Symposium

Multi-Kulti-Fragen an der Komischen Oper

Von Cara Wuchold · 30.03.2014
Es gibt zwei Grundfragen, mit denen sich Kulturinstitutionen derzeit häufig beschäftigen: Wie kriegen wir die Theater auch zukünftig voll? Und: Wie können wir eine sich verändernde Gesellschaft auf der Bühne spiegeln? Denn eine vielfältigere Bevölkerungsstruktur schafft auch neue Publikumserwartungen.
"Dieser Opernbus ist Teil des Programms 'Selam Opera' der Komischen Oper in Berlin, mit dem sie sich seit 2011 verstärkt um Menschen mit türkischen Wurzeln bemüht. Jetzt noch einmal vorgestellt auf einem Symposium im eigenen Haus, auf dem 40 bis 50 Teilnehmer über die interkulturelle Öffnung von Kultureinrichtungen diskutierten. Die Komische Oper selbst greift dabei auch zu unkonventionellen Mitteln", so Mustafa Akça, Projektleiter von "Selam Opera".
"In Berlin ist es so, dass viele auch türkeistämmig sind und wir machen auch gezielt Werbung bei den Taxifahrern, indem wir sagen, bei der Vorlage eines P-Scheins, also eines Taxiführerscheins, kommt die zweite Person zum Beispiel ermäßigt rein, und, sie kommen, ja."
Gesellschaftliche Vielfalt im Kulturbetrieb verankern
Am ersten Tag des Symposiums ging es um türkische Musikkultur, um Hörgewohnheiten in der Türkei und Westeuropa, um Rezeptionsgeschichte, um Märchen, Lieder und Tanz. Die Öffnung, so lässt sich daran ablesen, ist gedacht als Dialog.
Am zweiten Tag beschäftigten sich u.a. Stadtplaner, Kulturwissenschaftler, ein Personalmanager und auch Hamburgs Kultursenatorin Barbara Kisseler mit der Frage, wie sich die gesellschaftliche Vielfalt im Kulturbetrieb verankern lässt. Sie stellte fest, …
"… dass es noch längst nicht Alltag in unseren öffentlich subventionierten Häusern ist, Migranten eben nicht nur als Stofflieferanten oder als Sujet einer Auseinandersetzung wahrzunehmen, sondern einfach als Schauspieler, als Regisseure, als Dramaturgen oder – man höre und staune – vielleicht sogar als Intendanten."
… wie Shermin Langhoff, die die Leitung des Berliner Maxim Gorki Theaters übernommen und ein Ensemble zusammengestellt hat, dass unterschiedliche Herkünfte spiegelt und diese auf der Bühne verhandelt.
Doch sie ist bislang eine absolute Ausnahme. Migrationsforscher Mark Terkessidis, ebenfalls Referent auf dem Symposium, bewertet die vorherrschende Wirklichkeit ganz anders.
"Es muss unbedingt einen Perspektivenwechsel geben, der nicht mehr fragt, was sind eigentlich die Problemkinder, die wir in die Einrichtungen hineinholen oder dort kurieren müssen, sondern sind diese Einrichtungen eigentlich fit für Vielfalt? Ja, und das sind sie im Großen und Ganzen nicht, weil die Einrichtungen sind sowohl von ihrem Personalbestand als auch von ihrer Organisationskultur die wahren Parallelgesellschaften."
Interkulturelle Öffnung von Kulturinstitutionen
Bei der interkulturellen Öffnung von Kulturinstitutionen geht es nicht um kurze Ausflüge in soziale Brennpunkte oder ins Exotische. Auch der Intendant der Komischen Oper, Barrie Kosky, hält ein kritisches Hinterfragen der gesamten Strukturen für notwendig.
"Ich glaube das 20. Jahrhundert in Deutschland war nicht gut für Vielfalt – mit der Nazi-Zeit und auch in der DDR-Zeit. Das bedeutet Deutschland ist ein bisschen hinter andere Länder, aber eigentlich es wird etwas, das wird Deutschland muss akzeptieren, es wird unmöglich, das zu ignorieren. Und ich glaube, die Gespräche sind gut jetzt, sie sind kompliziert und sie sind tief problematisch, aber man muss durch diese Probleme reisen."
Nils Erhard kritisiert noch etwas anderes. Er ist Dramaturg an einem Community-Theater in Berlin-Moabit und vertritt das Bündnis "KulTür auf!", dass Jugendlichen aus schwierigen Verhältnissen trotz Hürden Kunst ermöglichen möchte – nur: die hätte er gerne mitgebracht.
"Zentral ist für mich die Frage nach Selbstrepräsentation. Und dann ist es natürlich ein Problem, wenn die Leute, um die es geht, als Zielgruppen besprochen werden, in Filmen vorgeführt werden und nicht für sich selbst sprechen können."
Er leitet einen Workshop auf dem Symposium und fordert radikalere Umwälzungen.
"Was das heißt ist, dass genau die gleichen, die jahrelang die strukturellen Ausschlüsse organisiert haben, sind jetzt die Gatekeeper für die Öffnungsprozesse. Und das ist verrückt, und es ist halbherzig, und es ist nicht ehrlich auch, und ich glaube, was fehlt, ist die Bereitschaft das Risiko einzugehen, ausm Konzept zu geraten, sich wirklich hinterfragen zu lassen, ernsthaft anzunehmen, dass die eigene Perspektive eben nicht aussagekräftig ist für alle."
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