Spirit 'n' Jazz

Von Thilo Guschas · 07.02.2009
Es ist viel gesagt worden über das Miteinander von Christen und Muslimen und seine Probleme. Das Jazzprojekt "Spirit 'n' Jazz" versucht, Gemeinsamkeiten "hörbar" zu machen und einen musikalischen Schutzraum zu schaffen, in dem sich beide Religionsgemeinschaften begegnen können - abseits von Vorurteilen und Misstrauen.
"Die Gemeinsamkeiten sind viel zu unbekannt und sind so groß. Zum Beispiel, dass Jesus der zweitwichtigste Prophet für die Muslime ist. Das heißt dann ja, alles, was dieser Jesus gesagt und getan hat, ist richtig, ist Gottes Wille."

Sagt Gunter Hauser, Pianist, Pfarrer und Musikproduzent.

Wo liegen die Gemeinsamkeiten zwischen Christen und Muslimen? Dieser Frage spürt die Band "Spirit'n'Jazz" nach - und zwar ohne Worte. Auch eine Gesangsstimme kann eine religiöse Suche ausdrücken, meint Leyla Tugal, die Frontfrau der Band.

Gunther Hauser hat die Sängerin für das Projekt entdeckt. Sie lebte damals in einer Jugendhilfe-Einrichtung, in der Hauser ehrenamtlich als Pfarrer arbeitet. Dort haben die beiden begonnen, gemeinsam Musik zu machen.

Leyla Tugal: "Ich weiß, wenn ich anfange zu singen, dass dann Gott in mir wirkt, dass ich davon einfach mitbringe, dass dann viel herauskommt. Ich muss ehrlich dazu sagen, dass ich als Muslimin geboren bin. Ich habe mich mit 16 katholisch taufen lassen. Zwei Jahre später bin ich wieder ausgetreten, und ich bin schon mein Leben auf der Suche nach Gott."

Ursprünglich war die Band ein rein musikalisches Projekt. Aber man diskutierte, gern und viel. Zum Beispiel über "Du sollst dir kein Bildnis machen". Das biblische Gebot ähnelt doch dem islamischen Bilderverbot, meinte die Gruppe. Sind die Gottesbilder bei Christen und Muslimen wirklich so verschieden? Nach solchen religiösen Diskussionen ging es zurück an die Instrumente. Gunter Hauser:

"Wir haben einfach losgelegt, und es hat gefunkt. Es sind an einem Abend fünf Jazzstücke entstanden. Wir haben hinterher erst registriert, was wir da gemacht haben - dass wir nämlich eigentlich unsere Gespräche weitergeführt haben auf musikalischer Ebene."

Diese musikalischen "Gespräche" will die Band weitergeben und verbreiten, an interkulturell interessierte Menschen. Sie spielt in Kirchen und auf Kirchentagen. Vergangenen Sommer hat sie eine CD herausgegeben. Dabei setzen die Musiker auf Mund-zu-Mund-Propanda. Darauf, dass es sich herumspricht, dass sie theologische Debatten führen - auf musikalischem Wege.

Wie zum Beispiel im Stück "Dad and I". Bibel und Koran stimmen überein: Man soll zärtlich sein zu den Eltern, sie lieben. Auch Gott soll man lieben, wie einen eigenen Vater. Auch wenn da einmal Zweifel sind. Wie kann Gott es zulassen, dass es Leiden in der Welt gibt. Ein weiteres Thema, das Muslime ebenso berührt wie Christen.

Gunter Hauser: "Und daraus entstand dann auch die Idee, dass wir zu diesen Themen unserer Jazzstücke sowohl Bibelstellen als auch Koranstellen setzen könnten, die diese Gemeinsamkeiten sichtbar machen könnten."

Eberhardt Koch: "Das, was ich mit Worten nicht erreichen kann, schafft er vielleicht mit seiner Musik."

Eberhard Koch, Pfarrer. Die Band sprach ihn an. Ob er nicht passende Bibelstellen heraussuchen wollte.

