Start der Bachmann-Gesamtausgabe

Schreiben gegen die Angst

Die österreichische Schriftstellerin Ingeborg Bachmann
Die österreichische Schriftstellerin Ingeborg Bachmann © picture alliance / dpa / Foto: Roland Witschel
Irene Fussl und Hans Höller im Gespräch mit Frank Meyer · 24.02.2017
Sie galt als eine prägende weibliche Stimme in einer männerdominierten Literaturwelt: Ingeborg Bachmann. Die Schriftstellerin wird jetzt mit einer Gesamtausgabe geehrt. Für die Herausgeber versucht die Autorin "aus einem zerrissenen Leben wieder ein Narrativ zu finden".
Die Gesamtausgabe ist eine editorische Mammutaufgabe über viele Jahre hinweg. Am Ende sollen 40 Bände stehen. Jetzt erscheint der erste Band. Er erzählt von einer Autorin die gegen ihre Ängste anschreiben musste.
"Male Oscuro", das Dunkle Übel, so ist der erste Band der neuen Ingeborg-Bachmann-Gesamtausgabe überschrieben. Der Titel meint die Angstneurosen unter denen die Schriftstellerin litt und die sie trotz Therapieversuchen und Psychopharmaka nie los wurde. Die beiden Herausgeber der neuen Gesamtausgabe, Irene Fussl und Hans Höller, beschreiben dieses "dunkle Übel" zwar als Marter - aber auch als Antriebskraft für ihr Schreiben. Nachdem Ingeborg Bachmann 1962, mit Mitte 30, ihren ersten großen Zusammenbruch erlitt, begab sie sich in klinische Behandlung. In dieser Zeit entstanden Briefe an die Ärzte, die von ihrer Krankheit erzählen und von dem Versuch, ihre literarische Stimme wieder zu finden.

Traumprotokolle, Ärzte-Briefe und Reden

Zu dieser krisenhaften Zeit ihrer letzten Jahre gehören auch schwierige persönliche Beziehungen, vor allem die zu Max Frisch – ein Verhältnis das von vielen Beobachtern als zerstörerisch beschrieben wird. In späteren Bänden dieser Salzburger Gesamtausgabe wird auch der lang erwartete Briefwechsel mit dem Schweizer Großschriftsteller nachzulesen sein.
Dieser Auftaktband versammelt nun Traumprotokolle, Ärzte-Briefe und Redeentwürfe. "Es geht hier darum aus einem zerrissenen Leben wieder ein Narrativ zu finden", sagt Herausgeber Hans Höller über diesen Auftaktband.
Und seine Kollegin Irene Fussl fügt hinzu: "Ingeborg Bachmann wollte den kaum gehörten Kranken eine Stimme geben." Dadurch spricht sie für so Viele, die mit psychischen Krankheiten leben müssen, meint die Herausgeberin.
In den nächsten Jahren sollen die weiteren Bände folgen. Für die Nachlassverwalter, allen voran der Bruder Heinz Bachmann, eine Möglichkeit, auf editorisch hohem Niveau das Werk einer der großen Schriftstellerinnen der Nachkriegszeit zugänglich zu machen. Und das noch lange vor Ende der Sperrfrist 2025, die die Erben exklusiv für diese Gesamtausgabe aufgehoben haben.
(vb)

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