Schauspielerei als idealer Beruf

Von Christian Geuenich · 17.08.2011
Der österreichische Schauspieler Georg Friedrich kommt in den nächsten Wochen gleich mit drei neuen Filmen ins Kino. Außerdem wird der Wiener auch bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig im Wettbewerb auf der Leinwand zu sehen sein.
Georg Friedrich hat schon alle möglichen Männer am Rande der Gesellschaft gespielt – unberechenbare, mitunter brutale Charaktere, die der 44-jährige Wiener so authentisch und vielschichtig verkörpert, dass man als Zuschauer nicht weiß, was sie als Nächstes tun werden.

Privat ist der Schauspieler mit den blonden Haaren, den strahlend blauen Augen und den Sommersprossen das genaue Gegenteil: Er ist höflich, schüchtern, schlürft Tee, raucht Menthol-Zigaretten und redet leise und etwas stockend, einzig das große silberne Piercing am Ohrläppchen und die Tätowierungen am rechten Oberarm erinnern an den harten Kerl der Leinwand:

"Ich wollte halt auch cool sein. Ich habe mit 19 angefangen, so wie ich die Abschlussprüfungen an der Schauspielschule gemacht habe, ich glaube, an dem Tag habe ich mir so einen traurigen Clown tätowiert. Den gibt es aber nicht mehr, der hat auch weniger wie ein trauriger Clown ausgeschaut, als mehr wie ein obdachloser Penner, da sind jetzt Würfel drüber."

In der leichten Komödie "Sommer in Orange" spielt der Österreicher den Bhagwan-Anhänger Siddhartha, der Anfang der 80er-Jahre einen Bauernhof in Bayern erbt und dort mit seiner Berliner Kommune einzieht, um ein "Therapiezentrum" zu errichten.

Filmausschnitt "Sommer in Orange"
" Gopal: "Weißt du, was dein Problem ist, dein großes Problem?"
Brigitte: "Du ehrlich, ich hab gar kein Problem, ich glaub, du hast eins!"
Siddhartha: "Kinder, seid ihr dann bald soweit, ich kann so echt nicht meditieren." "

In der NS-Verwechslungstragikomödie "Mein bester Feind" verkörpert er den naiven Opportunisten und Putzfrauensohn Rudi Smekal, der als Hauptsturmführer seinen besten Freund - den jüdischen Galeristensohn Victor Kaufmann - an die Nazis ausliefert und sich mit dessen Freundin verlobt. Während der Dreharbeiten hat der Schauspieler mit seinem Kollegen Moritz Bleibtreu in der Garderobe über die Kunst des Textlernens philosophiert und seither seine Arbeitsweise geändert:

"Sobald du noch Energie drauf verwenden musst, zu überlegen, wie der Text ist, fehlt dir einfach genau diese Energie, um zu spielen. Ich bin ein sehr fauler Mensch, ich tu oft nur das Notwendigste, bin aus einer Unzufriedenheit, die ich mit mir hatte, gerade dabei, das grundsätzlich zu verändern. Also ich beschäftige mich jetzt mit Figuren oder Rollen wesentlich mehr als ich es noch vor zwei Jahren getan habe."

Dabei lief es für den Berlinale Shootingstar von 2004 auch mit dem Notwendigsten schon sehr gut. Georg Friedrich ist als jüngstes von drei Kindern in einem Wiener Villenvorort aufgewachsen, der Vater Manager, die Mutter Hausfrau. Schon als Kind war es sein größter Wunsch, später einmal Schauspieler zu werden:

"Ich hab mit dem Dieter, das war mein bester Freund damals, der hat gegenüber gewohnt und dann haben wir uns als Kinder in der Sandkiste schon vorgenommen, dann aufs Reinhard-Seminar zu gehen und Schauspieler zu werden."

Mit 14 geht er auf eine Zeitungsannonce hin zu einem Casting und bekommt seine erste Hauptrolle in einem Fernsehmärchen. Mit leuchtenden Augen schaut der Schauspieler in die Ferne, während er das erzählt, als würde er noch einmal in seine Kindheit reisen:

"Ich glaube, das war die größte Freude, ich bin da schreiend durchs Haus gelaufen, ich habe selten so ein Glück verspürt, wie als ich die Zusage gekriegt habe, dass ich das spielen darf. Das weiß ich noch, ich war so glücklich und habe mich so wahnsinnig gefreut. Anscheinend habe ich auch gespürt, das ist so ein Anfang."

Und ein Grund mehr, um mit 16 die verhasste Elite-Schule abzubrechen und auf eine private Schauspielschule zu gehen. Allerdings erscheint er auch dort nur für ein paar Pflichtstunden pro Woche:

"Ich habe als Kind wahnsinnige Probleme gehabt, wenn ich mich einfügen musste und vor allem nichts dagegen tun konnte. Ich glaube, das Einzige, was ich wirklich angefangen habe und bis zu Ende durchgezogen habe, ist mein Beruf. Ansonsten habe ich ganz oft was angefangen und dann schnell wieder aufgehört."

Die Schauspielerei sei für ihn der ideale Beruf, erzählt er schmunzelnd, weil er so ganz viele unterschiedliche Berufe in der Fiktion kurz und intensiv ausprobieren kann:

"Es gibt keinen schöneren Beruf als den des Schauspielers, wenn man das Glück hat, arbeiten zu können und gut beschäftigt zu sein. Ich glaube, es gibt keinen schlimmeren Beruf, wenn man nicht arbeiten kann und wenn man auf irgendeinem Tournee-Theater irgendwas annehmen muss, damit man irgendwas hat. Ich glaube, das macht wahnsinnig unzufrieden."

Anfangs war der Wiener froh, einen Taxischein zu haben, um seine Existenz zu sichern. Inzwischen kann er sich die Rollen aussuchen und möchte in Zukunft weg von den Kleinkriminellen, Dealern und schrägen Typen hin zu anspruchsvolleren Rollen und Filmen. In dem tiefgründigen Drama "Über uns das All" spielt er beispielsweise einen Geschichtsdozenten. In ihm erkennt eine Frau ihren überraschend verstorbenen Freund wieder:

"Ich freue mich dann auch immer, wenn Leute sehen, dass ich auch andere Sachen spielen kann."

Georg Friedrich hasst Castings, er mag es nicht, ohne Kostüm und Szenenbild in einem anonymen Studio etwas vorzuspielen. Als es in Berlin um die Rolle des Famulus Wagner in der "Faust"-Verfilmung des großen russischen Autorenfilmers Alexander Sokurov ging, hat er das Casting ordentlich verhauen, das war zumindest sein Gefühl.

Es hat trotzdem geklappt und die Erfahrungen mit dem Regisseur gehören zu den schönsten Erlebnissen seines Schauspielerlebens, schwärmt er:

"Es hat wahnsinnig Spaß gemacht, und es kommt so ganz selten vor, dass einer von 100 Drehtagen, wenn man Glück hat, dass ich heim fahre und mir denke, boah jetzt hast du eine super Arbeit gemacht. Und an einem Tag beim Sokurov da habe ich das Gefühl gehabt, dass mir so etwas ganz Außergewöhnliches gelungen ist."

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