Top Five des Mainstream-Kinos

Grandiose Tragikomödie als Popcornfilm

"Toni Erdmann"
Sandra Hüller als Ines und Peter Simonischek als Winfried/Toni in "Toni Erdmann" © picture alliance/dpa/Foto: Komplizen Film/NFP
Von Hartwig Tegeler · 23.07.2016
Erster deutscher Beitrag in Cannes nach acht Jahren, Kritikerpreis der internationalen Filmpresse – und jetzt in den Mainstream-Charts: "Toni Erdmann" von Maren Ade ist die erstaunliche Platzierung in dieser Woche – und der erfreulichste.
"Jetzt bist du blinder als ich."
"Wer hat das gesagt? Gary Cooper? James Stewart? Henry Fonda? Hmh?"
"Das hat keiner von denen gesagt. Das Leben ist nicht, wie du es aus dem Kino kennst. Das Leben ist viel schwieriger."
Stimmt, sicher! Aber mitunter kann auch das Leben im Kino, genauer mit dem Kino nicht einfach sein. Nämlich durchzublicken

Platz 5 – "Smaragdgrün" von Felix Fuchssteiner und Katharina Schöde

"Also, der zwölfte Stern ist Gwen. Der Adler ist der Graf. Aber was ist sein Ziel?"
"Du bist ein Superheld, sie ist ein Superheld. Was ist das Problem?"
Das Problem ist, dass man "Rubinrot", "Saphirblau" und "Smaragdgrün" zusammen sehen müsste, um als Nichtfan von Kerstin Giers "Edelstein-Trilogie" durchzublicken, wie dieses Zeitreise-Fantasy-Epos "funzt", bei dem es vergnüglich und sympathisch um die Rettung der Welt geht. Irgendwie. Wie immer eben. Aber hier sehr gerecht zugeschnitten auf die jugendliche Zielgruppe.
Überraschung! Nein, nicht, dass sich "Die Age" und "Independence Day" auf

Platz 1

und

Platz 2

gesetzt haben. Nein, die große Überraschung ist, dass Maren Ades neuer Film sich hier, in den Mainstream-Charts, auf

Platz 4 – "Toni Erdmann"

tummelt.
"Na, bist auch ein bisschen glücklich hier?"
"Was meinst du denn mit Glück. Glück ist ein sehr starkes Wort."
"Ich meine, ob du mal ein bisschen zum Leben kommst?"
Vater trifft auf Tochter – anders, als die Unternehmensberaterin, tätig in Rumänien, es sich auch nur ansatzweise vorstellen kann. Diese schlechte Perücke und das schräg vorstehende künstliche Gebiss von Papa: Nun, das hat schon was. Als Stimulanz für chaotische Lebendigkeit in der vorgeordneten Welt, die die Tochter sich verordnet (!) hat.
"Schwirren ganz schön viele Begriffe rum. Glück. Leben. Mal ein bisschen ausdünnen. Näh!"
Die begeisterte Resonanz auf "Toni Erdmann" auf den Filmfestspielen in Cannes hat Maren Ade jetzt offensichtlich auch hier die "Kino-Türen" breit geöffnet. Erstaunlich bei einem Film, dessen Regisseurin bisher in der eher spröden Berliner-Schule-Schublade verortet war und die jetzt in 162-Minuten ein Werk vorgelegt hat, das ohne Frage skurril und saukomisch ist, aber eben auch auf komplexe Weise von einer Vater-Tochter-Geschichte erzählt. Und über den Haifisch-Teich des neoliberalen Kapitalismus. Wunderbar, die Resonanz, die "Toni Erdmann" jetzt bekommt. "Toni Erdmann" ist ein überraschender Film.

Platz 3 – "Ein ganzes halbes Jahr" von Thea Sharrock

Nicht überraschend dagegen: "Game of Thrones"-Star Emilia Clarke zusammen mit "Die Tribute von Panem"-Star Sam Caflin – also: Unkonventionelle Frau aus der Unterschicht trifft auf vollständig Gelähmten aus der Oberschicht. Ob die sich wohl verlieben? Kommen wir jetzt zum Weltuntergang. Der erste.

Platz 2 – "Ice Age 5 - Kollision voraus!" von Michael Thurmeier

Natürlich könnte ich anfangen zu zählen, der wievielte Teil dieser Film der Eiszeitsaga das nun eigentlich ist, aber das würde nicht helfen. Scrat, das Säbelzahn-Eichhörnchen, löst diesmal im Versuch, seine Eichel nicht zu verlieren, einen Bruch im Raum-Zeit-Kontinuum aus – oder wie auch immer. Jedenfalls, das sei mal festgestellt, wachsen Sid, Manni und Diego über sich hinaus. Ich lass das jetzt mal mit dem getretenen Quark, der breit, aber nicht stark wird, beiseite, obwohl, passen könnte dieser Schnack auch auf Weltuntergang Nummer zwei, der sich - wie bereits angedroht - auf

Platz 1

zu passieren droht.

"Independence Day: Wiederkehr" von Roland Emmerich

"Ich kann nicht glauben, dass es 20 Jahre her ist."
Doch ist es. Zwei Dekaden Jahre nach dem Sieg über die Aliens im ersten Teil von Independence Day sind die Menschen geeint, aber ihr Schutzschild, so Höhe Mond…
"Oh, mein Gott!"
hält die erneut angreifenden Außerirdischen nicht ab.
"Das ist definitiv viel größer als das letzte Mal."
Roland Emmerichs erzählt die alte Geschichte aus Teil 1 langweilig noch einmal. Noch mehr Computerspiel. Und die Angst, die vielleicht als geheimer Ursprung in den monumentalen Weltuntergangs-Geschichten waberte, hat sich im Kino heute eh erledigt. Schrecken verbreiten Handy-Filme, gedreht von Attentätern wie in Paris oder den Opfern von Polizeigewalt in den USA. "Independence Day: Wiederkehr" ist heute nur lächerlich.
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