Stresstest

Die Rettung aller Banken bleibt eine Illusion

Das Euro-Symbol steht am 26.10.2014 vor der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main (Hessen) hinter Büschen.
Die Europäische Zentralbank steht nach dem Banken-Stresstest vor weiteren großen Herausforderungen. © picture alliance / dpa / Fredrik von Erichsen
Moderation: Dieter Kassel · 27.10.2014
Die europäischen Banken sind noch lange nicht über den Berg. Der Stresstest ist erst der Anfang, sagt der Ökonom Hans-Peter Burghof. Jetzt komme alles auf die Europäische Zentralbank (EZB) an, denn die stehe nun selbst vor einer Art Stresstest.
Dieter Kassel: "Es wäre fatal, wenn man alle Banken durchwinken würde. Genauso fatal wäre aber eine Übertreibung in die andere Richtung." Mit diesen Worten kommentierte der Präsident des Verbands deutscher Privatbanken, Deutsch-Banker Jürgen Fitschen, den europäischen Bankenstresstest schon im Vorfeld. Und nachdem nun gestern das Ergebnis dieses Tests bekannt wurde, müsste zumindest er eigentlich ganz zufrieden sein.
Ist jetzt wirklich alles so schön, wie es viele Kommentatoren ja sehen, nachdem die Ergebnisse des Stresstests gestern veröffentlicht wurden? Das wollen wir jetzt mit Hans-Peter Burghof besprechen, er ist Inhaber des Lehrstuhls für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Universität Hohenheim in Stuttgart. Schönen guten Morgen, Herr Burghof!
Hans-Peter Burghof: Guten Morgen!
Kassel: Nur 25 sind durchgefallen, ungefähr die Hälfte davon hat ihre Probleme schon quasi gelöst. Müssen wir uns jetzt also gar keine Sorgen mehr machen über die Banken in der Eurozone?
Burghof: Nein. Wir müssen uns natürlich weiterhin Sorgen machen. Der Stresstest ist sicher ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, aber er ist natürlich noch lange nicht alles. Und wir haben natürlich eine gewisse Häufung von Kriseninstituten in bestimmten Ländern, was zeigt, das wir die Probleme in Europa halt eben nur an manchen Punkten lösen, an anderen überhaupt nicht lösen. Und da müssen wir wirklich ran, und das gilt ja nicht nur für die Banken, das gilt ja für viele andere Probleme dieser Länder auch, die einfach nicht gelöst sind.
Kassel: Nun heißt es aber von offizieller Seite, Banken, Verbänden und Politik sowohl aus Italien als auch aus Zypern und Griechenland – und das sind die drei Länder, wo die meisten Banken durchgefallen sind –, es heißt aus allen drei Ländern, wir sind aber auch zufrieden mit diesen Tests und halten eigentlich alles für akzeptabel. Können Sie mir das erklären?
Burghof: Nun, das ist ein bisschen rätselhaft. Ich meine, diese Banken haben ja eigentlich Zeit gehabt zum Beispiel, um die Probleme im letzten halben, dreiviertel Jahr zu lösen. Sie haben ja nun sehenden Auges hingenommen, dass sie durchfallen. Das heißt, sie können die Probleme nicht lösen, und da muss man irgendwann mal anders ran. Das heißt, die müssen Eigenkapital bekommen. Die Frage ist, wo kriegen sie das her? Sie müssen ein neues Geschäftsmodell haben, damit sie nicht weiter neue Verluste ansammeln. Sie müssen andere Rahmensetzungen haben. Solche Banken sind natürlich eingebunden in die Probleme dieser Länder, und wenn wir die nicht lösen, dann werden wir auch keine bessere Situation in den Banken dieser Länder bekommen.
Wie verfährt die EZB mit der Situation?
Kassel: Nun gab es ja diese eine deutsche Bank, die Münchener Hyp, die ursprünglich auch durchgefallen ist, also in der 25er-Liste ist die drin. Die hat sich aber 400 Millionen Euro zusätzliches Eigenkapital rechtzeitig besorgt. Die Banken, die sozusagen komplett durchgefallen sind, brauchen zusammen knappe zehn Milliarden. Werden sie die so ohne Weiteres kriegen können?
