tag in seiner Kanzlei in Springfield, als ihm ein Telegrafenbote einen Zettel mit der Meldung aus Chicago überreichte:

"Wir taten es. Gott sei Ruhm."

Die Nominierung Lincolns war ein großes Risiko, denn seit Jahr und Tag hatte der Süden gedroht, die Union zu sprengen, sobald ein "schwarzer Republikaner", also ein Gegner der Sklaverei, Präsident würde. Mit einem Schlag trat das Problem der Sklaverei selbst zurück, und die ganze Nation fragte: Wird die Union diese Wahl überstehen?

"Ich weiß, dass ich langsam gehe, aber ich gehe nie zurück"

beharrte Lincoln. Am Wahltag, dem 6. November 1860 deutete alles auf einen Sieg für ihn hin. Schließlich war er seinem Grundsatz treu geblieben:

"Wer anderen die Freiheit verweigert, verdient sie nicht für sich selbst."

Die Abstimmung brachte Lincoln 1,9 Millionen Stimmen; er gewann alle 18 Bundesstaaten, in denen es keine Sklaverei gab, einschließlich Kalifornien und Oregon. In Neuengland ging jeder Landkreis an die Republikaner. Vizepräsident wurde Hannibal Hamlin aus Maine.

Die Democratic Party hatte sich im Vorfeld der Wahl in Nord- und Südstaaten gespalten und durch die Aufstellung von zwei Kandidaten selbst geschwächt. Senator Stephen Douglas aus Illinois, mit dem sich Lincoln 1858 eine Reihe bemerkenswerter Rededuelle geliefert hatte, brachte es auf 1,4 Millionen Stimmen.
Die Gegenkandidaten hatten zusammen eine Million Stimmen mehr, doch von den Wahlmännern bekam Lincoln 180 von 303 Stimmen, so dass er tatsächlich mit einer Minorität gewählt wurde. Zehn Südstaaten gaben ihm keine Stimme. Lincolns Kommentar:

"Die Welt hat nie eine gute Definition für das Wort Freiheit gefunden."

Zum ersten Mal in der Geschichte der Union hatte der Norden sein zahlenmäßiges Übergewicht in die Waagschale geworfen, um den dünner bevölkerten Süden zu überstimmen: Das war auch die Entscheidung für einen Bürgerkrieg. Die Folgen dieser Entwicklung haben wohl nur wenige republikanische Politiker, auch Lincoln selbst nicht, in der Stunde des Sieges klar vorausgesehen.
Die Wahlbeteiligung war mit 81,2 Prozent die zweithöchste bei US-Präsidentenwahlen. Nach dem Erfolg Lincolns gewannen die Republikaner auch im Kongress mit 108 von 181 Sitzen eine Mehrheit. Lincoln ließ schon früh keinen Zweifel an seiner künftigen Politik:

"Man gewinnt nichts dabei, wenn man den Schurken schmeichelt, die diese Depression verantworten. Sie mögen weiter arbeiten und dies Unglück wieder gutmachen, dann würden sie vernünftig werden. Wenn der Krach kommen muss, besser jetzt als später!"

Vier Monate trennten Lincoln da noch vom Amtsantritt am 4. März 1861; diese Zeit ist vielleicht die schwerste in seinem Leben gewesen. Denn den Bürgerkrieg konnte er nicht verhindern.

"Staatskunst ist die kluge Anwendung persönlicher Niedertracht für das Allgemeinwohl."

Präsident Lincoln, "Abe" von seinen Freunden genannt, gewann eine zweite Amtszeit, die abrupt am 15. April 1865 endete - nur wenige Tage nach Kriegsende wurde er von einem Fanatiker des Südens erschossen.
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