Transplantation

Ohne eigene Gebärmutter zum eigenen Kind

Sara Brucker, Ärztliche Direktorin des Forschungsinstituts für Frauengesundheit der Universität Tübingen, hat die erste Gebärmuttertransplantation in Deutschland hinbekommen.
Sara Brucker, Ärztliche Direktorin des Forschungsinstituts für Frauengesundheit der Universität Tübingen, hat die erste Gebärmuttertransplantation in Deutschland hinbekommen. © picture alliance / dpa / Marijan Murat
Von Christine Westerhaus · 19.01.2017
Malin Stenberg ist die erste Frau, die erfolgreich ein Kind in einer gespendeten Gebärmutter ausgetragen hat. Jetzt ist das Verfahren auch in Deutschland umgesetzt worden. Am Universitätsklinikum Tübingen wurde einer 23-Jährigen die Gebärmutter ihrer Mutter transplantiert.
Der kleine Vincent ist zwei Jahre alt. Blonde Haare, braune Augen und mit gestreiftem T-Shirt, die Socken auf Halbmast sitzt er im Wohnzimmer und spielt mit seinen Bauklötzen.
Malin Stenberg setzt sich zu ihrem Sohn auf den Wohnzimmerteppich. Gemeinsam schauen sie ein Bilderbuch an. Auf der zweiten Seite ist ein Hund zu sehen.
Malin Stenberg: "Es ist fantastisch, was wir erreicht haben! ... Aber es waren auch viele ungewisse Jahre und viele Stunde, in denen wir gegrübelt haben, unsicher waren. Und wir hatten keinerlei Garantie!"
Malin Stenberg kam aufgrund einer Fehlbildung ohne Uterus auf die Welt. Nur weil ihr 2013 schwedische Ärzte eine Gebärmutter transplantieren, ist sie heute Mutter ihres leiblichen Kindes. Darauf hofft auch die 23-Jährige, der das Tübinger Forscherteam Ende Oktober 2016 das Organ einer lebenden Spenderin eingesetzt hat. Der Uterus stammt von der Mutter der Patientin.

Frauen ohne funktionierende Gebärmutter

In Deutschland leben schätzungsweise 15.000 Frauen, die nicht schwanger werden können, weil sie keine funktionierende Gebärmutter haben. Sara Brucker, die das Tübinger Ärzteteam geleitet hat, forscht schon seit vielen Jahren daran, wie man diesen Frauen helfen kann. Die erste geglückte Transplantation in Deutschland hat sie deshalb auch als persönlichen Erfolg erlebt.
Sara Brucker: "Für mich hat sich an diesem Tag der Kreis geschlossen weil ich mich seit über 16 Jahren mit diesen jungen Mädchen beschäftige, die als Frau auf die Welt kommen, aber denen man dann in der Pubertät sagt: "Ihr habt das, was eine Frau ausmacht, nämlich eine Scheide und eine Gebärmutter, das habt ihr nicht. Und ich habe vor vielen Jahren ein Verfahren entwickelt, um diesen jungen Mädchen eine Scheide anzulegen mit einem minimalinvasiven Schlüsselloch verfahren, so dass diese jungen Mädchen sich endlich als Frau fühlen können. Und jetzt schließt sich der Kreis, dass diese Frauen sich dann auch als Mutter fühlen können."
Ob das jetzt bei der 23-Jährigen Deutschen gelingt, wird sich frühestens im Oktober dieses Jahres zeigen. Erst dann werden die Ärzte einen befruchteten Embryo in die verpflanzte Gebärmutter einsetzen. Doch bisher läuft alles nach Plan.
"Der Patientin geht es weiterhin gut, wir haben bisher noch keine Abstoßungsreaktion gehabt und sie hat auch schon ihre erste Regelblutung bekommen und von daher sind wir frohen Mutes, dass es so weitergeht im Moment."
Bis zu einer erfolgreichen Geburt ist es aber noch ein langer Weg: Die künstlich befruchtete Eizelle muss sich in der transplantierten Gebärmutter einnisten, die dann während der Schwangerschaft um das 100-fache ihres Volumens anwachsen muss, um das Kind neun Monate lang austragen zu können. Und auch wenn die Erfolge in Schweden zeigen, dass das Verfahren funktioniert, sind die Risiken für die Beteiligten nicht unerheblich. Das müsse man abwägen, meint der Tübinger Medizinethiker Urban Wiesing.
Urban Wiesing: "Bei jeder medizinischen Interventionen muss man sich die Frage stellen: Was ist der Nutzen auf der einen Seite und was ist das Risiko? Und hier hat man eben gleich drei Personen: Da ist das Risiko für die spendende Frau, was ist das Risiko für die empfangende Frau, was ist das Risiko für das Kind. Das muss man dann anhand von wissenschaftlichen Daten, die man so schnell wie möglich versuchen muss zu bekommen, beantworten und die Konsequenzen daraus ist: Man muss die Frauen darüber informieren, damit sie ihr freiwilliges, informiertes Einverständnis geben können."