Burghof: Also zunächst mal, zehn Milliarden wirken, verglichen mit den Zahlen, die wir in der Vergangenheit haben, relativ moderat. Aber es trifft natürlich genau die Banken, wo kein Eigenkapitalinvestor heute so richtig gerne rein möchte, weil die Risiken einfach unabsehbar sind. Und da wird es dann natürlich für die schwierig. Am Ende wird das Geld vom Staat kommen sollen. Die Frage ist halt, ob wir das wollen, ob wir noch mal in Griechenland für die Banken Geld geben wollen, nachdem ja schon in der Vergangenheit das eine ganze Menge Geld gekostet hat, das aus europäischen Töpfen kam. Also das macht wenig Spaß, wir haben da keine richtige Lösung. Ich bin mal gespannt, wie die EZB jetzt damit verfährt. Denn sie muss natürlich jetzt konsequent sein, und sie muss auch auf Tempo machen, Druck machen, damit sie als Bankenaufsicht glaubwürdig wird.
Kassel: Nun sagt die EZB selber, sie freue sich über diesen Test, weil nun mehr Sicherheit da ist bei den Banken, und deshalb würden diese voraussichtlich freizügiger Kredite gewähren, und es würden vielleicht auch die Aktienkurse steigen. Rechnen Sie damit auch?
Burghof: Na gut, bei denen, die bestanden haben, ist das ein gutes Signal. Teilweise ist das Signal jetzt aber auch nicht so überraschend. Richtig viel neue Information ist jetzt da auch nicht drin. Insofern sind die Erwartungen vielleicht ein bisschen überhöht. Und bei denen, die nicht bestanden haben, und das ist ja eine ganze Reihe, da muss man sich schon fragen, ob da so ein positiver Effekt kommt. Der kann ja erst kommen, wenn die Probleme beseitigt sind. Und da kommen wir jetzt auf einen wunden Punkt: Das eine ist, das man Risiken misst und mit Eigenkapital vergleicht, das ist ja so eine Status-quo-Betrachtung.
Das andere ist die Frage, selbst wenn man dann zusätzlich Eigenkapital in diese Bank gibt – ist denn diese Bank in der Lage, auf die Dauer seriös zu wirtschaften und die Gewinne zu machen, die notwendig sind, damit man existiert, oder macht die einfach nicht weiter Verluste, das heißt, wir haben die alle fünf Jahre auf der Liste. Damit sind die Probleme sicher noch nicht gelöst, da muss man wirklich noch ran, gerade in Italien, in Griechenland, wo ja sehr viele Banken durchgefallen sind.
Viele neue Aufgaben für die Zentralbank
Kassel: Nun ist es ja kein Zufall, dass die Ergebnisse dieses Tests fast genau eine Woche veröffentlicht wurden, bevor dann die Europäische Zentralbank tatsächlich die Aufsicht über diese 30 Institute übernimmt. Hat die EZB, wie manche sagen, damit wirklich jetzt Stärke demonstriert?
Burghof: Sie hat zumindest eine bessere Figur abgegeben, als man zunächst einmal erwartet hatte. Auch ich war sehr skeptisch, weil die EZB ist ja eine hochgradig politisierte Institution, das heißt also, sie wird für viele politische Ziele heute genutzt, was wir eigentlich gar nicht wollten, weil wir wollten ja eine unabhängige Zentralbank. Und sie hat neben den Zielen der Bankenaufsicht viele andere Ziele, die diese Zielverfolgung in der Bankenaufsicht verzerren, also zum Beispiel sie übernimmt ja, ungern, aber indirekt, und indirekt, aber trotzdem, sie tut es, einen Teil der Staatsfinanzierung. Sie fühlt sich verantwortlich für die Konjunktur in Europa. Sie hat ja ganz viele neue Aufgaben übernommen, und wenn sie jetzt im Bankenbereich zu hart vorgeht, dann könnte das die anderen Ziele gefährden. Ob sie das wirklich sortiert kriegt, das wird erst die Zukunft weisen. Das hat der Stresstest leider noch nicht gezeigt.