Eberhardt Koch: "Dann habe ich mir den Titel angeguckt, geguckt, über was sie geredet haben, und bin einfach mit mir in die Stille gegangen, habe die Musik angehört und habe geguckt, welche Bibeltexte mir einfallen."

"Du sollst nicht falsch gegen deinen Nächsten aussagen", wählt der Pfarrer zu diesem Song aus. Die Band gewinnt auch einen Imam. Er heißt Halim Garip und sucht die Koranpassagen aus. Doch die Bibel- und Koranstellen werden nicht gesungen. Sie sind nur im CD-Heft abgedruckt. Das ist wichtig. Denn im Islam wird Musik misstrauisch beäugt. Sie steht in Verdacht, die Texte zu verfälschen.

Halim Garip: "Musik darf niemanden ins Dunkle stürzen. Sie soll niemanden von Gott entfernen. Es ist wichtig, dass sie gute Botschaften vermittelt. Und das macht dieses Projekt. Es ist islamisch in Ordnung."

Eine liberale Auslegung, die allerdings nicht so weit geht, dass Korantexte gesungen werden. Angedacht ist allerdings ein Auftritt in einer Moschee. Dies könnte ein brenzliges Vorhaben werden. Pfarrer Koch hat solche Konzerte schon in mehreren Kirchen ermöglicht. Wechselweise wurde aus Bibel und Koran gelesen. Dies gefiel einigen Gemeindemitgliedern ganz und gar nicht. Schließlich mussten sogar zwei Konzerte abgesagt werden.

Eberhardt Koch: "Es gibt Menschen, die eine große Angst haben, dass wir unsere eigene Religion verraten. Da spricht ganz viel Unsicherheit im eigenen Glauben heraus. Es gibt einfach Menschen, die Angst haben, da könnte etwas passieren, das ich nicht mehr im Griff habe. Das Gegenteil ist der Fall."

Für diesen Radiobeitrag wagt die Band ein Experiment. Gunter Hauser spielt Trommel, Layla Tugal singt dazu. Gemeinsam mit Imam und Pfarrer spüren sie den Gedanken nach: Wie kann man sie überwinden, die religiöse Kluft zwischen Christen und Muslimen?

Gunter Hauser: "Ich denke an meinen ersten Besuch in einer Moschee, wo ich den Imam Halim Garip kennengelernt habe und davon fasziniert war, wie er gleich in einem zweiten Satz sagen konnte 'Die Bibel ist für uns ein heiliges Buch' oder 'Jesus ist der zweitwichtigste Prophet für Muslime'."

Halim Garip: "Mir fällt dazu eine Redewendung ein: 'Die Menschen verstehen sich über das Miteinander-Reden. Und die Tiere verstehen sich, indem sie sich beriechen.'"

Leyla Tugal: "Wir sollen ja nicht begrenzt sein. Ich glaube nicht, dass Gott das möchte."

Eberhardt Koch: "Ich glaube, was nicht das Ziel des Dialogs sein soll und sein kann - das wäre jetzt noch ein kritischer Punkt -, es wird irgendwie ein Einheitsbrei daraus, wir verstehen uns alle, es ist alles wunderbar und es gibt keine Unterschiede."

Gunter Hauser: "Ich denke, dass wir vom Einheitsbrei meilenweit entfernt sind, Eberhard. Ich denke, dass wir gefahrlos darauf lossteuern könnten, die positiven Gemeinsamkeiten zu betonen, die zu sehen, zu verbreiten, weil sie vielen Menschen unbekannt sind. Vom Einheitsbrei sind wir ganz, ganz weit weg."

Eberhardt Koch: "Mir war das nur wichtig, das so deutlich zu sagen, um die Kritiker in den eigenen Reihen nicht auf den Plan zu rufen, die sagen: 'Na, die wollen ja sowieso nur Einheitsbrei und Multikulti, die kennen gar nicht mehr, was das Besondere in der eigenen Religion ist.'"