Songwriter Ron Sexsmith

Musik wie antike Möbel

Der kanadische Sänger Ron Sexsmith steht bei einem Konzert am 23.11.2008 im Frannz Club in Berlin vor einem Mikrofon und spielt Gitarre.
Der kanadische Sänger Ron Sexsmith bei einem Auftritt im Frannz Club in Berlin © dpa / picture alliance / Britta Pedersen
Von Oliver Schwesig · 08.07.2015
Kritiker und Kollegen wie Elton John oder Paul McCartney schwärmen von ihm. Und doch wartet der Kanadier Ron Sexsmith mit seinem melancholischen Folk-Pop seit 20 Jahren auf den Erfolg - zumindest außerhalb Europas. Seine Musik empfindet er wie antike Möbel, die keiner will. Nun ist er auf Tour.
Melodieschwer, etwas wehmütig und mit großer Kraft – das sind die Songs von Ron Sexsmith. Sie sind manchmal von einer unbeschreiblichen Leichtigkeit beseelt, von tiefer Melancholie und immer wieder von intelligentem, genialem Handwerk geprägt. Die schönsten Melodien fließen dem Kanadier mühelos dutzendfach aus der Hand. Eine schöner als die andere. Und das seit über 20 Jahren. Zweimal bekam er bereits den Juno Award, den renommiertesten kanadischen Musik-Preis. Ron Sexsmith hat sogar einen Ehrendoktor seiner Heimatstadt. Ein Mann, der eigentlich ziemlich glücklich sein müsste.
Und dann die Überraschung: Beim Interview sitzt ein sehr nachdenklicher Typ vor mir. Rundlich und mit zerzaustem Haar kauert der 51-Jährige am Tisch, meidet Blickkontakt und rührt verstohlen in seinem Kaffee. Aber glücklicherweise plaudert Sexsmith gern. Zum Beispiel darüber, wie er Songs schreibt. Es beginnt jedes Mal mit einem Ritual.
"Normalerweise wenn ich zuhause bin, mache ich Spaziergänge. Ich geh zur Schwimmhalle, schwimme eine Runde. Dann komme ich nach Hause und fast jedes Mal fällt mir was ein, fängt ein neuer Song an, oder ich arbeite an einer alten Idee weiter. Ja, das ist schon ein Geschenk. Aber es ist auch ein kleiner Fluch. Weil, manchmal denke ich: Was soll das Ganze? Ich bin wie ein Möbelbauer, der diese alten antiken Möbel baut, die keiner will."
"Die Beatles und Dylan haben das auch so gemacht"
Und da meldet er sich schon, der Zweifler Ron Sexsmith. Klar, er ist heute irgendwie aus der Zeit gefallen. In den 70ern hätte Sexsmith von seinen folkigen Popsongs wahrscheinlich Millionen verkauft. Dennoch hat er nie aufgegeben. Und war fleißig. 13 Alben in 20 Jahren. Die hohe Produktivität hat eine ganz pragmatische Ursache.
"Nach meinem ersten Album gab es gute Kritiken. Aber ich wurde danach nervös, weil ich dachte: Die erwarten von mir, dass das nächste Album auch gut wird. Und so fing ich sofort an zu schreiben. Und seitdem bin ich mir immer voraus. Sogar jetzt hab' ich schon 15 neue Songs liegen. Und ich glaube, das ist das Geheimnis. Die Beatles und Dylan, die haben das auch so gemacht. Zwei Alben pro Jahr haben sie raus gebracht und das lag daran, weil sie dauernd komponierten. Ja, ich habe echt Glück gehabt. Das schafft nicht jeder. Manche Leute können nur komponieren, wenn ihr Herz gebrochen ist oder so. Ich kann über alles schreiben."
Bei soviel Songschreiber-Können fragt man sich, wo Ron Sexsmith in die Schule gegangen ist. Es war ein kleiner Club in seiner Heimatstadt in Ontario, wo er sich sechs Jahre lang seine Sporen verdiente. Mit Coverversionen. Abend für Abend. Eine gute Lehre.
Kleine Verbitterung über den ausbleibenden Erfolg
"Oh ja, das glaube ich. Viele machen das nicht und fangen gleich mit ihren eigenen Songs an. Das ist schon ok. Aber für mich war das eine wichtige Schule, die Songs anderer erstmal zu lernen. Ich kannte natürlich eine Menge Songs aus meiner Kindheit, also die Texte. Aber sich wirklich hinzusetzen und die Akkorde rauszufummeln. Da bin ich so oft überrascht worden. Erst beim Spielen merkt man: Oh, da ändert sich die Tonart usw. Und als ich mit meinen eigenen Songs anfing, konnte ich aus diesem riesigen Reservoir schöpfen. Sehr hilfreich!"
Auch wenn seine plaudernde Art es nicht vermuten lässt: Was immer wieder durchschimmert im Gespräch, ist eine kleine Verbitterung. Eine Verbitterung darüber, dass Ron Sexsmith bis heute keinen großen Erfolg hat. Von seiner besten Platte hat er gerade mal 25.000 Stück verkauft. Ein treues Publikum fand er aber in Europa. In London spielt er inzwischen vor 2000 Leuten, sagt er stolz und das nächste Album soll noch in diesem Jahr kommen.
Die Musik dieses Mannes ist ein Glücksfall für uns. Sexsmith hat 20 Jahre unbeirrt weiter gemacht, feilte an seinem gesegneten Talent – und nur deshalb ist er jetzt in der Lage, solche großartigen Popsongs zu schreiben, wie heute kein anderer. Und nun nimmt die Karriere ja auch ein bisschen Fahrt auf. Also, Ron Sexsmith hat keinen Grund, betrübt zu sein.
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