SPD-Linke

"Wie ein aufstampfendes Rumpelstilzchen"

Der SPD-Politiker Ralf Stegner
Der Partei-Linke Ralf Stegner legt Wert auf die Feststellung: Sein Parteilflügel sei sehr einflussreich. © dpa / picture-alliance / Markus Scholz
Moderation: Julius Stucke · 15.11.2014
Lange hat man wenig von ihnen gehört - nun möchten sich die SPD-Linken mit der "Magdeburger Plattform" selbst reanimieren. Der Politologe Peter Grottian sieht den linken Flügel jedoch ohne großen Einfluss. Das zeige auch SPD-Vize Ralf Stegner.
Die neu gegründete "Magedeburger Plattform" trifft sich an diesem Wochenende - die SPD-Linke hofft, mit Hilfe dieses Bündnisses wieder mehr mitreden und mitmischen zu können. Der Politologe Peter Grottian sieht die sich derzeit neu formierenden Parteilinken jedoch praktisch ohne Einfluss.
Im Deutschlandradio Kultur sagte der emeritierte Professor der Freien Universität Berlin, zwar sei es zu begrüßen, dass die SPD-Linke "reanimiert" werde, jedoch erinnerten ihn die Beteuerungen des SPD-Linken Ralf Stegner, wie viel Einfluss sein Parteiflügel habe, an "ein aufstampfendes Rumpelstilzchen - nach dem Motto: Ich bin ja doch in irgendeiner Form einflussreich".
Grottian sagte weiter, bei Themen wie Bankenregulierung oder Flüchtlingspolitik sei "nichts zu hören" von der Linken. Die wichtigen Entscheidungen in der Großen Koalition seien längst gefallen - die Linken seien bei allem zu spät gekommen. Die Linke sei zwar "mit ein paar Erklärungen da, aber nicht wirklich präsent". Der Durchschnittsbürger könne weder Ideen noch prägende Gesichter mit der SPD-Linken verbinden - weil sie jahrzehntelang keine Rolle gespielt habe.
Wenn man in den Memoiren des Ex-Bundeskanzlers Gerhard Schröder lese, er habe Angst gehabt, von den SPD-Linken gestürzt zu werden, "dann kommt einem das alles ziemlich absonderlich vor". Im Übrigen befürchte er, dass sich Parteichef Sigmar Gabriel mit seiner "Mitte-Position" durchsetzen werden.
Das Interview im Wortlaut:
Julius Stucke: Die Linke in der SPD will sich neu aufstellen, das hat auch damit zu tun, dass der linke Flügel seit einiger Zeit zerstritten ist. Viele Parteilinke waren aus der bisherigen Plattform der Demokratischen Linken ausgetreten, und nun also der Versuch, die Linke neu zu konzentrieren, verbunden mit klaren Attacken gegen Parteichef Sigmar Gabriel. Wie bedeutsam ist das für die SPD? Zerlegt sie sich oder ist das ein wichtiges Lebenszeichen? Darüber spreche ich mit einem, der die politische Landschaft stets aufmerksam verfolgt hat und, wenn man nun schon von diesen Richtungen rechts und links spricht, wohl noch ein gutes Stück weiter links steht als die Durchschnitts-SPD: Der emeritierte FU-Politikwissenschaftsprofessor Peter Grottian. Schönen guten Morgen!
Peter Grottian: Einen schönen guten Morgen!
Stucke: Die SPD hatte ja ziemliche Angst, in einer erneuten Großen Koalition von Angela Merkel neutralisiert zu werden. Muss also allen Angriffen zum Trotz Sigmar Gabriel jetzt eigentlich ganz dankbar sein, dass die Linke in der SPD aufwacht und nach einem Profil sucht?
Grottian: Na, dankbar wird er wahrscheinlich nicht sein, aber er wird es als relativ normal halten. Denn man darf nicht vergessen, wenn man einen Hörer oder eine Hörerin, die recht informiert sind, fragt, sagen Sie mal, was wissen Sie denn von einer Linken in der SPD, dann würde denen kein Gesicht einfallen oder kaum ein Gesicht einfallen und auch kein Programm einfallen, keine wirkliche Idee. Mit anderen Worten: In den Verhandlungen über die Große Koalition, ich will mal vom Mindestlohn absehen, den sie durchgesetzt haben, spielte die Linke im Grunde genommen im Gegensatz zu viel früheren Jahrzehnten keine wirkliche Rolle.
Und was jetzt eigentlich kommt, ist so was Ähnliches wie Reanimation. Also, man versucht ein bisschen die Linke wieder aufzubauen. Das ist eigentlich ein sehr löblicher und wichtiger Vorgang, damit diese SPD auch wieder lebendig ist. Denn eigentlich sind die wichtigsten Entscheidungen längst gefallen in der Großen Koalition und sie kommen ein bisschen spät, und die Reorganisation, die jetzt die Linke versucht, ist ein bisschen sehr spät innerhalb des Machtgefüges der Großen Koalition.
