Sebastian Schnitzenbaumer

"Ich habe eine Verpflichtung"

Sebastian Schnitzenbaumer, Sohn des Verstorbenen Schamoni, sitzt am 24. Juni 2011 vor der Beisetzung des Filmregisseurs und Produzenten Peter Schamoni auf dem Friedhof in Seeshaupt am Starnberger See auf einer Bank.
Sebastian Schnitzenbaumer, Sohn des Verstorbenen Peter Schamoni, sitzt am 24. Juni 2011 vor der Beisetzung seines Vaters auf einer Bank. © picture alliance / dpa / Ursula Düren dpa
Von Andi Hörmann · 20.12.2014
Sebastian Schnitzenbauer hat erst mit zwölf Jahren erfahren, dass er der Sohn des berühmten Filmemachers Peter Schamoni ist und somit zu einer kreativen Familiendynastie gehört. Er hat nun mit "Schamoni Musik" ein Indie-Musik-Label gegründet.
Das Telefon klingelt vergeblich, wenn Sebastian Schnitzenbaumer in die Tasten seines alten Synthesizers greift, Knöpfe drückt und Schalter kippt - auf der Suche nach einem Klang, der ihm gefällt.
Vielleicht ist das ja der passende Soundtrack zur Vita von Sebastian Schnitzenbaumer. Kino im Kopf: Zeitraffer, von 1977 bis jetzt. Szenen der Melancholie, aufgeheitert durch beschwingte Varieté-Akkorde mit dem Klang einer trauernden Kirchenorgel. Standbild: Ende der 80er.
"Otto Schnitzenbaumer, der war eigentlich mein Vater, oder ist mein Vater gewesen. Ich habe das ja mit Peter Schamoni erst im zwölften Lebensjahr erfahren, dass er mein Vater ist."
Der berühmte Filmemacher Peter Schamoni: er ist der leibliche Vater von Sebastian Schnitzenbaumer. Stichwort: Neuer Deutscher Film, Oberhausener Manifest. Er dreht in den 60er- und 70er-Jahren Kassenschlager und Kritikerlieblinge: "Schonzeit für Füchse" oder der Publikumserfolg "Zur Sache Schätzchen" - ein Abgesang auf Opas Kino.
"Hier haben wir zwei Vintage-Keyboards. Plattenspieler, ganz wichtig. Bandmaschine. Und natürlich Rechner: Internet. Und Raummikrofon, auch wichtig. Wenn jemand mal eine Idee hat, dann kann man das so in den Raum stellen, und dann..."
Aufnahme läuft! Ein altes Revox-Kassetten-Deck: High End aus den 80ern. Mit dem Zeigefinger schiebt sich Sebastian Schnitzenbaumer das spröde Gestell seiner alten Hornbrille auf den Nasenrücken. Sein Baseball-Cap tief in die Stirn gezogen. Die schulterlange Zottel-Mähne fällt ihm über die hängenden Schultern - der inszenierte Chaos-Look.
"Ich bin eine Ordnungsmaschine"
"Ja, das stimmt. Ich sehe aus wie ein Chaot. Aber schau dir das Zimmer an: es wirkt chaotisch, aber es hat alles seinen Platz. Ich verbringe sehr viel Zeit mit Aufräumen. Das ist fast schon zwanghaft. Ich bin eine Ordnungsmaschine."
Rotes Hemd mit Blümchen-Motiv auf dem aufgestellten Kragen, leichte Strickjacke, schmächtig und hochgewachsen die Statur - etwas comichaft, ein Nerd wie aus dem Bilderbuch, ein Computerfreak.
"Ja, klar. Ich bin ein Nerd. Da habe ich kein Problem damit. Da freue ich mich. Ich finde Nerds cool. Ich bin gerne Nerd. Wenn ich mal Zeit habe, denke ich mir: super, ich habe Zeit, ich kann irgendwas aus-checken. Hurra!"
Nach dem Abitur schmeißt Sebastian Schnitzenbaumer ein Kunstgeschichtsstudium sofort wieder hin. Er programmiert lieber an webbasierten Innovationen in der Münchner Computer-Undergroud-Szene. Es ist die Zeit des Dot-Com-Hypes. Als Autodidakt entwickelt er Software für den Konzernriesen SAP.
"Da kam dann eine riesige Sinn-Krise. Es war zwar super Kohle und alle haben gesagt: ja, jetzt hast du es geschafft, du hast ja nicht studiert und jetzt bist du bei so einem Großkonzern. Und ich dachte mir so: what? Darum ging es mir ja auch nie. Und da ging es dann mit der Musik wieder los. Dann habe ich gesagt: so, kein Rechner, kein Internet, wir gehen wieder in den Proberaum und machen wieder Musik."
Die kreativen Nachkommen teilen sich eine Villa
"Die stärkste Musik ist die Mutter, die ihrem Kind zum Einschlafen ein Kinderlied singt. Es geht gar nicht darum, dass sie das richtig singt und die Töne richtig sind, sondern einfach dieses Gefühl, diese Unschuld, diese Direktheit, diese Wärme. Die Authentizität, die da entsteht, das ist der heilige Gral."
Die luxuriöse Villa des 2011 verstorbenen Filmemachers Peter Schamoni teilen sich die kreativen Nachkommen der Familie: Im Souterrain die Kunst-Galerie von Deborah Schamoni, im Erdgeschoß die "Schamoni Film & Medien GmbH", in den oberen Stockwerken lebt und arbeitet Sebastian Schnitzenbaumer. Das filmische Erbe von Peter Schamoni stapelt sich in abgegriffenen Blechrollen im Keller-Archiv. In den Büro-Regalen reihen sich DVDs an Schallplatten, dazwischen Film-Preise und Requisiten:
"Ah, hier... Das original Daumen-Kino von Werner Enke aus Zur Sache Schätzchen... Da kommt er da und haut ihm auf den Kopf... Wie im Film."
2013 bringt Sebastian Schnitzenbaumer sie zusammen, seine Familiengeschichte und seine Musik-Faszination. Er versöhnt scheinbare Parallelwelten: Filmindustrie und Musikbusiness, Autorenfilm und Soundtrack. Mit dem Indie-Label "Schamoni Musik" veröffentlicht er experimentellen Pop aus dem Münchner Underground und Tonspuren aus dem Filmarchiv - auf Vinyl und Kassette, nicht als seelenlose MP3-Datei. Die verstaubten 35mm-Aufnahmen werden dabei am historischen Schneidetisch zu Videoclips.
"Als der Peter gestorben ist, war mein Gefühl, ein guter Freund ist gestorben. Da habe ich mich dadurch einsam gefühlt. Mein Stiefvater ist auch gestorben: da hatte ich das Gefühl, da ist mein Vater gestorben."
"Die Verpflichtung, diese Welten angemessen weiterzuführen"
Sein Stiefvater Otto Schnitzenbaumer war einer der ersten "Baulöwen" der BRD: der 40 Millionen schwere Hotelturm in Augsburg, das futuristische Schwabylon in München. Und Peter Schamoni, der leibliche Vater von Sebastian Schnitzenbaumer, gilt noch heute als einer der Erneuerer des deutschen Kinos.
"Wenn man so starke Überväter hatte, die so starke Welten erschaffen haben und so viel dem Leben abgetrotzt haben, dann ist es schon schwierig zu sagen: ich mach das alles nicht, ich mache sozusagen gar nichts. Das ist dann ein bisschen wenig. Ich habe sozusagen die Verpflichtung, diese Welten angemessen weiterzuführen."