Schauerliche Ausflüge ins Moor

23.07.2008
Der Name des englischen Jugendbuchautors Kevin Brooks steht für dramatische Konstellationen und extreme Spannung. In seinem neuen Thriller "The Road of the Dead" (Die Straße der Toten) geht es um zwei ganz unterschiedliche Brüder, die den Tod ihrer Schwester aufklären wollen. Ein Buch, das auch Jungen packen wird, die sonst nicht freiwillig lesen.
Der Name des englischen Jugendbuchautors Kevin Brooks steht für dramatische Konstellationen und extreme Spannung, für große Gefühle und ein wenig Mystik – also für Pageturner im besten Sinn. Entsprechend erfolgreich und mit Preisen überhäuft wurden seine Romane "Lucas", oder "Kissing the Rain", in diesem Frühjahr ist mit "The Road of the Dead" Kevin Brooks fünfter Jugendroman auf Deutsch erschienen.

Dass Kevin Brooks Jugendromane auf dem deutschen Markt ihre Originaltitel behalten, hat sich als Marketingstrategie bewährt. Signalisieren die doch noch deutlicher, dass wir es mit Thrillern zu tun haben, die in ihrer perfekten Mischung aus Action und Emotionen, Schrecken und Ausweglosigkeit fast etwas Archaisches an sich haben.

Der 14-jährige Ruben und sein 17-jähriger Bruder Cole fahren ins Dartmoor, wo ihre Schwester Rachel vergewaltigt und ermordet wurde, um deren Tod aufzuklären. Dort geraten sie in eine Spirale aus Hass und Gewalt, Erpressung und Aggression, aus der sie sich nur körperlich und seelisch schwer beschädigt retten können. Auch der blutrote Sonnenuntergang am Schluss kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Welt hier vollends aus den Fugen geraten ist.

Kevin Brooks "The Road of the Dead" ist ein Pageturner, dessen Spannung nicht nur auf seinen hochdramatischen Gewalt-Szenen und Action-Elementen beruht. Spannung entsteht hier von Anfang an durch die Verschiedenheit der beiden Brüder. Ruben, der Erzähler, ist ein hochsensibler, nachdenklicher, genau beobachtender Junge, Cole dagegen ein impulsiver, gewaltbereiter, kalter "Todesengel". Ruben will die Wahrheit, Cole will Rache, Ruben erzählt, Cole handelt. Und aus dieser Diskrepanz zwischen höchst sensibler Sprache und knallharter Handlung bezieht der Roman seine stärkste Wirkung.

Wie ein Film läuft das Geschehen vor den Augen des faszinierten Lesers ab. Ruben und Cole kämpfen in der düsteren Atmosphäre eines einsamen Dartmoor-Dorfes gegen undurchschaubare Dorfbewohner, eine Horde von Schlägern und eine Bande von brutalen Kriminellen. Ruben beschreibt das alles genau, springt von hektischen zu ruhigen Szenen, von vertrauten Gesprächen zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. In manchen Prügelszenen bewegen sich die Figuren in ballettähnlichen Formationen fast wie nach einer Choreographie. Wodurch die Gewalt aber nicht etwa beschönigt oder verherrlicht wird, sondern künstlerisch verfremdet, nicht zur Identifikation einlädt, sondern zur Distanz - als geschehe das alles auf einer Bühne.
Ruben beobachtet ungeheuer präzise, nimmt Gerüche und Geräusche, Gedanken und Gefühle intensiv wahr. Seine Erzählweise schmiegt sich dem Erleben an, wechselt zwischen lauten und leisen, schrillen und stillen, lakonischen und pathetischen Tönen. Wobei seine telepathischen Fähigkeiten manchmal so weit gehen, dass er auch Unsichtbares bzw. weit Entferntes direkt miterlebt. Ein Motiv, das eine mystische Note in den ansonsten total realistischen Roman einbringt und manchmal deutlich überstrapaziert wird.

Doch das ist der einzige Einwand gegen ein Jugendbuch, das sich wunderbar als Ferienlektüre eignet und auch Jungen packen wird, die sonst nicht freiwillig lesen. Kevin Brooks Bücher können süchtig machen. Und wer nicht bereit ist, auf die nächsten Titel zu warten ("Being" erscheint im kommenden März) sollte sich die schon erschienenen besorgen. Ein prickelnder Lesesommer ist dann garantiert!


Rezensiert von Sylvia Schwab

Kevin Brooks: The Road of the Dead
Aus dem Englischen von Uwe-Michael Gutzschhahn
Deutscher Taschenbuch Verlag 2008
350 Seiten, 11,95 Euro