Spekulationsblasen

Eine Tulpe für 10.000 Gulden

Rote Tulpen
1637 stiegen die Preise für Tulpenzwiebeln in exorbitante Höhen. © Jan-Martin Altgeld
Von Caspar Dohmen · 02.12.2014
Erst Euphorie, dann Panik: An den Märkten haben sich im Laufe der Geschichte immer wieder Blasen gebildet. Ihr Platzen kann ganze Volkswirtschaften ins Chaos stürzen. Warum lernen die Menschen nicht endlich dazu?
Wie kostbar doch eine einzelne Tulpe sein kann! Als die Gartentulpe im 16. Jahrhundert aus Zentralasien nach Europa gelangte, waren die Menschen fasziniert von ihren leuchtenden Farben. Die Blume avancierte zum Statussymbol. Die Preise für die Tulpenzwiebeln stiegen und einige Menschen spekulierten nun damit. Der Spitzenpreis für eine Tulpe betrug 1637 schließlich 10.000 Gulden – das vierzigfache des damaligen Jahresverdienstes eines Handwerkers. Aber irgendwann trauten die Ersten der Sache nicht mehr. Die Preise gaben nach. Als immer mehr Zwiebeln verkauften, kam es zu einer Panik. Nach dem Muster der Tulpenkrise sollten viele weitere Finanzkrisen verlaufen.
Die erste Aktienblase platzte im 17. Jahrhundert in Frankreich. Nachdem sich das Versprechen der sogenannten Mississippi-Gesellschaft auf Goldfunde im amerikanischen Louisiana als Lug und Trug erwies.
Ein gewaltiger Börsencrash beendete 1873 die Gründerzeit in Deutschland. 700 Aktiengesellschaften wurden zahlungsunfähig und das allgemeine Lohnniveau sank um ein Fünftel.
Ende der 1990er-Jahre euphorisierte der Siegeszug des Internets die Anleger. Wenig später implodierte die sogenannte New Economy.
Karl Marx fand die Krise "beautiful"
Erstmals hatte 1857 das Platzen einer Spekulationsblase weltweite Folgen. Auslöser war die Pleite einer Versicherung in den USA. Darauf purzelten die Aktienkurse und Banken konnten ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen. Tausende Unternehmer und Banken rund um den Globus gingen bankrott. Kapitalismuskritiker sahen sich in ihrer Skepsis bestätigt. So schrieb der Wirtschaftstheoretiker Karl Marx begeistert an seinen Freund Friedrich Engels:
"Die americanische Crise – von uns in der Novemberrevue 1850 als in New York ausbrechend hervorgesagt – ist beautiful."

Die Hoffnung der beiden Untergangspropheten erfüllt sich nicht, der Kapitalismus überdauert, trotz ständiger Blasen und Krisen. 2007 löste eine geplatzte Immobilienblase in den USA das letzte weltweite Wirtschaftsbeben aus. Laut dem Ökonomen Charles Kindleberger wiederholt sich bei Blasen immer wieder der gleiche Zyklus von ökonomischer Hoffnung, Euphorie, Ernüchterung und Panik.
Warum lernen die Menschen nicht dazu? Einen wichtigen Hinweis liefert der Ökonom John Maynard Keynes, für den Investitionen vor allem eine Sache tierischer Instinkte waren.
"Abgesehen von der Instabilität, die aufgrund von Spekulation entsteht, ergibt sich Instabilität auch aus der menschlichen Natur, aufgrund der ein großer Teil unserer positiven Aktivitäten, seien sie moralischer oder hedonistischer oder wirtschaftlicher Art, eher von spontanem Optimismus als von mathematischen Kalkulationen abhängt."
Die Erwartungen der Anleger sind nie ganz rational
Der Ökonom Hyman Minsky knüpft an Keynes an und beschreibt zwei Preissysteme im Kapitalismus: Erstens gibt es die Preise für normale Güter wie Brötchen, Smartphones oder Bahnfahrten. Sie ergeben sich aus den Produktionskosten und einem Aufschlag, den der Unternehmer versucht am Markt durchzusetzen.
Zweitens gibt es das Preissystem für Vermögenswerte wie Aktien oder Immobilien – es funktioniert völlig anders. Deren Preis richtet sich nach den erwarteten Erträgen der Anleger. Weil die Erwartungen der Anleger nie völlig rational seien - sondern von tierischen Instinkten mitbestimmt werden - entstehen Ungleichgewichte mit Spekulationsblasen. Minsky hielt die Finanzinstitutionen des Kapitalismus für:
"Von sich aus ruinös."
Minsky widersprach fundamental der herrschenden ökonomischen Lehre, derzufolge die Märkte von selbst zu einem Gleichgewicht tendieren.
Spekulationsblasen werden regelmäßig genährt durch billiges Geld. Viele Anleger kaufen Vermögenswerte auf Pump. Der Historiker Nial Ferguson schreibt in seiner Geldgeschichte:
"Dass eine echte Blase ohne leichte Kreditschöpfung nicht entstehen kann. Deshalb haben so viele Blasen ihren Ursprung in den Fehlentscheidungen und Unterlassungssünden von Zentralbanken."
Weil der Mensch ein soziales Wesen ist, bewegt er sich oft mit der Herde. Da gibt es übrigens keinen Unterschied zwischen Laien und Profis. Hormonforscher wiesen zuletzt hormonelle Schwankungen bei den Finanzhändlern nach: Im Aufschwung beobachten sie höhere Ausschüttungen von Testosteron im Blut, was die Euphorie der Händler erklärt. Dagegen stiegen im Abschwung die Werte der Stresshormone und von Cortisol, ein Beleg für die Risikoscheu der Händler.
Als sozialpsychologische Phänomene lassen sich Blasen auch kaum kontrollieren, zumal Spekulationsblasen eben doch anders funktionieren als Seifenblasen. Sie können durchaus einige Male an- oder abschwellen, bevor sie platzen. Der Ökonom Robert Shiller:
"Spekulationsblasen enden nicht wie eine Kurzgeschichte, ein Roman oder Theaterstück. Es gibt keine endgültige Auflösung, die alle Stränge der Handlung zu einem beeindruckenden Finale zusammenführt. Im wahren Leben weiß man nie, wann die Geschichte ein Ende hat."
Mehr zum Thema