Kassel: Wie haben wir uns das praktisch vorzustellen? Dieser Test war ja sehr, sehr aufwändig, er hat Monate gedauert. Es gab im Wesentlichen zwei Teile, die echten Bilanzen jetzt, und dann ein theoretisches Krisenszenario und wie es dann laufen würde – das kann man ja jetzt nicht jeden Monat neu machen. Wie wird denn die EZB jetzt sozusagen im Tagesbetrieb überprüfen, ob die von ihr zu kontrollierenden Banken korrekt arbeiten?
Burghof: Das wissen wir natürlich noch nicht. Das wird die EZB erst machen, und sie ist noch dabei, das aufzubauen, also ist weiterhin dabei, Leute anzuheuern, Strukturen zu schaffen. Und dann wird die entscheidende Frage auch sein: Wenn sie das denn alles hat, wird sie sich wirklich in den Ländern durchsetzen können mit ihrer Aufsicht? Weil möglicherweise haben manche Länder gar kein Interesse daran und werden dann immer sagen, aber wir sind ein Nationalstaat, wir lassen euch da gar nicht ran. Da sind wir mal gespannt, wie das wirklich läuft.
Das heißt, der Stresstest ist so ein Schlussstrich, den man unter die Misswirtschaft der Vergangenheit ziehen wollte. Man hat jetzt die Probleme nicht gelöst, wir haben eine ganze Reihe von Banken, die da auch auf der Liste stehen, die ihre Probleme nicht bewältigt haben, wo man im Grunde genommen sagen muss, das müsste dieses Land eigentlich noch erst mal in Eigenregie machen. Das Gute ist natürlich, dass danach die EZB auch wirklich verantwortlich ist. Das heißt, wir können den Erfolg oder Misserfolg der EZB daran messen, ob wir jetzt einigermaßen problemfrei über die Runden kommen oder nicht. Das ist der große Vorteil dieses Stresstests, dass quasi die EZB von sich aus sagt, ab sofort sind wir verantwortlich. Dann hoffe ich auch, dass sie diese Verantwortung nimmt und dass man ihr das dann auch im Erfolg, aber auch im Misserfolg zurechnen kann.
Der wahre Belastungstest steht noch an
Kassel: Wer ja für sich selber verantwortlich sein soll, sind die Banken selber, was eventuelle Rettung von Sorgenkindern angeht. Einen europäischen Bankenrettungsfonds soll es geben, in den die dann selber einzahlen. Gibt es aber noch nicht?
Burghof: Nein, gibt es noch nicht, und es wird eine ganze Weile dauern, den aufzubauen. Es ist auch, glaube ich, weiterhin eine Illusion, zu glauben, dass wir bei ganz großen Banken, wenn die ins Schleudern kommen, dass wir mit einem Rettungsfonds das Problem lösen können, dass wir diese Banken wirklich abwickeln können. Weil die sind so unendlich vernetzt in unser Wirtschaftssystem hinein – was auch gar nicht anders geht, denn das ist ihre Funktion –, dass, wenn dann eine Krise kommt, dass wir die einfach anders lösen müssen.
Das heißt also, der Belastungstest, der steht noch aus. Wir haben eigentlich keine gute Erfahrung, wenn wir diese großen Banken tatsächlich pleite gehen lassen. Ob das unter den neuen Rahmenbedingungen besser gehen wird, das weiß ich nicht. Gut ist, wenn wir mehr Haftung hätten in der Bank. Wir haben ja in der Finanzkrise die Situation gehabt, dass die Banken gerettet werden mussten, und dann immer noch Mitarbeiter der Banken Millionengehälter abkassiert haben, weil sie in ihrem Bereich zufällig Gewinn gemacht haben. Das heißt, wir könnten da noch viel mehr tun als das, was wir tun. Da gehen wir aber zu wenig ran.
Kassel: Der Bankenstresstest und seine Konsequenzen. Wir sprachen darüber mit Hans-Peter Burghof, Bankenexperte der Universität Hohenheim. Herr Burghof, vielen Dank!
Burghof: Bitte schön, schönen Tag!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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