Die Partei-Linke spielt keine Rolle
Stucke: Wobei natürlich mindestens eine Linke der SPD dann doch den meisten einfallen dürfte, das ist Andrea Nahles, die auch mit dem Mindestlohn verknüpft ist, und dann vielleicht noch der SPD-...
Grottian: Ja, aber die ist ja auch ausgetreten ...
Stucke: Ja, aus der Demokratischen Linken, das stimmt. Und dann noch der SPD-Vize Ralf Stegner, der hat kürzlich mal in einem Interview gesagt, die Parteilinke sei wesentlich erfolgreicher als immer behauptet werde, also als Sie auch gerade sagen, und habe in der Koalition viel durchgesetzt. Da scheint er dann Ihrer Ansicht nach an Überschätzung seines Flügels zu leiden?
Grottian: Da habe ich auch den Eindruck. Denn auch Ihr Korrespondent hat zu Recht ja gesagt, in wichtigen Fragen, also der Wirtschaftspolitik, wenn man sich überlegt, wie zum Beispiel Banken bisher reguliert worden sind, nachdem das also angeblich als ganz notwendig eingestuft wurde, da ist nichts zu hören; bei der Flüchtlingspolitik zum Beispiel, auch ein wichtiges Thema im Moment, ist die Linke zwar mit ein paar Erklärungen da, aber nicht wirklich präsent. Also, man kann bei vielen Punkten, bis zu den Waffenexporten, eigentlich sagen, ja, sie melden sich zu Wort, aber sie spielen eigentlich in der Partei gar keine Rolle. Und wenn man noch mal daran denkt, dass zu Schröders Zeiten Herr Schröder in seinen Memoiren schreibt, er habe Angst, von den Linken gestürzt zu werden, dann kommt einem das alles ziemlich absonderlich vor.
Stucke: Aber wie wichtig ist denn das jetzt für die Zukunft der Partei? Ich meine, es ist zwar noch ein bisschen hin, aber irgendwann stehen ja dann wieder Wahlen an. Braucht die SPD bis dahin ein linkes Profil, um eben nicht mit der CDU, sagen wir mal, in der Mitte zu verschwimmen?
Grottian: Na ja, sie braucht schon ein linkeres Profil, gar keine Frage, und Gabriel will das ja genau nicht. Gabriel will im Grunde genommen eigentlich durch Kompetenz in der Wirtschaft und auf anderen Feldern in der Mitte natürlich gewinnen. Und dieses Gewinnen hat er sehr stark daran geknüpft, dass er sich mit der Wirtschaft nicht zu stark anlegt. Und die Linke fordert ja in ihrem Aufruf genau, dass man da wieder sehr viel konfliktfähiger wird. Und das sieht im Grunde genommen nicht so aus, als ob es wirkt.
Man muss jetzt einfach ganz vorsichtig sagen: Es ist wirklich der Versuch, wieder die Linke zu reanimieren und sie überhaupt wieder einigermaßen hoffähig zu machen, sowohl mit einem Programm als auch mit Personen, die dann möglicherweise viel Einfluss haben. Das ist ein fürchterlich normaler Vorgang, das hat nichts Spektakuläres, das ist eigentlich eine Sache, die in einer großen Volkspartei wie der SPD eigentlich ganz normal ist.
Trotzreaktion: "Wir sind erfolgreicher als man denkt."
Stucke: Das klingt aber auch so, als wären Sie davon überzeugt, dass sich Sigmar Gabriel im Prinzip am Ende mit seiner Linie in Richtung Mitte durchsetzen wird?
Grottian: Ja, das glaube ich auch, dass er sich durchsetzen wird, weil eigentlich die Milch, um Einfluss zu nehmen, längst vergossen ist. Wenn man hätte zeigen wollen, dass man einflussreich ist, dann wäre das im Koalitionsvertrag gewesen bei verschiedenen Feldern. Da ist aber nicht sehr viel Einfluss zu sehen. Da mag auch Stegner von den Linken ständig behaupten, sie seien viel erfolgreicher, als man denkt. Aber schon diese Formulierung zeigt, dass es wie ein aufstampfendes Rumpelstilzchen wirkt nach dem Motto, ich bin ja doch in irgendeiner Form einflussreich! Nein, die Weichen sind anders gestellt und Gabriel hat ja auch eine durchaus vorzeigbare Integrationsleistung hingelegt für die SPD, die ja auch anerkannt wird. Insofern wird es für die Linke sehr schwer, was zu ändern. Aber dass sie sich überhaupt sammelt ...
Stucke: Ist schon mal was wert.
Grottian: ... und wieder den Versuch macht, sozusagen ein eigenes Profil wieder zu gewinnen, das ist in der Parteienlandschaft wichtig und ist auch für die Überlebensfähigkeit der SPD wichtig. Denn was wäre die SPD ohne einen wirklich linken Flügel?
Stucke: Sagt der emeritierte FU-Politikwissenschaftsprofessor Peter Grottian über die Versuche der SPD-Linken, sich neu zu sortieren. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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