Leihmutterschaft in Deutschland zulassen?

Die Transplantation gilt als riskant, da die Operation bis zu 12 Stunden lang ist und weil bei der Entnahme der Gebärmutter auch Blutgefäße und Gewebebänder mit entnommen werden müssen. Daher besteht für die Spenderin des Organs die Gefahr, dass das umliegende Gewebe durch den Eingriff geschädigt wird. Und auch für die Empfängerin ist die Operation belastend, erzählt Malin Stenberg.
Malin Stenberg: "Ich war danach ziemlich angeschlagen. Es war ein großer Eingriff und eine lange Operation. Und direkt danach musste ich diese starken Medikamente einnehmen."
Nach der Transplantation und während der Schwangerschaft muss die Empfängerin Medikamente einnehmen, um die Abstoßungsreaktion des Körpers zu unterdrücken. Ob diese Immunsuppressiva die Entwicklung des Kindes im Mutterleib stören, ist nicht abschließend geklärt. Zudem erhöht sich die Gefahr einer Frühgeburt. Auch deshalb hofft Sara Brucker, die Leiterin des Tübinger Ärzteteams, dass in Deutschland nun eine ethische Diskussion über mögliche Alternativen angestoßen wird - wie etwa die über eine mögliche Leihmutterschaft.
Sara Brucker: "Ich erhoffe mir dadurch, dass wir eine offene Diskussion führen, inwieweit wir tatsächlich besser die Leihmutterschaft in Deutschland zulassen, als eine Gebärmutter Transplantation durchführen zu müssen. Oder vielleicht auch, wenn wir die Leihmutterschaft in Deutschland nicht einführen, dann im Moment die Frauen tatsächlich zwingen, illegal ins Ausland zu gehen."

Bauchnarbe erinnert an Eingriff

Der kleine Vincent sitzt auf seinem Kinderstuhl und tippt auf den Bildschirm eines Mini-IPads. Ein ganz normaler Zweijähriger eben. Leibliche Geschwister wird er aller Voraussicht nach aber keine bekommen. Drei Monate nach seiner Geburt haben die Ärzte seiner Mutter die transplantierte Gebärmutter wieder entfernt, damit sie die Medikamente, die Immunsuppressiva, absetzen konnte. Lediglich eine Bauchnarbe erinnert jetzt noch an den riskanten Eingriff. Malin Stenberg hat viel aufs Spiel gesetzt, um ein eigenes Kind zu bekommen. Wie viel, wurde ihr erst im Nachhinein richtig bewusst.
Malin Stenberg: "Manchmal bin ich von mir selbst fasziniert, dass ich nicht mehr über die Risiken nachgedacht habe. Dass ich mich so einfach in dieses Projekt gestürzt habe, ohne irgendeine Garantie zu haben – nur meine starken Hoffnungen, und den Wunsch, dass alles gut geht. Hinterher habe ich mich manchmal gefragt: Wenn es nicht funktioniert hätte, wie traurig wären wir dann gewesen?"
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