Sonne, Strand und Steuerflucht

Moderation: Ute Welty · 26.03.2013
Zypern, Malta, Kaiman - immer wieder sind es Inselstaaten, die als Steueroasen Negativschlagzeilen produzieren. Warum ausgerechnet in diesen Ländern das große Geld geparkt wird, erklärt der Wirtschaftshistoriker Paul Thomes.
Ute Welty: Zypern, Malta, Kaiman – alles drei Inseln und gleichzeitig Oasen, nämlich Steueroasen. Und warum eine Insel praktisch die ideale Oase ist, das kläre ich jetzt zusammen mit Paul Thomes, Wirtschaftshistoriker an der RWTH in Aachen. Guten Morgen in die Kaiserstadt!

Paul Thomes: Guten Morgen, Frau Welty.

Welty: Eine Insel mit zwei Bergen und im tiefen weiten Meer – warum beschreibt das das perfekte Steuerparadies?

Thomes: Das beschreibt das perfekte Steuerparadies deshalb, weil die Insel klein ist, Sie brauchen nicht sehr viel Infrastruktur, Sie haben auch nur wenig Platz für Menschen, und von diesen Voraussetzungen ausgehend, müssen Sie sich ein Geschäftsmodell überlegen. Und das Geschäftsmodell könnte lauten: wenig Steuern. Damit locke ich Kapital an. Gleichzeitig gelingt es mir, trotzdem meine Gemeinschaftsaufgaben zu erfüllen.

Welty: Warum? Eine Steueroase, Sie haben es ja gerade erwähnt, zeichnet sich ja dadurch aus, dass die Steuern eben gering ausfallen. Warum kann man sich das auf einer Insel eher leisten als woanders?

Thomes: Nun ja, denken Sie an einen Flächenstaat. Ein Flächenstaat braucht eine Menge an Versorgungsinfrastruktur, Verkehrsinfrastruktur, in der Regel wohnen sehr viele Menschen dort. Sie brauchen entsprechende Institutionen, die für Ausbildung sorgen, und verschiedenes mehr, und alle diese Aufgaben entfallen eben auf einem kleinen Territorium.

Welty: Heißt das im Umkehrschluss, dass es für die tiefenreine Geldwäsche Meerwasser sein sollte?

Thomes: Ja, das ist ein schöner Vergleich. Es können auch die hohen Berge sein, wie wir wissen, also wenn wir beispielsweise an die Schweiz denken, an Liechtenstein denken. Da sieht man aber auch, dass die Voraussetzungen ganz unterschiedlich sein können. Schweiz, Liechtenstein, sicherlich ein wichtiger Faktor. Dieser Transitfaktor, die Insel, abgelegen, wobei abgelegen in einer globalisierten Welt heute ja relativ ist und auch diese Geschäftsmodelle interessant macht, denn in einer digitalen Welt können Sie ja Kapital beispielsweise mit einem Klick bewegen, von Zypern, ich sage mal, auf die Kaiman-Inseln. Deshalb ist auch die Politik im Moment etwas zweischneidig. Wenn man Zypern die Grundlagen des Geschäftsmodells nimmt, hat man das Problem nicht gelöst; die Gelder verlagern sich woanders hin, möglicherweise komplett außerhalb des Kontrollbereichs der EU.

Welty: Aber nach Ihrer Beschreibung von eben ist die Schweiz ja eigentlich eher untypisch: zu groß im Grunde genommen für eine Steueroase und Meer gibt es ja so direkt auch nicht. Ist die Schweiz eben dann die Ausnahme, die die Regel bestätigt?

Thomes: Die Schweiz hat eine gute Mischung. Das ist der zentrale Punkt. Zypern hat keine gute Mischung, im Prinzip nur zwei Standbeine: ich sage mal den Finanzsektor und den Tourismus. Tourismus wäre zu entwickeln, aber das dauert natürlich eine Zeit lang. Vielleicht helfen die zehn Milliarden, die jetzt von der EU kommen, ja, um diese Dinge zu entwickeln, aber sie schneiden Zypern natürlich das finanzielle Standbein ab. Das heißt, Zypern ist nicht gerettet im Moment, sondern die Probleme kommen erst, weil Zypern ja ein neues Geschäftsmodell aufbauen muss.

Und das Problem lag auch gar nicht im Bankensektor, würde ich mal sagen; es lag schlicht und einfach daran, dass die Banken ihre Risiken zu unterschiedlich verteilt hatten. Man hört ja, ein Großteil des Kapitals sei in Griechenland investiert, und das macht jetzt die Probleme. Wenn der Bankensektor möglicherweise diversifizierter gewirtschaftet hätte, wäre auch das Geschäftsmodell am Leben. Die Schweiz ist diversifizierter, hat aber auch ihre Probleme, Luxemburg ganz ähnlich. Es kommt am Ende auf die richtige Mischung an, wobei man immer erst weiß, was richtig ist, wenn die Situation eingetreten ist. Leichter gesagt als getan.

Welty: Das ist ja meistens so im Leben. – Wenn Sie in diesem Zusammenhang noch mal die Cayman Islands in den Blick nehmen, den fünftgrößten Finanzplatz der Welt mit nur 50.000 Einwohnern, wie lange kann ein solches System stabil bleiben?

Thomes: Unendlich, würde ich mal sagen. Also die Geschichte hat gezeigt, dass diese Systeme sehr langlebig sind. Es kommt halt immer darauf an, das Risiko, ich sage mal, richtig einzuschätzen, beziehungsweise wichtiger noch, das Risiko entsprechend zu verteilen. Die Frage, wie lange dieses Geschäftsmodell bleibt, ist davon abhängig, wie lange die Weltgemeinschaft es duldet. Wir haben aber keine Sanktionsmöglichkeiten, brauchen auch keine. Wenn die Dinge funktionieren, ist den 50.000 Leuten, die auf dem Kaiman-Inseln leben, bestens damit gedient.

Welty: Grau ist eben alle Theorie auch in der Wirtschaftsgeschichte.

Thomes: Ja!

Welty: Paul Thomes, Wirtschaftshistoriker an der RWTH in Aachen, und nach diesem Gespräch hier dürfen Sie sich gerne auf eine Insel Ihrer Wahl zurückziehen. Ich danke Ihnen sehr!

Thomes: Ja, ich danke ebenfalls. – Gerne! – Auf Wiedersehen!


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