Salzbergwerk in Wieliczka

Untertage-Tourismus in die polnische Kathedrale aus Salz

Kronleuchter im Salzbergwerk Wieliczka in Krakau.
© imago/Sabine Gudath
Von Florian Kellermann · 19.02.2015
Goethe besuchte Wieliczka 1790 in seiner Funktion als Bergbauminister. Heute kommen jedes Jahr eine Million Touristen in das ehemalige Salzbergwerk. Sie bestaunen die jahrzehntelange Arbeit der Bergarbeiter, die kunstvolle Kapellen in das Salz geschlagen haben.
Das Hämmern der Bergleute mischt sich mit der Musik von Chopin. Beides kommt vom Band, trotzdem ist ein Besuch in Wieliczka auch ein Erlebnis für die Ohren. Die großen Gewölbe über 100 Meter unter der Erde bilden einen unvergleichlichen Resonanzraum. Mehr als eine Million Besucher hören hier pro Jahr zu. So viele kommen in das Salzbergwerk.
In der Kapelle der Heiligen Kunigunde zeigt Führerin Marzena Chwast auf einen Kronleuchter, der aus tausenden kleinen Stückchen aus Salzkristallen besteht. Insgesamt 26 unterschiedliche Kapellen wurden hier unter Tage bisher entdeckt. Die Bergleute hätten sie dort, wo das wertvolle, reine Salz schon abgebaut war, selber gestaltet, sagt Marzena.
"Sie waren früher sehr religiös, weil diese Arbeit auch gefährlich war. Diese Männer suchten die Hilfe auch im Himmel. Früher wollten die Bergleute auch an Minimum zwei regulären Gottesdiensten pro Tag teilnehmen, am Anfang und auch am Ende der Arbeit. Deshalb dauerte die Schicht insgesamt fast zehn Stunden. Acht Stunden, normalerweise, arbeiteten die Bergleute, und zwei Stunden dauerten insgesamt diese Gottesdienste."
Mitarbeiter stellen Stühle auf in der Kunigunden-Kapelle. 54 Meter lang und zwölf Meter hoch wirkt sie eher wie eine Kathedrale. Heute soll hier eine Hochzeit stattfinden. Solche Veranstaltungen sind das zweite wirtschaftliche Standbein des Bergwerks neben dem Tourismus. Das dritte sind Heilanwendungen – dank des Salzwassers, das sich in den Tiefen sammelt.
Skulpturen, Kronleuchter und Reliefs aus Salz
Die Kapelle der Kunigunde ist das wertvollste Schmuckstück in Wieliczka. An den Wänden sind aus dem Salz gehauene Reliefs zu sehen.
"Diese Kapelle ist das Handwerk von nur drei Personen. Die Brüder Markowski, Jozef und Tomasz, und auch Antoni Wrodek hauten all diese Flachreliefs, Skulpturen und Kronleuchter fast 70 Jahre. Die Arbeit begann hier schon im Jahre 1895 und endete im Jahre 1963."
Später kamen weitere Figuren hinzu – die von Papst Johannes Paul II etwa. In einem Gang nicht weit von hier steht sogar der Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe. Er war in Weimar auch Bergbauminister und besuchte Wieliczka 1790, wie sein Eintrag ins Gästebuch verrät.
Salz wird im Bergwerk seit fast 20 Jahren nicht mehr abgebaut, aber doch weiterhin gewonnen. Durch die 300 Kilometer langen Korridore und Schluchten rinnt Wasser, das die Mitarbeiter abpumpen müssen – wegen der Stabilität der Stollen. Das Wasser wird destilliert, das so gewonnene Salz kommt in den Verkauf.
Insgesamt ist Wieliczka heute ein gut funktionierendes Unternehmen, das zwar Subventionen braucht, aber auch selbst einiges erwirtschaftet. Als es den Salz-Abbau in den 90er-Jahren einstellte, arbeiteten hier rund 1100 Menschen. Heute sind es, dank der Touristen, sogar deutlich mehr. Unter ihnen sind aber immer noch 461 Bergleute. Einer von ihnen ist Wieslaw Wiewiorka, er arbeitet seit über 30 Jahren hier.
"Wir beschäftigten uns heute damit, das einstige Bergwerk abzusichern. Wir bekämpfen die Gefahren, die vom Grundwasser ausgehen, von verschiedenen Gasen und von Gesteinsverschiebungen. So machen wir den touristischen Betrieb erst möglich. Den neueren Teil des Bergwerks, der nicht schützenswert ist, schütten wir mit Sand zu."
Brigitte Bardot protestierte gegen Einsatz von Pferden unter Tage
Wieslaw Wiewiorka ist gar nicht traurig, dass er kein Salz mehr abbaut. Er liebt es, durch die verlassenen Korridore zu streifen. In besonders abgelegenen Winkeln schrieben Bergleute an die Wände, um sich zu verewigen. Sie ließen Zeitungen zurück oder auch mal, aus Versehen, ein Kleidungsstück.
Der Bergmann bestaunt auch die alten technischen Einbauten.
"Das macht die Einzigartigkeit dieses Bergwerks aus: Die Eigenschaften des Salzes haben dazu geführt, dass die Spuren des Abbaus aus früheren Jahrhunderten erhalten sind. Wir haben hier einen Überblick über die Techniken des Bergbaus vom Mittelalter bis heute."
Ein Beispiel ist der einst von Pferden betriebene Aufzug aus dem 15. Jahrhundert. Die Pferde liefen ständig im Kreis und bewegten die Seile, an denen die Behälter mit Salz hingen. Vor 12 Jahren lebte hier das letzte Pferd unter der Erde, dann kam es nach oben zu einem Bauern. Die Schauspielerin Brigitte Bardot war zu Besuch in Wieliczka und drohte damals mit einer Protestaktion gegen die – in ihren Augen – Tierquälerei.
Zu Fuß steigen die Besucher in das Bergwerk hinab, ein Personenaufzug bringt sie wieder hoch. Wer das Abenteuer sucht, kann noch ein paar Tage bleiben in Wieliczka. Neben der typischen Touristenführung bietet das Bergwerk auch Expeditionen in verlassene Stollen an. In ferner Zukunft soll auch eine Untergrundbahn in Betrieb genommen werden, die weitere Bereiche zugänglich macht.
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