Stasi-Unterlagenbehörde und Co.

DDR-Aufarbeitung auf dem Prüfstand

Das Archiv der Stasiunterlagenbehörde in Berlin. Die Zukunft der Behörde ist ungewiss.
Das Archiv der Stasiunterlagenbehörde in Berlin. Die Zukunft der Behörde ist ungewiss. © dpa / picture-alliance / Klaus-Dietmar Gabbert
Von Winfried Sträter · 27.04.2016
Die Stasi-Unterlagenbehörde sollte in der heutigen Form abgeschafft werden, kommentiert Winfried Sträter. Die Umstrukturierung sollte aber weiter gehen, das Geld des Staates müsste gezielter eingesetzt werden, um die Demokratisierung der Gesellschaft zu bereichern.
Ilko-Sascha Kowalczuk ist ein temperamentvoller Historiker. Das unterscheidet ihn wohltuend vom seriösen Mainstream der Zunft. In der vorigen Woche veröffentlichte die Tageszeitung "taz" eine Buchrezension von Kowalczuk, die zu einer Generalabrechnung mit der Bundesstiftung Aufarbeitung geriet. Pikant an der Veröffentlichung ist, dass der Text eigentlich im Historiker-online-Portal "H-Soz-Kult" erscheinen sollte, dort aber abgelehnt wurde.
Bei "H-Soz-Kult" gibt es eine Stellungnahme dazu, warum dies nicht geschehen sei. Einer der Gründe: Kowalczuk habe den von Ulrich Mählert – Bundesstiftung Aufarbeitung - herausgegebenen Sammelband "Die DDR als Chance" nicht, wie abgesprochen, rezensiert. Die Details sind hier uninteressant.

Die Rede ist von Ermüdungserscheinungen

Auf jeden Fall hat Kowalczuk seinen Text mit etwas zu viel Wut im Bauch verfasst – das ist ärgerlich, weil er den Kern eines gravierenden Problems trifft. Kowalczuk konstatiert:
"Die Aufarbeitungslandschaft DDR erstarrt immer mehr. Ermüdungserscheinungen und Langeweile sind unübersehbar."
Genau das ist das Problem. Deshalb ist der Plan, die Stasi-Unterlagenbehörde in der heutigen Form abzuschaffen, erstens richtig, und zweitens sollte dieser Akt nur Teil einer viel größer angelegten Neuorganisation der DDR-Aufarbeitung sein. Das betrifft nicht die wissenschaftliche Erforschung der DDR. Die ist gut aufgestellt - vor allem, aber nicht nur - mit dem Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam. Es betrifft auch nicht die Gedenkstätten und ihre Arbeit. Aber es betrifft die Institutionen, die nach 1989 geschaffen wurden, um in der Gesellschaft die Erblast der DDR zu überwinden: die diktatorische Vergangenheit. Eine Vergangenheit, die letztlich bis ins Jahr 1933 zurückreicht.
Die Institutionen, die nach 1989 geschaffen wurden, die Bundesstiftung Aufarbeitung etwa oder das Bautzen-Forum, haben sich sehr stark um das DDR-Unrecht und die Opfer des SED-Regimes gekümmert. Mit Fug und Recht, denn viele Geschädigte brauchten diesen Beistand. Aber etwas Entscheidendes und mehr denn je Bedrohliches hat nicht funktioniert: die Verankerung der Demokratie in der Gesellschaft nach der Beseitigung des Realsozialismus. Demokratie wurde in der ex-DDR 1990 so formal installiert wie 1949 in der Bonner Republik. Die eigentliche Herausforderung war die wirkliche Demokratisierung danach. Wie weit wir davon heute entfernt sind, erleben wir im Aufschwung der rechtspopulistischen Bewegung besonders zwischen Elbe und Oder.

Aufarbeitung neu organisieren

Natürlich sind Institutionen keine Allheilmittel dagegen, aber wenn der Staat viel Geld für die gesellschaftliche DDR-Aufarbeitung ausgibt, dann sollte es da eingesetzt werden, wo es jetzt und künftig dringend benötigt wird: für die Demokratisierung der Gesellschaft. Kowalczuk konstatiert zu Recht, dass diese Aufarbeitung gescheitert ist, weil die Arbeit viel zu wenige ex-DDR-Bürger erreicht hat, sondern vorrangig die Bürgerbewegten, also ohnehin schon demokratisch Gesinnten. Weite Kreise der Bevölkerung hatten vermutlich eher das Gefühl, dass die auf Opferbetreuung konzentrierten Institutionen gemeinsame Sache mit dem Westen machten, um die DDR schlechtzureden. Das kann man beklagen, aber es hilft nicht. Man muss etwas dagegen tun. Deshalb ist es an der Zeit, die gesellschaftliche Aufarbeitung der DDR neu zu organisieren.
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