Spitzengehälter

Warum Manager Obergrenzen beim Gehalt fürchten

Monopoly-Spiel: Hohe Managergehälter stehen in der Kritik.
Hohe Managergehälter stehen in der Kritik. © picture-alliance/ dpa / Wolfram Steinberg
Von Michael Hartmann · 14.03.2017
Die besten Manager gehen dorthin, wo am meisten gezahlt wird, sagen diejenigen, die hohe Spitzengehälter verteidigen. Die Wirklichkeit sieht anders aus: Das Gehalt sei nur einer von vielen Faktoren bei der Besetzung von Vorstandsposten, meint Michael Hartmann.
Trotz aller Abfindungsskandale und Gehaltsexzesse gibt es sie, die Verteidiger hoher Managergehälter, und sie halten den Kritikern, die eine gesetzliche Begrenzung fordern, immer wieder eines entgegen: Wenn man weniger zahle, bekomme man die wirklich guten Manager wegen des harten internationalen Wettbewerbs um die Spitzenkräfte nicht. Die besten gingen eben dorthin, wo am meisten gezahlt würde.
Diese Position reicht bis in die SPD hinein, die jetzt im Wahlkampf für eine Begrenzung wirbt. Harald Christ, Präsidiumsmitglied des SPD-Wirtschaftsforums, warnt in der Süddeutschen Zeitung vom 27. Februar vor einer gesetzlichen Beschränkung, weil man sonst "wohl nur noch Zweite-Liga-Manager bezahlen" könne.

Hohe Gehälter kein Magnet für Spitzenmanager

So plausibel sich diese Argumentation erst einmal anhört, einer empirischen Überprüfung hält sie nicht stand. Sollten die Topmanager tatsächlich dorthin gehen, wo sie am meisten verdienen, müssten sich die besten unter ihnen dort konzentrieren, wo die höchsten Einkommen winken. In internationalen Vergleichsstudien liegen die Manager in den USA in dieser Beziehung stets an der Spitze, weit vor allen anderen. Danach kommen ihre Kollegen in der Schweiz. Mit etwas Abstand folgen dann die Topmanager in den deutschen, britischen, spanischen und französischen Großkonzernen. Die Unterschiede zwischen letzteren sind nur gering. Teilweise ändert sich sogar die Reihenfolge je nach Studiendesign.
Man sollte also vermuten, dass die USA wie ein Magnet auf Spitzenmanager in aller Welt wirken, gefolgt von der Schweiz, es zwischen den anderen vier Ländern dagegen in punkto Attraktivität keine großen Unterschiede gibt. Faktisch ist es ganz anders. In der Schweiz werden zwar tatsächlich 18 der 25 größten Unternehmen von Ausländern geleitet, bei den 300 vergleichbar großen US-Konzernen trifft das aber nicht einmal auf jeden achten zu. Auch für die anderen vier großen Industrieländer zeigt sich kein Zusammenhang zwischen Gehaltshöhe und Ausländeranteil.
In Großbritannien gibt es mit einem Drittel einen sehr hohen Prozentsatz an ausländischen Topmanagern. In Deutschland sind es immerhin noch knapp 15 Prozent. In Frankreich dagegen werden nur vier der 100 führenden Großunternehmen von einem Ausländer geleitet, in Spanien sogar kein einziges.

Heftige Diskussion um kleinen Personenkreis

Offensichtlich spielen bei der Besetzung von Toppositionen andere Faktoren wie Sprache oder nationale Karrieretraditionen eine entscheidendere Rolle als das Gehalt. Für das Argument, man bekäme die wirklich guten Manager nur mit den momentan gezahlten Spitzengehältern, spricht daher wenig. Sonst ließe sich auch nicht erklären, warum in Österreich, wo deutlich weniger gezahlt wird, gleich zwei der führenden Großunternehmen von Deutschen geleitet werden, in den USA, Großbritannien und Frankreich aber nur je eines.
Es bleibt die Frage, warum es überhaupt so eine heftige Diskussion mit so erstaunlich vielen Befürwortern hoher Gehälter gibt, obwohl es hier nur um eine sehr kleine Gruppe von nicht einmal 200 Personen geht?
Die Erklärung ist ganz einfach. Sie bilden mit ihren Einkommen die Messlatte für die Gehälter der anderen hohen Führungskräfte, eine ungleich größere Personengruppe. Ob es sich um die Geschäftsführer von mittelständischen Unternehmen handelt, die Vorstände von Sparkassen, die Chefs der großen Krankenkassen oder den Vorsitzenden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, sie alle haben von dem drastischen Anstieg der DAX-Gehälter profitiert. Heute verdienen sie mit 250.000 bis knapp 400.000 Euro pro Jahr fast so viel wie die DAX-Vorstände Anfang der 1990er Jahre. Damals lag deren Durchschnittseinkommen bei einer halben Million, heute fast sieben Mal so hoch.
Das Durchschnittseinkommen der Beschäftigten insgesamt ist im gleichen Zeitraum dagegen nominal nur um 50 Prozent gestiegen, real sogar um weniger als zehn Prozent. Die DAX-Vorstände repräsentieren in punkto soziale Ungleichheit also die berühmte Spitze des Eisbergs, und der aktuelle Vorstoß von VW lässt das Eis nur um ein paar Millimeter abschmelzen.

Michael Hartmann, geboren 1952 in Paderborn, Professor i.R. für Soziologie an der TU Darmstadt. Arbeitsschwerpunkte: Eliten-, Management- und Hochschulforschung im internationalen Vergleich. Wichtige Buchveröffentlichungen: "Der Mythos von den Leistungseliten", Frankfurt a. M. 2002; "Elitesoziologie", Frankfurt a. M. 2004; "Eliten und Macht in Europa", Frankfurt a. M. 2007; "Soziale Ungleichheit – Kein Thema für die Eliten?", Frankfurt a. M. 2013. "Die globale Wirtschaftselite. Eine Legende". Frankfurt a.M. 2016.

Michael Hartmann, Soziologe, aufgenommen am 07.09.2011 während der ARD-Talksendung "Anne Will" zum Thema: "Euer Geld möchte ich haben!" in den Studios Berlin-Adlershof.
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