Tod im Rauch

Von Monika Köpcke · 11.04.2006
17 Menschen starben vor zehn Jahren bei einem Brand im Düsseldorfer Flughafen. Eine lange Kette von Unzulänglichkeiten, angefangen beim Bau des Airports bis hin zu Fehlern bei den Rettungsarbeiten, führte dazu, dass ein bei Schweißarbeiten entfachter Schwelbrand solch schlimme Folgen hatte.
"Das war natürlich ein wahnsinniges Durcheinander, denn kein Mensch konnte einem sagen, was wann wo passiert."

Ein ungeheures Chaos brach aus, als sich am späten Nachmittag des 11. April 1996 in der Ankunftshalle des Düsseldorfer Flughafens eine dicke Rauchwolke ausbreitete. Schweißarbeiten im Stockwerk über der Halle hatten einen Schwelbrand ausgelöst, der sich durch das Gewirr von Kabelsträngen in der Zwischendecke bis in die Ankunftshalle fraß. Keine Chance hatte, wer in dem tückischen Gemisch aus Giftqualm und Flammen mehr als vier Atemzüge tun musste oder von der in panischem Entsetzen den Ausgängen zuströmenden Menge zerdrückt wurde.

Keine Chance hatten auch die acht Fluggäste, die in der VIP-Lounge von Air France erstickten. Ihr Ausgang war durch den Qualm versperrt, es gab keinen Notausgang. Insgesamt fanden 17 Menschen in dem Inferno den Tod, 88 wurden verletzt.

"Es fällt schwer, ja es ist unmöglich, in einer Regierungserklärung nüchtern über das Geschehene und die Konsequenzen zu sprechen, wenn uns so viel Schmerz und Trauer noch so nahe sind. Wir wünschen uns, wir können das Geschehene ungeschehen machen, aber das können wir nicht. Das einzige, was wir können, ist, sorgsam und mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln die Ursache dieser Katastrophe aufzuklären."

Johannes Rau, damals Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, drei Tage nach dem Flughafenbrand.

Die juristische Aufklärung der Katastrophe gestaltet sich schwierig, über mehr als fünf Jahre zieht sich der Prozess hin. Die Anklage vertieft sich in die Baugeschichte: Vor Gericht stehen neben den Schweißern, deren Arbeiten das Feuer verursacht haben, Architekten, Bauleiter und Brandschutzsachverständige, die Anfang der 70er Jahre den Bau des Flughafens begleitet haben. Doch die Beweislage wird immer verworrener, und die "Süddeutsche Zeitung" fragt:

"Wer trägt eigentlich mehr Verantwortung: Der Mann, der vor 30 Jahren eine Stellungnahme zu einem Baustoff abgab – oder der, der es versäumte, rechtzeitig zu retten?"

Sicher, das Feuer konnte sich so rasch ausbreiten, weil beim Flughafenbau mit Billigmaterial gepfuscht worden war, weil auf so manche Brandschutztür verzichtet wurde und es außer im Restaurant im gesamten Gebäude keine Sprinkleranlage gab – lauter Versäumnisse, die die Baukosten senken sollten.

Doch im Laufe des Verfahrens kommen auch immer mehr Fehler der Flughafenfeuerwehr ans Licht: Warum bekamen die Schweißer keine Brandwache an die Seite gestellt? Warum waren die Rauchmelder nicht ordnungsgemäß eingeschaltet? Warum vergingen kostbare 20 Minuten, bis der erste Löschzug bei der Halle eintraf? Warum gab es keine Lautsprecherdurchsagen, die die Fluggäste rechtzeitig zum Verlassen des Gebäudes hätten auffordern können, warum wurde die Klimaanlage nicht abgeschaltet, warum konnten die Fahrstühle weiterhin ungehindert die Menschen in die Abflughalle transportieren?

Das Düsseldorfer Landgericht vermochte nicht zu beurteilen, ob die 17 Menschen wirklich nur deshalb sterben mussten, weil beim Bau des Flughafens geschlampt wurde oder weil die Flughafenfeuerwehr so schlecht auf einen solchen Ernstfall vorbereitet war. In dubio pro reo: Ende 2001 wird das Verfahren eingestellt, und der "Spiegel" resümiert:

"Das Unglück von Düsseldorf kratzt auch an dem Glauben, die Bundesrepublik sei jenes Land – peinlich oder bewunderungswert – in dem alles bis zur Länge des Sargnagels in DIN-Katalogen und übergründlichen Vorschriften sicher festgelegt ist. Ein Irrtum: Zwar regeln Normen den Durchmesser von Kloschüsseln, aber für den Brandschutz gibt es keinen bundeseinheitlichen Sicherheitskatalog. Feuersicherheit ist Ländersache, und selbst auf internationalen Airports in Deutschland gilt der Wille der Provinzregenten. Und die großen deutschen Flughäfen mit ihren mehr als 110 Millionen Gästen im Jahr sind so bedeutende Wirtschaftsfaktoren, dass die Macht der Behörden praktisch an der Eincheck-Halle endet."

Ein Novum sind beispielsweise die dynamischen Evakuierungsfahrten bei Aufzügen. Thorsten Hiermann, Sprecher des Düsseldorfer Flughafens:

"Sobald irgendwo Rauch detektiert wird, greift die Brandmeldeanlage in die Steuerung des Aufzugs ein. Der Aufzug steuert automatisch eine sichere Etage an. Dort schaltet er sich dann ab, so dass er gar nicht mehr benutzt werden kann."

Im Frühjahr 2003 wird der neue Ankunftsterminal feierlich eröffnet. Ein komplexes Sicherheitssystem soll fortan eine Wiederholung des Großfeuers unmöglich machen. Nun sind die Decken mit Brandmeldern, Lautsprechern und Rauchabzügen übersät, die Klimaanlage schaltet sich bei Rauchentwicklung automatisch ab, ausgeklügelte Evakuierungspläne sollen die Menschen innerhalb kürzester Zeit aus eventuellen Gefahrenzonen leiten. Keine brennbaren Materialien dürfen verbaut werden, selbst kleinste Ständer sind aus Metall - ebenso wie der Gedenkraum, der mitten in der Halle an die 17 Toten des Flughafenfeuers vom 11. April 1996 erinnert.