Stefan Pucher inszeniert "Was Ihr Wollt"

Shakespeare in Leoprint

Szene mit Christoph Franken (als Sir Toby Belch), Anita Vulesica (als Maria) und Bernd Moss (als Sir Andrew Backenfahl)
Es ging bunt und wirr zu bei Stefan Tuchers Inszenierung von "Was Ihr Wollt" am Deutschen Theater Berlin. © imago / drama-berlin.de
Von André Mumot · 27.02.2015
Stefan Pucher setzt in seiner Inszenierung von Shakespeares "Was Ihr Wollt" am Deutschen Theater Berlin auf rustikale Comedy und schauspielerische Kabinettstückchen. Allerdings droht das Ganze ständig ins furchtbar Profane abzurutschen.
Es ist eine dieser besonders bitteren Shakespeare-Komödien, weil sie von der Liebe und von Masken handelt, davon, dass nie irgendetwas zusammenpasst, kein Geschlecht, keine Identität, keine Zuneigung und kein Begehren. Aber es geht auch ums Saufen und ums Zotenreißen. Am Hof, wo all dies sich zuträgt, drängen sich die Hausgäste und das Kammermädchen nach vorn, Nebenfiguren, die bei diesem Stück fast immer die Show stehlen. An diesem Abend im Deutschen Theater tragen Christoph Franken, Bernd Moss und Anita Vulesica Leoprint und essen Lachgummis aus der Tüte. Und sie sagen immerfort lustige Sachen wie: "Gut geduscht, ist halb gevögelt" oder: "Ich werd jetzt ein paar Fantasien in ihm wecken."
Es gibt viel zu lachen in Stefan Puchers Inszenierung von "Was ihr wollt", insbesondere wenn dann noch Wolfram Koch als stocksteifer Malvolio hinzutritt, als Spießer, der sich über die losen Sitten und die zu laute Musik erregt und sich anschließend zum Strumpfhosen-Narren macht. Für seine komödiantische Hingabe gibt es Szenenapplaus, und sicher zurecht. Diese Shakespeare-Party ist ein Comedy-Abend geworden, schrill und rustikal. Nicht zuletzt dank Jens-Roselts größtenteils kunstlos verheutigter Übersetzung droht das Ganze jedoch ständig ins furchtbar Profane, Glanz- und Gheimnislose abzurutschen. Das ist kein kleines Ärgernis.
Man wähnt sich im Tiefseeaquarium
Pucher, der Pop-Regisseur, wäre nicht er selbst, wenn es nicht Beats gäbe und Gesang, um die Risse im Konzept zu kitten (zumal es sich hier ja um das Stück handelt, das mit den Worten "Wenn die Musik der Liebe Nahrung ist ..." beginnt). Eine zwei Personen-Band ist zur Stelle, und doch: Im Gegensatz zu anderen Abenden des Regisseurs werden ihre Einlagen nicht zu Highlights, sondern zu austauschbaren Pausenfüllern. Immerhin, das Bühnenrund dreht sich und dank reichlicher Fischprojektionen an den Wänden wähnt man sich im Tiefseeaquarium. Außerdem gibt es ein sehr hübsches kleines Fantasie-U-Boot, in dem der liebeskranke Graf Orsino (Andreas Döhler) nölend vor sich hin berlinert und in den Bühnenhimmel schwebt.
Was ihr wollt? Von allem etwas: Dann und wann marschiert auch noch Margit Bendokat vorbei, als strenger Narr mit Oskar-Matzerath-Trommel und ist, wie immer, nur in ihrer eigenen Welt zuhause. Man hat ihr giftiges Schnarren gern, man lacht über sie, auch über all die anderen Schauspieler, die im atemlosen Kabinettstückchenmodus Vollgas geben und immer wieder für fabelhafte, wenn auch denkbar unsubtile Einzelmomente sorgen. Susanne Wolff wirft sich ein blickdichtes Tuch über den Kopf und ist zuverlässig divenhaft, Wolfram Koch weiß nicht, wohin mit einem zusammengeknüllten Briefumschlag, und Bernd Moss versteht in fröhlicher Blödigkeit die Welt nicht mehr.
So etwas wie eine kleine Gänsehaut
Aber da war doch was? Das grausame Spiel mit den Identitäten, es bleibt hängen an einer demonstrativ resoluten Katharina Marie Schubert. Die darf den inneren Konflikt zwischen ihrer männlichen und ihrer weiblichen Seite als verschwitzte Schizo-Nummer geben: Sebastian und seine als Mann verkleidete Schwester Viola sind hier tatsächlich ein- und dieselbe Person. Gegen die freudvoll asoziale Proleten-Show und die Brecht'schen Bendokat-Einlagen aber kann sich dieses fragile Zentrum des Stückes kaum behaupten. Erst am Ende übernimmt es eine sehr eindrucksvolle Videoprojektion, in der die Darsteller zu überlebensgroßen, zweidimensionalen Erscheinungen werden, das Thema in den Fokus zu setzen und vielleicht so etwas wie eine kleine Gänsehaut zu erzeugen.
Feierlich wird da Abschied genommen von allen Versuchen, die heterosexuelle Ordnung herzustellen, auf die das Stück zuzusteuern scheint. Aus der Karnevalsmaskerade wird schlicht-schöner Ernst, und das steht Puchers Abend gut. Zu schade nur, dass die dröhnend vordergründige Lachlust ihm bereits jede Seele ausgetrieben hat, ganz egal wie zerrissen und interessant sie bei genauerer Betrachtung auch gewesen wäre.
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