Stanislaw Lem

"Solaris" auf der Opernbühne

Kris Kelvin (Nikolay Borchev) und die Baboon (Qiulin Zhang) in "Solaris" nach Stanislaw Lems Roman an der Oper Köln
Kris Kelvin (Nikolay Borchev) und die Baboon (Qiulin Zhang) in "Solaris" nach Stanislaw Lems Roman an der Oper Köln © Oper Köln / Foto: Bernd Uhlig
Von Stefan Keim · 02.11.2014
Der Roman "Solaris" von Stanislaw Lem gilt als Meisterwerk der Science-Fiction-Literatur. In Köln wurde die Geschichte außerirdische Intelligenz, Traum und Wirklichkeit als Oper inszeniert - mit Erfolg, meint unser Rezensent.
Stanislaw Lems Roman "Solaris" ist ein Meisterwerk der Science-Fiction-Literatur. Weil es nicht nur um Menschen im Weltall geht, sondern um eine außerirdische Intelligenz, die mit irdischem Verstand nicht zu greifen ist. Detlev Glanert hat aus diesem Buch eine Oper komponiert. Nach der Uraufführung in Bregenz zeigt nun Köln die deutsche Erstaufführung.
Die einzige Schwäche des Stücks vorweg: Glanert und sein Librettist Reinhard Palm kleben am Menschlichen. Es wäre eine große Herausforderung für das Musiktheater, Klänge und Bilder für den Planeten "Solaris" zu finden, für diesen seltsamen Ozean, der ins menschliche Unterbewusstsein eindringen kann. Der Chor stellt dieses Wesen dar, mit schwebenden Klängen und einzelnen Worten, Sprachfragmenten. Das ist zwar bühnenwirksam, aber ein bisschen konventionell.
Ansonsten ist es kein Problem, dass Glanert in seiner Klangsprache stark auf Traditionen zurückgreift, im Gegenteil. Denn die komplexen seelischen Vorgänge an Bord einer um Solaris kreisenden Forschungsstation brauchen eine verständliche, erzählende Umsetzung, keine weitere Verrätselung. In den leisen Passagen erinnern die Melodien an Puccini, die Textbehandlung wirkt an Britten geschult, wuchtige Orchesterschläge sorgen für Dramatik. Das ist der Stil, in dem Detlev Glanert schon viele Literaturopern geschrieben hat, die häufig nachgespielt werden.
Chaos auf der Raumstation
Der Psychologe Kris Kelvin kommt auf die Raumstation. Er findet ein pures Chaos vor, Kollegen, die sich seltsam benehmen, geisterhafte Erscheinungen. Die Forscher nennen sie "Gäste". Es sind Manifestationen aus ihrem Unterbewusstsein, eine dominante Mutter, ein williges Sexkätzchen, Wesen, die ihnen nahestanden. Der Ozean des Planeten schickt sie. Ober damit eine Absicht verbindet, weiß niemand. Auch Kelvin trifft auf so ein Phantom, seine verstorbene Frau Harey, die sich umgebracht hat. Er will sie loswerden und schießt sie in den Weltraum. Doch kurz darauf ist Harey wieder da, als sei nichts gewesen.
Die Sopranistin Aoife Miskelly singt diese lyrische Rolle natürlich, verletzlich, gefühlvoll und gedankenklar. Denn die Erscheinung begreift, dass sie nicht die echte Harey ist. Sie versucht, sich das Leben zu nehmen, kann es aber nicht. Während Kelvin sich in sie verliebt, ihr das immer wieder schwört, aber sie glaubt ihm nicht. Detlev Glanerts subtile Psychologisierungskunst macht aus dieser Szene einen enorm berührenden Höhepunkt. Grundlegende philosophische Fragen tun sich auf: Muss Glück immer in der Wirklichkeit wurzeln, oder findet man es nicht eher in einer Sphäre des Traums?
Das Glück im Traum
Diese Frage stellt auch das Bühnenbild von Darko Petrovic. Im Gegensatz zur Bregenzer Uraufführung, die in einer realistischen Forschungsstation spielte, steht in Köln ein Wrack auf der Bühne, Weltraumschrott, umgeben von einer knöchelhoch mit Wasser gefluteten Spielfläche. Das unterstreicht den surrealen Charakter der Handlung und sorgt für starke Bilder. Regisseur Patrick Kinmonth, der oft mit Robert Carsen zusammen gearbeitet hat, sorgt mit einer ebenso lebendigen wie nachvollziehbaren Personenführung für packendes Musik-Theater.
Neben der wunderbaren Aiofe Miskelly überzeugt das gesamte Sängerensemble. Nikolay Borchev singt die Riesenrolle des Kris Kelvin mit schlankem, zwischentonreichem Bariton. Martin Kochs Tenor wandelt als Kybernetiker Snaut zwischen hellem Wohlklang, neurotischen Momenten und Musicalzitaten. Und Bjarni Thor Kristinsson gebürt als Dr. Sartorius schon tiefer Respekt für die Leistung, eine Menge medizinischer Fachbegriffe punktgenau in Gesangslinien zu packen. "Solaris" ist eine anspruchsvolle Oper mit großer, leiser Innenspannung. Die Kölner Aufführung in der Ausweichspielstätte am Dom wird ihr in jeder Hinsicht gerecht.

Weitere Aufführungen gibt es am 6., 8., 12., 14. und 16. November in der addon.

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